Radtest:In der Kurbel liegt die Kraft

Möve Henry Mountaibike

Eine Art „mechanischen Rückenwind“ versprechen die Entwickler des Möve Henry.

(Foto: Möve Bikes)

E-Bikes sind der Fahrradtrend der zurückliegenden Jahre. Das Möve Henry geht einen ganz anderen Weg. Es unterstützt den Fahrer beim Treten - ganz ohne Elektromotor und Akku.

Von Andreas Remien und Marco Völklein

Noch vor der ersten Ausfahrt hatte Tobias Spröte gewarnt: "Man braucht etwas Zeit, bis man sich an den Antrieb gewöhnt hat." Und tatsächlich fällt man quasi bei jedem Tritt ein Stückchen in ein Loch, so wie Spröte es gesagt hatte. Der Unternehmer aus Mühlhausen in Thüringen will mit seiner Firma Möve Bikes einen neuartigen Antrieb bei Fahrrädern etablieren: einen Antrieb mit mechanischem Rückenwind, wenn man so will. Viele andere Hersteller setzen auf Elektromotoren und bewerben diese als "eingebauter Rückenwind". Spröte verspricht etwas Ähnliches, nur dass er auf E-Antrieb und Akku verzichtet und stattdessen auf Muskelkraft setzt.

Sein Antrieb nennt sich "Cyfly". Dabei handelt es sich um eine mechanische Mehrgelenk-Kurbel, die für bis zu 30 Prozent mehr Drehmoment sorgen soll. Damit werde die Tretenergie des Fahrers besser genutzt, verspricht Spröte. Wer einen genauen Blick auf die Cyfly-Kurbel wirft, dem fällt zunächst das ovale Kettenblatt auf. Das kennt man auch von manchem Profirennradfahrer, die hoffen, über die ovale Form einen "runderen Tritt" zu erreichen und so mehr Kraft aufs Pedal bringen zu können. Bei Sprötes Konstruktion aber kommt noch hinzu, dass die Kurbeln rund um das Tretlager kurios verwinkelt und umgelenkt erscheinen. Insgesamt 100 Teile sind in diesem Tretlager verbaut. Sie sind das Herzstück des Antriebs. Laienhaft ausgedrückt funktioniert das dann so: Steht das Pedal auf der Drei-Uhr-Stellung verlängert sich durch die komplexe Mechanik die Pedalkurbel - und sorgt so für eine größere Drehmomentausbeute.

Entwickelt hat das Ganze noch zu DDR-Zeiten ein findiger Ingenieur aus Leipzig, zumindest erzählt Spröte die Geschichte so. Der Tüftler aus Sachsen sei mittlerweile hochbetagt und scheue die Öffentlichkeit. Zusammen mit zwei Kompagnons entwickelte Spröte die Idee vor einigen Jahren bis zur Marktreife weiter. Und er erinnerte sich, dass in seiner Heimatstadt Mühlhausen bis in die Sechzigerjahre hinein die traditionsreiche Fahrradmarke Möve existierte, deren Ursprünge bis ins Jahr 1897 zurückzuführen sind. Spröte sicherte sich die Markenrechte und versucht nun, den alten Namen mit neuer Technik in die Zukunft zu führen. Rund 200 Fahrräder haben er und seine Mitstreiter im Jahr 2018 nach eigenen Angaben abgesetzt, 300 planen sie im laufenden Jahr. Acht Mitarbeiter beschäftigt der kleine Betrieb in Mühlhausen mittlerweile.

Entwickelt hat das Ganze noch zu DDR-Zeiten ein findiger Ingenieur aus Leipzig

Vier Fahrradtypen hat Möve mittlerweile im Angebot, neben den drei Trekking- und Stadtfahrrädern Franklin, Mary und Stuart ist das Mountainbike Henry die jüngste Entwicklung. Der Rahmen des 29 Zoll Hardtail-MTBs sei speziell auf den Cyfly-Antrieb abgestimmt, sagt Spröte. Komponenten wie die Zwölffach-Kettenschaltung Eagle GX-O von Sram, Leichtbau-Laufräder von Tune und MT5-Scheibenbremsen von Magura komplettieren das 12,9 Kilogramm schwere Rad mit Aluminiumrahmen, das für 3995 Euro zu haben ist. "Die Leichtigkeit und Geometrie des Henry macht den Schub, den Cyfly aus der Muskelkraft herausholt, besonders erlebbar", sagt Spröte - wenngleich der Cyfly-Antrieb laut den Entwicklern knapp zwei Kilogramm Mehrgewicht mit sich bringt. Dieses soll aber durch die Vorzüge der Mechanik mehr als aufgewogen werden.

Aber ist das tatsächlich so? Wie also fährt sich nun das Bike mit dem mechanischen Rückenwind? Wie gesagt, auf dem Sattel unterwegs im Gelände ist man zunächst einmal vor allem damit beschäftigt, sich mit dem ungewohnten Tretgefühl anzufreunden. Und insbesondere bei längeren Fahrten in eher ebeneren Gegenden gewöhnt man sich erst nach einer ziemlich langen Probierphase an den leicht eierigen Cyfly-Tritt. Am ehesten vergisst man an einer starken Steigung, dass man da einen anderen Antrieb unter den Zehen hat. Denn da ist man ja ohnehin vor allem darauf konzentriert, den Anstieg irgendwie zu meistern. Zumal die zwölf Gänge am Henry insbesondere im bergigen Gelände relativ schnell an ihre Grenzen kommen. An manch heftiger Steigung wünscht sich der Fahrer schon ein zweites, kleineres Kettenblatt vorn, auf das er die Kette legen könnte, um den Berg bequemer zu bewältigen.

Möve Mountainbike mit "mechanischem Rückenwind"
Foto: Möve Bikes

Die Kurbel wurde so konstruiert, dass sie dem Fahrer zusätzliches Drehmoment bringen soll. Der Preis für das Rad liegt bei 3995 Euro.

(Foto: Möve Bikes)

An sich aber fährt sich das Rad erfreulich stabil, das Handling ist präzise und die Verarbeitung einwandfrei. Die großvolumigen Reifen krallen sich fest in den Untergrund, der breite Lenker vermittelt ein sicheres Steuergefühl. Inwiefern die Cyfly-Technologie also tatsächlich den Fahrer unterstützt, lässt sich nur schwer sagen. Mit dem Extrakick eines per Akku und E-Motor angetriebenen Pedelecs jedenfalls ist die Unterstützung nicht zu vergleichen. Zumal solche Räder mit vergleichbarer Ausstattung mitunter günstiger zu haben sind. Ökologischer freilich sind indes die Cyfly-Räder.

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