Fahrbericht:Porsche 911 Turbo S: Schnellster seiner Klasse

AUT 30.1.

Mit dem 911 Turbo behauptet sich Porsche weiterhin unter den Sportwagenbauern.

(Foto: Porsche)

580 PS, 2,9 Sekunden von null auf hundert: Kein zweiter Sportwagen seiner Art beherrscht derart perfekt den Spagat zwischen Alltag und Rennpiste.

Von Michael Specht

Wer ihn einmal besessen hat, was nur wenigen vergönnt ist, kommt schwer von ihm los. Zum einen, weil er absolut grandios fährt, aber eben nicht dieses halbseidene Proll-Image eines Lamborghini oder Ferrari besitzt. Zum anderen, weil er wie kein zweiter Sportwagen seiner Art einen derart perfekten Spagat zwischen Alltag und Rennpiste beherrscht. Nahezu ein Alleskönner. Brutal schnell auf dem Nürburgring, geduldig im Feierabendverkehr.

Die Rede ist vom Porsche Turbo. Damit ist nicht irgendein Turbo aus Zuffenhausen gemeint, nicht Macan, nicht Cayenne und auch nicht die neuen, modellgepflegten Carrera-Modelle. Gemeint ist einzig und allein "der" 911 Turbo, seit mehr als 40 Jahren das Topmodell der wohl berühmtesten Sportwagen-Baureihe der Welt.

Schon als der Turbo, intern 930 genannt, 1973 mit seinen aus heutiger Sicht bescheidenen 260 PS debütierte, galt er als der Über-Elfer, dem kein anderes Auto in Deutschland auch nur nahe kam. Das änderte sich auch in den folgenden Jahrzehnten nicht. Hubraum, Leistung und Fahrdynamik stiegen. Vollgepackt mit Hightech und optisch auffällig mit seinen breiten Kotflügeln und dem riesigen Heckspoiler war und blieb er unverwechselbar.

Porsche 911 Turbo ist der Topseller seiner Klasse

Noch heute gilt der 911 Turbo als Überflieger, lässt selbst Konkurrenten wie den Ferrari 488 und den McLaren 570 S noch hinter sich - wenn auch knapp - und ist in dieser Klasse der bestverkaufte Sportwagen überhaupt. Kaum zu glauben: An der Baureihe 911 hat der Turbo rund 25 Prozent Anteil, wovon wiederum fast 70 Prozent der Kunden die Topversion Turbo S ordern. "In einigen Jahren war dies sogar die am meisten verlangte Variante", sagt Chefentwickler August Achleitner.

Schon die technischen Eckdaten des neuesten Turbo S scheinen aus einer automobilen Parallelwelt zu stammen. Der Sechszylinder-Boxer leistet bei unverändertem Hubraum von 3,8 Litern jetzt 580 PS, eine Zugabe von 20 PS gegenüber dem Vorgänger. Sein Drehmoment beträgt mächtige 750 Newtonmeter, 50 Prozent mehr als ein normaler Carrera ins Getriebe schickt. Es bedarf wenig Fantasie, aber umso mehr Fahrkönnen und Selbstdisziplin, um zu erahnen und dann zu auch zu kontrollieren, was mit dieser Urgewalt in Kombination mit 1600 Kilo Leergewicht geschieht.

Straßen-Porsche mit Rekord-Beschleunigung

Die Turbo-Welt fliegt wie gehabt im Zeitraffer vorbei, wenn auch nur einen Wimpernschlag schneller als sonst. 2,9 Sekunden für den Sprint von null auf 100 km/h gibt das Werk für den S an. "Es ist der erste Straßen-Porsche, der in der Beschleunigung eine zwei vor dem Komma erreicht", verkündet Achleitner stolz, "und weniger als zehn Sekunden auf 200 km/h benötigt."

Sollte dann eine dreispurige Autobahn wirklich einmal bis zum Horizont frei sein, packt der Turbo S nochmals 130 Sachen obendrauf, zwölf km/h mehr als bisher. Nicht unwichtig für die kaufkräftige Klientel ist die erzielbare Rundenzeit auf der Nürburgring-Nordschleife. Porsche gibt für den intern 991 II genannten Turbo S jetzt 7:18 Minuten an, neun Sekunden schneller als für den Vorgänger. Nur der auf Rennsport getrimmte GT3 RS kann hier gerade so mithalten.

Überzeugende Testfahrt in Südafrika

Im Moment aber ist in der Eifel Winter und die "Grüne Hölle" damit nicht wirklich das optimale Revier für den Turbo S, auch wenn er seine Kraft auf vier Räder verteilt, vier Fahrmodi, Hinterachslenkung und Wankstabilisierung besitzt sowie über rennmäßige Keramik-Bremsen verfügt. Deshalb hielt Porsche für eine erste Testfahrt Ausschau nach einem passenderen Terrain, wurde fündig auf der neu gestalteten Rennstrecke Kyalami bei Johannesburg, die gerade aufwendig umgebaut worden ist. Dort lässt sich der neueste Über-Elfer schier unfassbar schnell, präzise und stressfrei bewegen, er prescht mit spielerischer Leichtigkeit durch Kurven, verzögert beim Bremsen brutal, aber perfekt dosiert, lenkt messerscharf ein, krallt sich beim Beschleunigen am Ausgang der Biegungen förmlich in den Asphalt und beschleunigt dann mit einer Vehemenz, dass einem fast der Atem wegbleibt.

Doch kommen all diese Fähigkeiten nicht von ungefähr. Sie sind das Ergebnis ständiger Verbesserungen von Modelljahr zu Modelljahr. Und ganz konkret sind sie Ergebnis diverser Errungenschaften, die den neuesten Turbo adeln. Zum Beispiel das noch einmal verbesserte Ansprechverhalten des Motors durch die permanent aktive Boostfunktion. Oder die weitere Optimierung der Fahrdynamik durch allerlei Einzelmaßnahmen von aktiven Motorlagern über Wankausgleich, Hinterachslenkung, Allradantrieb mit geregelter Hinterachs-Quersperre und solche Sachen. Die Ingenieure haben es sogar geschafft, dass ein 911 Turbo seine übermäßige Leistung halbwegs sozialverträglich verbrennt. 9,1 Liter sagt der NEFZ, ein praxisferner Laborwert, gewiss. Doch lässt es sich im Alltag mit zwölf bis 14 Liter je 100 Kilometer gut auskommen, selbst bei zügiger Fahrweise.

Für den Käufer dürfte aber vor allem wichtig sein, dass der neue Turbo S in allen Bereichen wieder ein kleines Stück geschärft worden ist und sich weiterhin deutlich vom Rest der normalen 911er-Welt abhebt. Für mindestens 202 872 Euro Kaufpreis sollte das ja drin sein.

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