Süddeutsche Zeitung

Leistungsmesser:Watt nu?

Der Radsport ist eine der vermessensten Sportarten überhaupt - zumindest, wenn es um das Messen der eigenen Leistung geht. Dabei gibt es einiges zu beachten - für Profis wie auch Amateure und Hobbysportler.

Von Jean-Marie Magro

Der Blick nach unten ist für viele Radfahrer und Fahrerinnen während eines Rennens genauso wichtig wie der auf die Straße: Der Fahrradcomputer zeigt nicht nur die aktuelle Geschwindigkeit oder das Etappenprofil. Viel wichtiger sind die Leistungswerte: Mit wie viel Kraft trete ich gerade in die Pedale? Das ist auch für immer mehr Amateure interessant.

Der Radsport ist eine der vermessensten Sportarten überhaupt. FTP, VO2 max, NP... wer sich nur ein bisschen mit Rennradfahren beschäftigt, dem werden diese Leistungsindikatoren bald um die Ohren fliegen. Sie alle lassen sich durch gezieltes Training verbessern und die Leistung in ungeahnte Höhen schießen.

Entscheidend bleiben immer die Watt. Wie viel davon kann ein Fahrer wie lange treten? Das hängt auch mit dem jeweiligen Fahrerprofil zusammen. Sprinter etwa wiegen von Haus aus etwas mehr und müssen nur über eine ganz kurze Zeit maximale Leistung erzielen. Der frühere deutsche Sprinterkönig Marcel Kittel konnte etwa für den Bruchteil einer Sekunde über 1800 Watt in der Spitze treten, mehr als zwei Pferdestärken. Für Bergfahrer wiederum ist es entscheidend, über lange Zeiträume einen hohen Wert zu halten.

Ein Gefühl für ein spezifisches, auf Watt basiertes Training bekommen einige Hobby- und Amateurradfahrer bereits auf einem Hometrainer, der über ein mobiles Endgerät steuerbar ist. Noch schöner ist ein Intervalltraining in den Bergen, wenn die Tage im Sommer länger und wärmer werden. Mit einem Messsystem lässt sich der Ausflug problemlos in den Trainingsplan integrieren. Und man kann während der Ausfahrt live auf dem Fahrradcomputer verfolgen, wie gut die Beine gerade tatsächlich sind.

Schiebt der Wind an oder zeigt das Training erste Erfolge? Wattpedale schaffen Klarheit

Die Lösungsansätze sind unterschiedlich. Jahrelang waren die in der Kurbel eingebauten Powermeter dominant. Sie sitzen im Kurbelarm, der Kurbelachse oder dem sogenannten Spider. Hier war meist das Problem, dass die Kurbel dadurch schwerer wurde. Wer sich außerdem erst nach dem Kauf eines Fahrrads für einen Powermeter entschied, dem drohte ein Umbau. Profis schwören trotzdem auf die schier unerreichte Präzision des in einer Shimano-Dura-Ace-Schaltung eingebauten Powermeters. Allerdings liegt ein solches System inklusive der Schaltung auf einem höheren Preisniveau als ein neu gekauftes Anfängerrad. Das kostengünstigere Ultegra-System verabschiedet sich wiederum bei hohen Leistungen in die Ungenauigkeit.

Eine Alternative sind Pedale mit einem integrierten Messsystem, etwa das Modell Assioma von Favero Electronics aus Italien. Diese Wattpedale messen sehr genau. Selbst bei Sprints, die in hohe Leistungsbereiche gehen, liegt die maximale Abweichung bei ein bis zwei Prozent. Zudem sind die Assioma-Pedale leicht, sie sehen ästhetisch aus und können über ein Magnetladekabel aufgeladen werden. Laut Herstellerangaben können sie über 50 Stunden gefahren werden. Mehr als ausreichend für einige Ausfahrten. Ein Haken bei den Assioma-Pedalen ist wiederum die Festlegung auf das Look-Keo-Pedalsystem. Wer sich an ein Shimano-Klicksystem gewöhnt hat, muss sich umstellen. Dafür besticht das qualitativ hochwertige Modell durch ein sehr gutes Preis-Leistungs-Verhältnis. 695 Euro kosten die Assioma - knapp 400 Euro weniger als das neue System von Garmin.

Kleiner Vorteil des US-Konkurrenten: Das neue Modell Rally RS200 lässt sich binnen Sekunden mit einem Garmin-Fahrradcomputer verbinden und kalibrieren. In der Präzision stehen Wattpedale von Garmin den Assioma in nichts nach. Sie sind wohl etwas schwerer, weil mit großem Pedalschlüssel einzubauen, während die Assioma sich ohne jegliches Werkzeug in die Kurbel drehen lassen. Die Garmin-Pedale haben einen Batterieakku mit einer Laufzeit von 120 Stunden. Der Batteriewechsel ist weiterhin fummelig; auch bei früheren Garmin-Modellen musste dafür das seitliche Ende aufgeschraubt werden. Allerdings will der Hersteller so das Problem des eindringenden Spritzwassers gelöst haben. Neben den Standardwerten zeigt das Garmin-Modell außerdem Details zur Fußstellung und zum Winkel an, in dem das Pedal steht.

Der Vorteil an Pedalsystemen: Wer mehrere Fahrräder zu Hause stehen hat und nicht nur auf dem Rennrad, sondern auch auf dem Mountainbike seine Werte überprüfen möchte, kann sie schnell ab- und wieder aufschrauben.

Neben den genannten Systemen sind aber auch Leistungsmesser in der Hinterradnabe, den Schuhen sowie im Brustgurt möglich.

Für den Hobbyradfahrer, der einfach nur die schöne Landschaft genießen möchte, ist die Anschaffung eines Powermeters wohl übertrieben. Auch der Autor dieses Stücks zählt sich zu den Radsport-Romantikern, der sich eigentlich nie bis auf das letzte Watt vermessen wollte. Aber dann verlocken Bergfahrten doch immer wieder dazu, Grenzen auszutesten und völlig unterzuckert auf einem Gipfel anzukommen.

Da helfen nur gezieltes Training - und der Unparteiische in den Pedalen: An einem Tag fährt man vielleicht fünf Stundenkilometer im Schnitt schneller als am anderen und hält sich für unbesiegbar, dabei liegt das nicht an den eigenen Beinen, sondern am gut stehenden Wind. Am anderen Tag ist es genau umgekehrt. Ein Powermeter schwindelt nicht, sondern ist der unbestechliche Spiegel der Leistungsfähigkeit.

Um den Effekt einmal in Zahlen auszudrücken: Der Autor fuhr in dieser Woche den berühmt-berüchtigten Mont Ventoux in der Provence hoch. 17 Minuten, und damit fast ein Fünftel schneller als seine ursprüngliche Bestleistung.

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