Süddeutsche Zeitung

Fahrrad-Leasing:Steuervorteil auf zwei Rädern

Lesezeit: 4 min

Dienstfahrräder sind in Mode. Und von diesem Jahr an muss ihre private Nutzung nicht mehr versteuert werden - aber nur, wenn der Arbeitgeber mitspielt.

Von Steve Przybilla

Ins Fitnessstudio geht Sebastian Meinecke schon lange nicht mehr. "Brauche ich nicht", sagt der 32-Jährige, "Mein Sport passiert auf dem Weg zur Arbeit." Meinecke, der als Controller bei der VW-Tochter Moia arbeitet, fährt täglich mit dem Rad ins Büro. Acht Kilometer pro Strecke, 25 Minuten quer durch Berlin. "Egal bei welchem Wetter, egal bei welcher Verkehrslage. Mit dem Fahrrad kann ich genau planen, wann ich da bin", ergänzt er. Bei seinem früheren Arbeitgeber hatte der Controller einen Dienstwagen - vielerorts noch immer ein betriebliches Statussymbol. Richtig schnell war Meinecke mit dem Auto allerdings nicht: "Da war ich im Stau manchmal doppelt so lange unterwegs."

Diese Zeiten sind vorbei: Seit vergangenem August nimmt Meinecke ausschließlich das Rad zur Arbeit. Kaufen musste er es nicht, denn sein Arbeitgeber stellt es ihm - ähnlich wie ein Auto - als "Dienstfahrzeug" zur Verfügung. Die Firma wiederum least die Fahrräder für ihre Angestellten. Spezielle Vorgaben gibt es dabei nicht. Jeder darf sein Lieblingsmodell in einem bestimmten Preisrahmen frei wählen. "Bei uns gibt es eine Grenze von 1400 Euro", erzählt Meinecke. Höher dürfe der Verkaufspreis des Rades nicht liegen. "Dafür bekommt man zwar kein E-Bike, aber richtig gute normale Fahrräder", sagt Meinecke. Er jedenfalls sei hoch zufrieden. "Ich bin den ganzen Winter durchgefahren."

Bei Moia ist Meinecke mit seinem Dienstrad nicht allein. Etwa ein Fünftel der 180 Beschäftigten nutzt nach Angaben der Firma das Leasing-Modell. Um ihnen das Strampeln schmackhaft zu machen, gibt es Abstellplätze vor dem Büro und einen eigenen Fahrradraum innerhalb des Gebäudes. Fahrrad fahren, so scheint es, wird im Geschäftsleben zunehmend zur Normalität. Schätzungen zufolge gibt es bereits rund 250 000 Diensträder in Deutschland. Genaue Zahlen gibt es nicht, aber allein die Jobrad GmbH, Deutschlands größter Leasing-Anbieter, gibt an, rund 10 000 Betriebe unter Vertrag zu haben.

So verlockend trockene Abstellplätze und schicke Bikes auch sein mögen: Die meisten Angestellten nutzen ihr Fahrrad wohl aus praktischen Gründen wie Zeitersparnis, Fitness und dem Beitrag für die Umwelt. Dass diese Argumente bei Schneematsch und vereisten Straßen schnell in den Hintergrund rücken können, sei dahingestellt. Fest steht, dass Dienstfahrräder seit 2012 den motorisierten Fahrzeugen gesetzlich gleichgestellt sind. Arbeitgeber entscheiden selbst, ob sie ihrer Belegschaft ein Fortbewegungsmittel mit vier oder zwei Rädern zur Verfügung stellen.

Trotzdem sind Dienst-Fahrräder für viele Arbeitgeber noch immer Neuland. Um organisatorische Dinge wie Modellwahl und Versicherungsfragen zu vereinfachen, gründete der Freiburger Ulrich Prediger 2008 die Firma Jobrad. Als Zwischenhändler schließt das Unternehmen Rahmenverträge mit Fahrrad-Händlern und Firmen ab, die ihren Angestellten ein Dienstrad zur Verfügung stellen möchten. Den Papierkram erledigt dann Jobrad.

"Die Idee kam mir auf dem Fahrrad", erzählt Prediger. "Vor zehn Jahren haben mich die Leute belächelt. Die Bereitschaft von Arbeitgebern, für diesen Service Geld auszugeben, ist in Deutschland eher gering." Doch die Zeiten ändern sich allmählich. Die Firmen, mit denen Jobrad heute kooperiert, kommen zusammen auf zwei Millionen Beschäftigte. Sie alle hätten ein Anrecht auf ein geleastes Fahrrad. Unter den Firmen, die mitmachen, sind zahlreiche Großunternehmen wie SAP, Bosch, die Uniklinik Freiburg, aber auch Autokonzerne wie Porsche und BMW.

Es lohnt sich zu schauen, wer die kompletten Kosten trägt

Große Überredungskünste sind manchmal gar nicht nötig, wenn es darum geht, einen Arbeitgeber an Bord zu holen. Denn es sprechen auch durchaus finanzielle Argumente für ein Dienstrad. Zumal für Fahrräder nur ein Bruchteil der Stellfläche anfällt, die ein Auto benötigt. "Die laufenden Kosten sind viel geringer", erklärt Prediger, "und beim Fahrrad muss sich niemand Winterreifen zulegen." Viele Firmen bezuschussten schon heute Kita-Plätze oder Besuche im Fitnessstudio. "Aber manche bieten immer noch Benzingutscheine an. Da wäre es doch an der Zeit, mehr ans Fahrrad zu denken."

Allein ist Jobrad mit diesem Geschäftsmodell nicht mehr. Auch Unternehmen wie Eurorad, Business-Bike oder Mein-Dienstrad.de bieten den Leasing-Service inzwischen an. Interessant ist: Die meisten Arbeitgeber stellen ihren Angestellten das Dienstfahrrad nicht komplett kostenfrei zur Verfügung. Stattdessen ziehen sie die Leasingrate (meist um die drei Prozent) bei der Gehaltsabrechnung ab. Wenn der Neupreis eines Fahrrads beispielsweise 1000 Euro beträgt, werden monatlich 30 Euro abgezogen. Außerdem muss die private Nutzung über die Ein-Prozent-Regel versteuert werden - zumindest, wenn der Arbeitgeber die Rate vom Lohn abzieht.

Bei den Unternehmen, die mit Jobrad kooperieren, tragen über 90 Prozent nicht die kompletten Kosten. Aber es gibt Ausnahmen, zum Beispiel die eingangs erwähnte Firma Moia aus Berlin. Im hart umkämpften Fachkräftemarkt kann sich eine solche Zusatzleistung durchaus lohnen. Zumal das Interesse offensichtlich da ist: Das Softwareunternehmen SEMrush hat ausgewertet, wie oft der Begriff "Dienstrad" auf Google gesucht wird. Das Ergebnis: Im Vergleich zu 2014 wurde der Begriff 2018 insgesamt 848 Prozent häufiger gegoogelt. Freilich muss man diesen Wert relativieren: In absoluten Zahlen wurde der Begriff monatlich knapp über tausend Mal in die Suchmaschine eingegeben. 2014 lag dieser Wert noch bei 110.

"Das Thema nimmt Fahrt auf", bestätigt auch der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club (ADFC). "Diensträder sind eine interessante Sache, wenn damit tatsächlich viele Alltagswege gefahren werden und das Auto stehen bleibt", sagt ADFC- Sprecherin Stephanie Krone. Aber: "Wenn Diensträder nur als Sportgeräte genutzt würden, wäre das gesundheitlich toll, aber für den Verkehr keine Entlastung." Auch lohne sich ein Dienstrad nur dann, wenn man ein Rundum-Sorglos-Paket dazu bekomme: einen Wartungsservice, eine Versicherung, alle paar Jahre ein neues Rad.

So weit wie in den Niederlanden sei man in Deutschland noch nicht, moniert der ADFC. "Aber auch die deutsche Arbeitgeberszene kommt spürbar aus der Autofixierung heraus." Die Infrastruktur sei hierzulande allerdings verbesserungswürdig: "Engpass sind in Deutschland nach wie vor die schlechten oder ganz fehlenden Radwege", ergänzt Krone. "Hierfür sollten die großen Arbeitgeber ihr politisches Gewicht in die Waagschale werfen."

Auf Arbeitnehmer-Seite zeigt sich wiederum, dass die Sache am Ende doch nicht so rosig ist, wie es zunächst scheint. So lehnen Gewerkschaften im öffentlichen Dienst den Abzug der Leasing-Rate vom Gehalt bisher ab, weil sie fürchten, dass dies der erste Schritt zu weiteren Lohnumwandlungen sein könnte. Anbieter wie Jobrad hoffen, dass in Zukunft mehr Arbeitgeber die Kosten komplett übernehmen.

Steuerlich ist der Anreiz dafür seit Neuestem gestiegen. Die private Nutzung von Diensträdern muss seit Januar 2019 nicht mehr als geldwerter Vorteil versteuert werden - aber nur, wenn der Arbeitgeber das Dienstrad zusätzlich zum Lohn zur Verfügung stellt.

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Quelle:
SZ vom 09.03.2019
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