Fahrrad aus Mahagoni:"Ich fahre damit erst einmal 300 Kilometer selbst"

Sueshiro Sano wird wohl der Letzte seiner Familie sein, der sein Leben dem Mahagoni verschrieben hat. Momentan jedoch baut er noch Rennräder: Sie sind komplett aus Holz. Lediglich vier Stück fertigt der Meister pro Jahr. Ein Besuch im japanischen Koto.

Jo Beckendorff

Die Werkstatt von Magic Sano befindet sich in Koto, südöstlich von Tokio. Hier ist die traditionelle Nippon-Holzindustrie zu Hause. Seit 2007 schnitzt, biegt, schleift und schmirgelt dort der aus einer alten Bootsbauer-Familie stammende Sueshiro Sano leichte Rennräder. Der Clou: Sie sind aus echtem Mahagoni-Holz. Jahresproduktion: vier Stück. Kostenpunkt eines Sano-Magic-Leichtbau-Renners: zwei Millionen Yen, umgerechnet etwa 20.000 Euro.

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Handarbeit: Sueshiro Sano und eines seiner exklusiven Räder.

(Foto: J. Beckendorff)

"Vom traditionellen Nippon-Holzboot-Bau ist nicht mehr viel übrig", erklärt Sueshiro Sano beim Gang über das Holzindustrie-Gelände vor seiner Werkstatt. Links und rechts von Sano Magic wird ebenfalls gesägt und geschliffen. Gabelstapler flitzen rastlos umher. Lärmende Lastwagen werden mit Holzplatten be- und entladen.

Von der Yacht zum Rennrad

Der Meister - Spross der neunten Generation einer mehr als 200 Jahre alten Bootsbauer-Familie - hat zu kämpfen. Das Geschäft mit Holzyachten, auf das er sich im Laufe der Jahre spezialisiert hatte, wurde 2007 von Finanz- und Wirtschaftskrise ausgebremst. Dann kam ihm die Idee, auf seine Jugendliebe Rennrad zu setzen: "Wenn schon nichts mit Booten läuft, warum dann nicht mit Fahrrädern?" Als wir ihn besuchen, sitzt der 54-Jährige gerade an seinem fünfzehnten Custom-Made-Rennrad. Er blickt nur kurz auf und meint: "Der Bootsbau hat sich bis heute nicht erholt. Und die Sache mit den Rennrädern macht mir immer mehr Spaß."

Sano-san legt Wert darauf, dass er ausschließlich echtes Mahagoni verwendet: "Das lagert bei mir schon zwischen zehn und 20 Jahren. Es kommt hauptsächlich aus Honduras und ist heute kaum noch bezahlbar." Nur das Mahagoni aus Mittel- und Südamerika wird als echt bezeichnet. "Im Schiffsbau wird es wegen seiner guten Dauerhaftigkeit und Widerstandsfähigkeit gegenüber biotischen Faktoren eingesetzt", erklärt Sano, dessen Vater Ichiro als einer der Großen seiner Zunft einst zum lebenden nationalen Kulturerbe erklärt wurde. Muss ein Fahrrad unbedingt aus Mahagoni gebaut werden? Für Sano als begeisterten Hobbyradler keine Frage: "Holz reagiert sofort auf äußere Einflüsse wie beispielsweise Regen. Das fängt dann an zu arbeiten. Mahagoni ist die absolute Ausnahme - und sieht auch noch verdammt gut aus!" Schließlich baue er fahrbare Kunstwerke, die man eben nicht nur an die Wand hängt, sondern auch nutzen kann.

Das Geld, erklärt er, sei nicht der Antrieb für seinen Ein-Mann-Fahrradbau-Betrieb. Es gehe ihm vielmehr um die Pflege traditioneller Nippon-Handwerkskunst. Und Sano-san, der sich selbst als Zimmermann und Designer bezeichnet, hievt dabei mit ausgefeilter Technik das Gewicht seiner Modelle in verblüffende Regionen.

Der erste Sano-Magic-Renner aus dem Jahr 2008 wog ganze neun Kilogramm. Beim zweiten Rad höhlte der Japaner bereits einige Rahmen-Holzrohre aus. So konnte er das Gewicht auf acht Kilogramm drücken. Bis heute feilt der Holzbauer am Gewicht. Nummer 15, die gerade in Arbeit ist, bringt es ohne Pedale und mit zusätzlich ausgehöhltem Lenker und Sattelstütze auf knapp 7,8 Kilogramm, erklärt er stolz. Das lässt nicht nur Radler edler und moderner Carbon-Flitzer staunen.

Nur vier Rennräder pro Jahr

Eines der vier im Jahr produzierten Rennräder ist ein Minirenner mit 20-Zoll-Bereifung. Hier hat Sano Magic bereits Laufrad-Sätze mit Aero-Speichen im Programm. Auch diese sind zur Gewichtseinsparung ausgehöhlt. "Nächster Schritt wird es sein, solche Laufräder auch für normale Rennräder zu bauen", erklärt Sano-san. Zwei seiner bislang 17 gebauten Fahrräder hat der Meister selbst als Showobjekte behalten. Die restlichen 15 gingen an Kunden, unter anderem auch Museen, die sich dieses Kunstwerk an die Wand hängen. Sano hat aber auch zwei Abnehmer, bei denen die Holzflitzer regelmäßig auf der Straße zum Einsatz kommen.

Was Sano-Kunden besonders begeistert: Die Liebe zum Detail. Der Meister schnitzt und schmirgelt neben Rahmen, Laufrädern, Lenker, Sattelstützen und Sattel selbst filigrane Kleinteile wie Ventilkappen und Kabelhülsen. Und er glaubt an die Vorteile: "Sicherlich werden Sano-Magic-Bikes beim Sprint nicht mit Carbon-Asphaltflitzern mithalten können. Aber wenn sie einmal ins Rollen kommen, sind sie unschlagbar." Crashgetestet sind diese teuren Kunstwerke natürlich nicht.

Beim Kauf eines Sano-Magic-Renners ist persönliches Erscheinen Pflicht. Der Meister nimmt selbst Maß. Dafür erhält der Kunde ein auf ihn abgestimmtes Zweirad, und Sano garantiert: "Bevor ich ein Fahrrad persönlich aushändige, fahre ich damit erst einmal 300 Kilometer selbst." Da gäbe es immer noch einige Feinabstimmungen, die er vor der letztendlichen Auslieferung vornehme. Mittlerweile ist Sano Magic bis 2014 ausgebucht. Was bei einer Jahresproduktion von vier Fahrrädern kaum verwundert. Das Geschäft läuft bisher ausschließlich über Mund-zu-Mund-Propaganda. Und für 2015 warten auch schon drei Kunden auf eine individuelle Custom-Made-Anfertigung. Das macht Sueshiro Sano auch ein bisschen stolz: "Es wäre doch schade, wenn diese traditionelle Handwerkskunst nicht mehr wahrgenommen würde!"

Nur - was kommt nach ihm? Seine beiden Töchter haben anderes im Sinn. Und einen Mitarbeiter kann er sich nicht leisten, abgesehen davon, dass so jemand heute kaum zu finden wäre. Somit wird Sueshiro Sano wohl der Letzte seiner Familie sein, der sein Leben dem Mahagoni verschrieben hat.

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