Fahrschulen in der Krise:Fahrstunden in Pink

Lesezeit: 4 min

Einst als Werbeträger gedacht, dann zum Fahrschulauto umgerüstet: der pinke Porsche einer Münchner Fahrschule. (Foto: Fahrschule M1 München)

Die Schüler bleiben aus, bei den Lehrern fehlt der Nachwuchs: Deutsche Fahrschulen kämpfen mit Problemen. Einige setzen deshalb auf das besondere Fahrerlebnis.

Von Thomas Harloff

Es gibt einen Porsche Cayenne, der selbst in Münchens an Premium- und Edelkarossen reichem Straßenverkehr heraussticht. Das liegt vor allem an seiner Farbe: Er ist pink. Zum rollenden und röhrenden Kuriosum wird er auch deshalb, weil er ein Fahrschulauto ist. Eingesetzt von einem Unternehmen, das man in München als "Porsche-Fahrschule" kennt, weil es außerdem noch einen weißen 911-Sportwagen einsetzt.

Zwei Porsche-Modelle im Fuhrpark. Ein SUV und ein Sportwagen, die ein leistungsstarker Motor eint. Das sorgt in der Branche für Unmut. Die Kritik kommt vom Vorsitzenden der Bundesvereinigung der Fahrlehrerverbände: "Man sollte die jungen Leute nicht auf die Schnapsidee bringen, dass sie diese sehr schnellen Fahrzeuge der Hightech-Kategorie schon sicher beherrschen", sagt Gerhard von Bressensdorf.

Vereinzelte Luxuserscheinungen wie diese sind aber die geringsten Probleme, mit denen sich die Branche derzeit konfrontiert sieht. Von Bressensdorf spricht von einer "extrem angespannten Wettbewerbssituation". Fakt ist: Es gibt zu viele Fahrschulen für zu wenige Fahrschüler - und das, obwohl es 2014 mit 11 900 fast 2000 Fahrschulen weniger gab als noch 1999. Doch der Trend geht weg vom Führerschein. Legten 2008 noch fast 1,8 Millionen Menschen die praktische Prüfung ab, waren es 2014 nur noch etwa 1,5 Millionen - ein Rückgang um etwa 17 Prozent in sechs Jahren.

Straßenverkehr
:Blink, Brüderlein, blink!

Auf deutschen Straßen sind besonders viele Blinkmuffel unterwegs. Faulheit scheint nicht das Hauptproblem zu sein, glauben Verkehrspsychologen.

Von Thomas Harloff

Der Führerschein, ein kostspieliges Vergnügen

Das liegt am demografischen Wandel. "Die geburtenschwachen Jahrgänge fangen an, durchzuschlagen", sagt Claudia Zink, Geschäftsführerin der Münchner Porsche-Fahrschule. Aber auch am Statusverlust, den das Auto bei den Jugendlichen seit einiger Zeit erleidet. Zumindest bei denen, die in der Stadt wohnen. Der Vergleich zwischen Stadt und Land zeigt: Die meisten Fahrschüler in den Ballungsräumen sind zwischen 18 und 20 Jahre alt, oftmals älter. Die Heranwachsenden auf dem Land können es dagegen kaum erwarten, den Führerschein zu machen: Fast 50 Prozent der Jugendlichen nutzen die Möglichkeit des begleiteten Fahrens, erlangen schon mit 17 Jahren die Fahrerlaubnis.

Das ist ein immer teureres Vergnügen. 1900 Euro kostet der Klasse-B-Führerschein im Schnitt. "Je nach Region sind es bis zu 400 Euro mehr oder weniger", sagt von Bressensdorf. Auch um Geld zu sparen wollen die Fahrschüler ihre Ausbildung in immer kürzerer Zeit absolvieren. "Jeder zweite Kunde fragt einen Intensivkurs nach", sagt Claudia Zink, die damit die immer größer werdende Hektik des täglichen Lebens auch auf die Fahrschulen übergreifen sieht. "Die Leute nehmen sich einfach keine Zeit mehr für den Führerschein." Doch den Spaß im Porsche geben sich viele ihrer Fahrschüler, obwohl eine Fahrt im Elfer 25 Euro teurer ist als eine übliche Stunde Sonderfahrt, die 52 Euro kostet.

In Zeiten, in denen es immer weniger Fahrschüler gibt, könnte man meinen, dass die Verkehrssünder den Fahrlehrern das Geschäft retten. Erst recht seit Mai 2014, als ein neues Punktesystem eingeführt wurde. Seitdem ist die Fahrerlaubnis schon bei acht Punkten weg, nicht mehr wie bisher bei 18. Das sollte nach Meinung der meisten Experten zu einem schnelleren Führerscheinverlust führen. Doch der erwartete Run auf die Punkteabbau-Seminare blieb aus. "Der Einbruch war extrem. Die Seminare für auffällige Autofahrer sind regelrecht weggebrochen", klagt von Bressensdorf. Denn aus der Pflicht, ab einer gewissen Anzahl Punkte auf dem Flensburger Konto an einem solchen Seminar teilzunehmen, ist im Zuge der Reform eine freiwillige Sache geworden. Statt 23 000 Autofahrern würde nur noch ein Zehntel das Angebot annehmen - die anderen gehen auf Risiko und hoffen, keine Punkte mehr zu sammeln. "Die Punktereform ist schädlich, weil es nicht mehr die Möglichkeit gibt, Leute zum Nachdenken über ihr Fahrverhalten zu animieren", sagt von Bressensdorf deshalb.

Doch nicht nur die Fahrschüler bleiben aus, es kommen auch kaum Fahrlehrer nach. Das Gros der Ausbilder ist heute in den späten Vierzigern und frühen Fünfzigern, diese Generation wird sich also in den kommenden zehn bis 20 Jahren aus dem Beruf verabschieden. "Wir brauchen dringend Nachwuchs", sorgt sich von Bressensdorf. Der Job sei, wie so viele andere im Autobereich, etwa Lkw- oder Busfahrer, derzeit nicht sehr beliebt.

Ein Porsche für besondere Anlässe

Zurück zu Claudia Zink und ihrer Münchner Fahrschule. Sie kennt die Bedenken ihres obersten Interessenvertreters und schränkt die Einsatzmöglichkeiten ihrer beiden Porsches deshalb ein: "Wir nutzen die Autos nur für Auffrischungsstunden oder am Ende der Ausbildung als besonderes Schmankerl", sagt die Fahrlehrerin. "Damit lassen wir auch nur Schüler fahren, bei denen wir das nötige Verantwortungsbewusstsein sehen." Obwohl die Fahrschule im Internet mit den Leistungsdaten und Fahrwerten der Zuffenhausener wirbt, dürfen die Fahrschüler damit nicht schneller fahren als mit den anderen Autos. Bei Regen und generell in den Herbst- und Wintermonaten bleibt der Elfer sowieso in der Garage.

Zink betreibt fünf Filialen in und um München, eine davon im noblen Stadtteil Bogenhausen. Sie kann noch recht sorgenfrei in die Zukunft blicken. Kein Wunder angesichts ihrer teils sehr solventen Klientel. Wie dieser eine Fahrschüler, der seine komplette Ausbildung mit dem 911 bestritt. "Der sehr gut betuchte Papa wollte, dass der Sohn ausschließlich mit dem Porsche fährt, weil er nach bestandener Prüfung direkt auf einen Ferrari umsteigen sollte", erzählt die Fahrlehrerin. "Aber die Prüfung musste er in einem normalen BMW absolvieren. Im Elfer hätte der Prüfer keinen Platz gehabt."

Die Porsches rechnen sich, sagt Zink, selbst wenn sie nur selten zum Einsatz kommen. Vorrangig dienen die Edelkarossen, die zudem nicht mehr ganz neu sind, sowieso als Werbeträger. Und so wird aus dem auf den ersten Blick absurden Konzept eine sinnvolle Maßnahme, die anderen Fahrschulen als Anschauung dienen könnte: Mit der Aussicht auf ein paar Highlight-Fahrstunden im Porsche statt im VW Golf, welcher übrigens etwa die Hälfte aller Fahrschulautos in Deutschland ausmacht, lassen sich vielleicht wieder mehr Jugendliche für den Führerschein begeistern. Es muss ja nicht der neueste Sportwagen sein - und auch nicht in Pink.

© SZ.de/harl - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Führerscheintest
:Schaffen Sie die Prüfung noch?

Probieren Sie es aus, bei der Theorieprüfung mit aktuellen Fragen und Videos. Einfach die gewünschte Führerscheinklasse wählen und los – mit Sofortergebnis!

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: