Süddeutsche Zeitung

Fahrbericht VW T5:Dieser Bulli ist kein Öko

Großraumvan gleich Bus: Kaum ein Fahrzeug hat ein Segment dermaßen geprägt wie der Transporter von Volkswagen. Den gibt's inzwischen sogar mit 180 PS und viel Luxus an Bord. Sein hoher Preis disqualifiziert ihn allerdings als Volks-Wagen. Unterwegs im Multivan von VW.

Von Sascha Gorhau

Mit einer verführerischen Verpackung konnte ein VW Bus noch nie locken. Wenn es ein Auto gibt, bei dem die Form der Funktion folgt, dann die rollende Lagerhalle von Volkswagen. Zudem befindet sich der VW T5, so die offizielle Bezeichnung der aktuellen Bus-Generation, im Spätherbst seines Produktzyklus´. 2015 soll der Nachfolger T6 erscheinen.

Keine guten Voraussetzungen für einen frischen Augenschmaus. Man kann seinen Auftritt altbacken finden - aber auch vertraut. Dazu tragen von außen die ewige Kastenform und die bekannte VW-Designsprache mit dem Markenlogo im Kühlergrill bei. Das sieht nicht anders aus als bei einem Golf oder Polo. Der Rest ist der Praktik geschuldet: Große Flächen und eine Fahrzeughöhe von 1,97 Metern rufen den vielzitierten Vergleich mit der Schrankwand auf Rädern hervor.

Das Gefühl der Größe schwindet beim Besteigen des Fahrerplatzes. Die Sitzhöhe entspannt die Insassen schon vor Beginn der Reise und weckt zumindest ein wenig Verständnis für die zahllosen SUV-Fahrer, die als Anschaffungsargument für die ansonsten sinnfreien Pseudo-Geländewagen bei Nachfrage verschämt etwas von erhöhter Sitzposition und besserer Übersicht stammeln. Im Gegensatz zu modernen SUVs überzeugt der würfelförmige Bus nämlich mit wirklich guter Übersicht. Die Fahrzeugabmessungen sind klar einsehbar und ein T5 lässt sich leichter durch die Stadt und in die Parklücken navigieren als vermutet. Der Bus ist 4,89 Meter lang. Zum Vergleich: Das entspricht in etwa der Länge eines aktuellen VW Passat Variant (4,76 Meter).

Fahrverhalten wie ein Pkw

Das Interieur des Testwagens macht die rustikale Herkunft des Wagens nicht vergessen. In der noblen Multivan-Ausführung sind die Materialien und die Anmutung dennoch beinahe auf Pkw-Niveau. Das ist umso mehr hervorzuheben, da Volkswagen den T5 in den niederen Ausstattungsvarianten als Transporter (für den gewerblichen Einsatz) oder Caravelle (zum Transfer von bis zu neun Personen) mit einfachstem Hartplastik und standardgrauem Farbambiente ausstattet. Transporter und Caravelle bieten zwar dasselbe Sicherheitsniveau wie der Multivan, nicht jedoch seinen Komfort.

Der spiegelt sich im Fahrbetrieb wider. Auch vollbeladen mit Menschen oder Gepäck gibt sich der Bulli Pkw-ähnlich und neigt sich höchstens in schnellen Kurven oder mit hoher Zuladung deutlich zur Seite. Unruhig oder nervös wird er dabei nie. Die Vordersitze sind komfortabel genug, um auch lange Strecken zurückzulegen. Platzprobleme herrschen weder vorne noch hinten. 650 Liter Ladevolumen stehen regulär zur Verfügung, bei ausgebauten Sitzreihen hinter Fahrer und Beifahrer bietet der Wagen etwa 4000 Liter Stauraum. Damit ist ein Umzug kein Problem. Der Testwagen verfügte zudem über zwei Schiebetüren, was den Alltagsnutzen gegenüber der serienmäßig an der rechten Fahrzeugseite montierten Öffnungsklappe zusätzlich erhöht.

Doch der Ausbau der Einzelsitze ist kraftraubend und kompliziert. Die Sitze sind schwer zu greifen, ein Ausbau fällt nur zu Zweit leicht. Die Demontage der hinteren Sitzbank für drei Personen ist nur mit zwei Personen überhaupt möglich, so schwer ist sie. Der sich dann öffnende Laderaum überzeugt mit vielen praktischen Lösungen. Stabile Zurrösen sind ebenso an Bord wie das Schienensystem, an dem entlang Sitze, der Tisch oder auch andere Ausstattungen flexibel befestigt werden können. So findet von Campingmöbeln bis zu Motorradfixierungen fast alles sicheren Halt im Bus.

Im Gegensatz zu vorhergehenden Modellen, als ein Bulli stets eine lahme Krücke war, läuft so ein T5 inzwischen richtig flott. Das Testfahrzeug hat den aktuellen Spitzen-Diesel im Bug: ein Vierzylinder mit doppelter Turboaufladung und 180 PS Leistung. Klar, bei höheren Geschwindigkeiten zollt auch die viele Kraft der ungünstigen Aerodynamik und dem hohen Gewicht von knapp zweieinhalb Tonnen Tribut. Doch in Verbindung mit der Doppelkupplungsautomatik beschleunigt der Multivan souverän und ausreichend im Alltag. Ob der Durchschnittsverbrauch jedoch alltagstauglich und zeitgemäß ist - eher nicht. VW verspricht 8,1 Liter im Durchschnitt, mehr als zehn Liter waren es während des zweiwöchigen Süddeutsche.de-Tests. Ein entsprechend hoher CO2-Ausstoß disqualifiziert den großen Van endgültig als Öko-Bulli.

Viel Aura und viel Platz

Umso wichtiger ist es, einen Multivan als langjährigen Begleiter anzusehen. Dann kann er eine Stärken ausspielen: die Wandlungsfähigkeit, den Raum, die Haltbarkeit. Analogien zu den kultigen Bullis der 60er und 70er Jahre sind jedoch rein romantischer Natur. Der T5 ist auch gegen Ende seiner Produktionszeit ein mit Elektronik vollgestopfter Bus, der durch seine Fahreigenschaften eindeutig mehr Auto als Lastwagen ist.

Sein Preis allerdings erinnert eher an einen Lkw: In der gefahrenen Luxusausstattung namens Highline kostet ein T5 mit dem großen Dieselmotor und dem Doppelkupplungsgetriebe mindestens 58.399,25 Euro. Mit Zusatzausstattung steigt der Preis schnell auf mehr als 70.000 Euro. Ein Volks-Wagen ist das dann nicht mehr. Aber ein Alleskönner mit viel Aura und viel Platz. Und damit die Vernunft beruhigt ist: Wertstabil ist er - wenn auch leicht angegraut.

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