Fahrrad im Test:Die Harley für Radler

Fahrrad im Test: Ein Hingucker: Mit dem Ruffian aus Regensburg fällt man auf.

Ein Hingucker: Mit dem Ruffian aus Regensburg fällt man auf.

(Foto: Ruff Cycles)

Das Ruffian sieht aus wie ein Motorrad und ist auch genauso unpraktisch. Trotzdem macht das Fahren so viel Spaß wie mit keinem anderen Fahrrad.

Von Felix Reek

Bereits nach 200 Metern brüllt der erste. Ein Kastenwagen fährt vorbei, drosselt das Tempo, ein Kopf schiebt sich aus dem Beifahrerfenster. "Ist das ein Ruffian?", ruft er. "Ja!", die heisere Antwort. Der Mann zeigt einen Daumen. Kurz darauf das gleiche Spiel. Ein älterer Herr in Radmontur hält nebenan auf dem Radweg. "Wos issen des?", fragt er in breitem Bayrisch. "A Radl oder a Motorradl?" Die Antwort: Das Ruffian ist ein Pedelec. Ein Fahrrad mit Elektromotor. Wer damit unterwegs ist, sollte nicht kommunikationsscheu sein. Denn ein Ruffian ist nicht wie jedes andere Fahrrad. Es fällt auf.

Das liegt vor allem an seiner Optik. Das Rad orientiert sich an Motorrädern aus den Dreißigerjahren. Indian, Harley-Davidson - jene Maschinen, die zu Klassikern wurden. Überdimensionierte Weißwandreifen, breiter Ledersattel, ein großer runder Scheinwerfer und ein Tank in der Form eines Torpedos, in dem beim Ruffian die Batterien verborgen sind.

Hergestellt wird das Rad von Ruff Cycles aus Regensburg. Vor 14 Jahren begann die Firma mit der Fertigung von Custom-Rahmen, einem Trend, der aus der Motorradszene stammt. Das Bike soll so individuell wie möglich sein. Teile von der Stange sind verpönt. 2012 kam Pero Desnica, der Chef des Unternehmens, darauf, auch ein Fahrrad mit E-Motor anzubieten. Mittlerweile wurden weltweit fast 1000 Ruffians abgesetzt - bei einem Preis von 5500 Euro pro Stück.

Der Erfolg lässt sich vor allem durch das ungewöhnliche Design erklären, da das Ruffian nicht nur explizit Radler anspricht. Viele Harley-Fahrer sind unter den Kunden, genauso wie die Besitzer von Oldtimern. Menschen eben, die klassische Fahrzeuge lieben. Die Hardcore-Biker kommen trotzdem nicht zu kurz. Penibel wurde darauf geachtet, dass die verwendeten Materialien stimmen. Denn: "Die Fahrradprofis gehen als erstes hin und schauen sich die Schweißnähte an", sagt Mark Nguev. Er ist zuständig für das Marketing bei Ruff Cycles. Deswegen produzieren sie nicht in Asien, sondern im Maschinenbauwerk der Familie von Firmenchef Pero Desnica in Bosnien. Zu den Kunden dort zählen auch Siemens und BMW. Beim Motor wurde ein besonders leistungsstarkes Modell von Bosch gewählt. Das braucht das Retro-Bike auch, denn all die geschwungenen Formen aus Aluminium sorgen für ein enormes Gewicht. 33 Kilogramm wiegt das Rad.

Beim Fahren ist das dem Ruffian aber kaum anzumerken. Bereits in der niedrigsten Stufe "Eco" schiebt der Motor so überzeugend an, dass es sich mühelos treten lässt. Hier ist auch die Reichweite am höchsten. Bis zu 110 Kilometer waren es im Test. Je stärker die elektrische Unterstützung, desto schneller schmelzen allerdings die Restkilometer auf dem Display.

Das Ruffian ist ein entspannter Cruiser, der eine kurze Eingewöhnungszeit erfordert. Wer zum Beispiel den aufrechten Sitz auf einem normalen Fahrrad gewohnt ist, wird von der gleichzeitig zurückgelehnten als auch nach vorne gebeugten Haltung auf dem Ruffian überrascht sein. Der Fahrer sieht dabei ungefähr so aus, als wolle er mit Armen und Beinen gleichzeitig einen weit entfernten Baum umarmen. Weder der Lenker noch der Sattel sind höhenverstellbar. Nur der Sitz lässt sich vor- oder zurückschieben. Und natürlich besitzt das Ruffian auch all die Nachteile eines klassischen Motorrads: einen unpraktikablen Wendekreis. Viel zu breite Reifen, um es in einem Fahrradständer abzustellen. Ein zu hohes Gewicht, um es in den Keller zu tragen.

Aber wer erstmal auf dem Ruffian Platz genommen hat, dem dürfte das egal sein. Ins Schwitzen gerät der Fahrer dank des E-Motors selbst auf längeren Strecken nicht. Zwar ist das Treten im Sitzen mit dem Tank zwischen den Knien gewöhnungsbedürftig, aber dafür fährt es sich mit einem ganz anderen Selbstverständnis durch die Stadt. So müssen sich Biker auf ihren schweren Maschinen fühlen, es ist ein Fahren um des Fahren willens. Ohne Hast, ohne Eile. Eine zeitgemäße Variante des Motorradfahrens, minus Abgase und das Dröhnen eines Motors.

Das nächste geplante Projekt von Ruff Cycles ist daher auch keine große Überraschung: ein elektrisches Motorrad. Das Ziel: "Wir wollen die Harley-Davidson der E-Mobilität werden", sagt Nguev. Wenn das so aussieht wie das Ruffian, könnte das gelingen.

Das Testfahrrad wurde vom Hersteller zur Verfügung gestellt.

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