Radfahren bei Schnee und Eis:Schieben, kehren, streuen

Radfahren bei Schnee und Eis: Viele Radfahrer und Radfahrerinnen sind mit dem Winterdienst in ihrer Stadt unzufrieden.

Viele Radfahrer und Radfahrerinnen sind mit dem Winterdienst in ihrer Stadt unzufrieden.

(Foto: Robert Haas)

Radfahrerinnen und Radfahrer ärgern sich im Winter häufig über schlecht geräumte Wege. Wie sich das ändern lässt.

Von Marco Völklein

Susanne Neumann drückt es diplomatisch aus: "Beim aktuellen Winterdienst für Radfahrerinnen und Radfahrer in Frankfurt sehen wir noch viel Luft nach oben", sagt die Vertreterin des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC) in der Mainmetropole. Zwar hatte die Stadtverwaltung im vergangenen Jahr neue Kehr- und Streufahrzeuge angeschafft - und diese öffentlichkeitswirksam vorgestellt. Zudem seien die Kehrpläne und -orte angepasst worden, sagt Neumann. "Tatsächlich sieht es aber so aus, dass die Reinigung der Radwege in der Regel oft erst dann beginnt, wenn der Winterdienst der Fahrbahnen abgeschlossen ist." Und das sei für Radfahrerinnen und -fahrer, die in der Früh zum Arbeits- oder Ausbildungsplatz wollen, oft zu spät. Das Auto genieße - auch beim Winterdienst - weiterhin Vorrang vor dem Rad.

Mit dieser Ansicht ist Neumann nicht allein. Wie eine (nicht repräsentative) Umfrage der SZ unter einem knappen Dutzend ADFC-Kreis- und Ortsklubs zeigt, gibt es nahezu überall Kritik am Winterdienst. In Berlin zum Beispiel würden viele Radwege "entweder gar nicht geräumt oder scharfkantiger Splitt gestreut", heißt es. In Gera in Thüringen ignoriere der Winterdienst in aller Regel die straßenbegleitenden Radwege. Auch der ADFC in Stuttgart berichtet von zahlreichen Beschwerden von Radfahrerinnen und -fahrern; der Winterdienst dort werde als "unzureichend empfunden, da wichtige Strecken nicht geräumt werden". In Dresden ist die Stadtverwaltung nach Aussage der örtlichen ADFC-Vertreter in den vergangenen zwei, drei Jahren dazu übergegangen, zumindest ein rudimentäres Winternetz für den Alltagsradverkehr aufzubauen; der Elberadweg im Stadtgebiet werde "zuverlässig geräumt". In Gera würden die Radverkehrsanlagen "regelmäßig als Ablageort für Schnee vom Gehweg genutzt", kritisiert Friedrich Franke vom ADFC in Gera. Und leider, so Franke, schreite die Stadt dagegen nicht ein.

Rosalie Kreuijer vom ADFC Leipzig berichtet zudem, dass Radwege und -spuren dort auch bei längeren Perioden mit Schneefall nur einmal geräumt würden, danach aber nicht mehr. Die Folge: Liegengebliebene Schnee- und Eisreste tauen tagsüber auf und frieren in der Nacht wieder fest; ebenso Schneereste, die von Radfahrern mit schneebehafteten Reifen wieder auf den bereits geräumten Abschnitten verteilt würden. Binnen kurzer Zeit entstehe so "erneut eine Eisschicht", die für viele Radfahrer und -fahrerinnen eine Gefahr sei. Ihr Urteil: "Im Vergleich zu echten Fahrradländern wie den Niederlanden oder Dänemark ist das ein Armutszeugnis."

Doch wer im Klimaschutz vorankommen und den Umstieg der Menschen auf umweltfreundlichere Verkehrsmittel wie das Fahrrad fördern wolle, der müsse dafür sorgen, dass sie auch im Winter sicher und zumindest einigermaßen komfortabel mit dem Rad oder dem E-Bike vorankommen, argumentiert auch der ökologisch orientierte Verkehrsclub Deutschland (VCD). In einem Positionspapier zum "Gewinnfaktor Fahrrad" fordert der Verband, dass "Winterdienst und Straßenreinigung die Fahrradstreifen mit mindestens gleicher Priorität wie die Kfz-Fahrbahnen räumen und reinigen" müssten.

In einer Online-Umfrage des über viele Jahre der Radverkehrsförderung eher unverdächtigen Automobilklubs ADAC aus dem Jahr 2020 gaben 61 Prozent der Befragten an, ihr Fahrrad oder E-Bike im Winter gar nicht zu benutzen. Nur acht Prozent radelten an mindestens drei Tagen pro Woche länger als eine Viertelstunde. Laut der Studie "Mobilität in Deutschland", die das Bundesverkehrsministerium regelmäßig erstellt lässt, nimmt der Radverkehr im Winter um etwa 50 Prozent ab.

In der ADAC-Umfrage gaben etwa 70 Prozent der Befragten an, sich über die vorhergesagten Temperaturen zu informieren und sich dann für oder gegen das Rad zu entscheiden. Je ein Drittel der Befragten, die im Winter nie oder selten Rad fahren, verzichtet darauf wegen der Kälte und wegen der Witterungsverhältnisse. Das restliche Drittel gibt andere Gründe an. Jeden zweiten Winterradler indes stört am meisten die Sturzgefahr wegen Glätte und Rollsplitt.

Der ADAC appelliert daher wie ADFC und VCD an die Kommunen, Radwege gut und zumindest das Hauptradwegenetz möglichst lückenlos zu räumen. Eine mögliche Restglätte sollte der Räumdienst mit einer Salzlösung bekämpfen. "Unsere Umfrage zeigt ein großes Potenzial für mehr Radverkehr im Winter", sagt Stefan Gerwens, Leiter des Ressorts Verkehr beim ADAC: "Voraussetzung dafür ist ein verstärkter Winterdienst."

Experten plädieren für die "Schwarzräumung"

Da allerdings liegt die Tücke oft im Detail: Wird zum Beispiel Splitt gestreut, steigt aus Sicht vieler Radfahrer die Sturzgefahr - zumindest dann, wenn nach dem Winter die Steinchen nicht rasch wieder zusammengekehrt werden. Zudem bohren sie sich gerne in die Reifen und verursachen so Pannen. Fachleute plädieren deshalb für die sogenannte "Schwarzräumung", also das möglichst komplette Freiräumen des Radweges, sodass sich am Ende das schwarze Asphaltband von der weißen, zugeschneiten Umgebung abhebt (daher der Fachausdruck). Das verhindert auch, dass bei schwankenden Temperaturen Spurrillen im Schneematsch zu Eis gefrieren - und damit erneut zu einer Gefahr für Radler werden.

Bei der Schwarzräumung müssen die Räumer laut Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) mit ihren Fahrzeugen - insbesondere bei starkem Schneefall - zunächst mit einem (schmalen) Schneepflug den Radweg grob freischieben, um anschließend mit großen, rotierenden Bürsten die letzten Eis- und Schneereste vom Asphalt zu kratzen. Was man damit nicht wegbekommt, muss mit Salz oder Sole gelöst werden. Um solche Maschinen (zusätzlich) anzuschaffen, fehlt vielen Kommunen allerdings das Geld.

Um die Umwelt zu schützen, haben zahlreiche Städte und Gemeinden per Satzung das Streuen von Tausalz, meist Natriumchlorid, manchmal auch Calcium- und Magnesiumchlorid, untersagt - auch auf den Radwegen. Sprüht man allerdings das Salz auf statt es großflächig zu streuen, ließe sich die ausgebrachte Menge deutlich reduzieren. Das haben laut BASt Sprühversuche auf Kfz-Fahrspuren gezeigt. Das Problem auch hier: Anschaffung und Betrieb solcher Sprühaufsätze kosten Geld.

Zudem nörgelt auch mancher Radler über den Einsatz von Salz auf dem Radweg: Denn das greift gerne freiliegende Fahrradteile an, beispielsweise die Kette oder die Ritzel einer Kettenschaltung; Rost kann sich dann rascher ausbreiten. Fachleute raten Winterradlern deshalb, den Antrieb in der kalten Jahreszeit noch öfter zu pflegen als im Sommer - und das vor allem lange im Voraus. Also möglichst bevor die Kette laute Lauf- oder Quietschgeräusche von sich gibt oder gar Rost ansetzt.

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