Süddeutsche Zeitung

Fahrbericht Jaguar F-Type Coupé:Kraft-Wagen mit Domina-Effekt

Lesezeit: 3 min

550 PS, 0 auf 100 km/h in 4,2 Sekunden und 300 km/h Höchstgeschwindigkeit: Der Motor des Jaguar F-Type R Coupés ist eine Urgewalt. Wer die beherrschen möchte, sollte neben dem Führerschein auch ein Reifezeugnis mitbringen.

Von Georg Kacher

Es muss ja nicht gleich Herzrasen sein. Aber ein leicht erhöhter Puls lässt sich kaum vermeiden, die feuchten Handflächen werden irgendwann trocknen und der Adrenalinspiegel war damals im Bugatti Veyron deutlich höher.

Willkommen im Jaguar F-Type Coupé, das uns als enge, strenge Kammer umschließt wie ein Kokon aus weiß lackiertem Aluminium und rot gegerbtem Leder. Die R-Variante steigert diesen Nervenkitzel durch knapp geschnittene Rennsitze, die sich von der Schulterpartie bis zur Oberschenkelauflage verstellen lassen. Gesagt, getan: anschnallen, den Motor per Knopfdruck starten und mit angelegten Ohren das Dynamik-Menü programmieren.

Die Kalibrierung kennt drei Steigerungsstufen bis hin zum gefühlten Domina-Effekt. In "Race" haben Schaltvorgänge etwas Ballistisches, schlägt beim Einlenken der Blitz ein, knallen die Dämpfer wie ein Presslufthammer-Quartett auf den Asphalt, hängt der Motor am Gas, als wäre er bei Zerberus höchstpersönlich in die Lehre gegangen. Ein weiterer Tastendruck genügt, und der Vierrohr-Auspuff lärmt sich ungefragt in den Vordergrund. Ein weiterer, und die Stabilitätskontrolle wechselt von Vollzeit in Teilzeit. Noch einmal drücken, und der Heckspoiler füllt den halben Rückspiegel.

Die Hinterreifen kapitulieren

Das hoch motorisierte Jaguar-Coupé ist ein Allroundtalent. Nur damit, die Kraft auf den Boden zu bringen, tut er sich schwer, der bullige Brite mit dem bösen Xenon-Blick, den breiten Hüften und der hohen Kohlefaserstirn. Wenn vorne der Kompressor aufspielt und der 5,0-Liter-Vierventiler bei 6500 Touren 550 PS auf die Kurbelwelle hämmert, dann würden die Hinterräder am liebsten zwei weiße Flaggen schwenken - trotz bestem Pirelli-Lakritz, fixer Differenzialsperre und elektronisch getriggertem Bremseneingriff.

Woran es liegt? An der geballten Kraft von 680 Nm Drehmoment, das zwischen 2500 und 5500/min den Niederquerschnittspneus am liebsten die Lauffläche von der Karkasse schälen würde. Doch diese Aufgabe übernehmen wir lieber selbst, am besten auf der Rennstrecke. Dort darf der Type R Rauchsignale senden, nach Herzenslust schwarzmalen und Pirouetten drehen, bis uns die Stimme aus dem Navi zur Raison ruft: "Wenn möglich, bitte wenden!"

Polarisierendes Entweder-oder-Auto

Der sportlichste F-Type kostet 103 700 Euro. Damit ist er 35 000 Euro günstiger als der größere und schwerere XKR-S, liegt preislich auf Augenhöhe mit dem nicht so spurtstarken 911 Carrera S, unterbietet Audi R8 und Aston Martin V8, kostet aber 33 700 Euro mehr als die noch spritzigere Corvette. Natürlich geht es auch günstiger - den Jaguar gibt's alternativ als V6. Aber dieser knackige Zweisitzer mit der großen Heckklappe ist ein polarisierendes Entweder-oder-Auto. Entweder es darf der pragmatische und dennoch explosive Sechszylinder sein, oder die Wahl fällt auf den Donnervogel mit High-Performance-V8 und Zeitraffer-Keramikbremse.

Beide Fälle setzen Kompromissbereitschaft voraus. Das gilt in verstärktem Maß für das R Coupé, das uns mit immer neuen Akustik-Kompositionen in den Ohren liegt, das ohne Assistenzsysteme (Ausnahme: Totwinkelwarner) auf die Welt kam, das bei Regen zu wenig Grip aufbaut und das nie gelernt hat, geschmeidig zu federn oder dämpfen. Der Wagen ist mit voller Absicht so spitz ausgelegt, dass er auf trockener Piste brilliert und fasziniert bis zu dem Punkt, an dem eine Entwöhnungskur teurer käme als der Spontankauf. Auf welliger Straße ist er dagegen eine latente Kampfansage, stets darum bemüht, per Quersperre und Bremseneingriff der eingeschlagenen Richtung zu folgen.

Es darf auch etwas weniger sein

Der kurze Radstand (2622 mm), das Gewicht (1665 Kilo) und die nicht ganz unkritische Achslastverteilung verhindern schon im Ansatz jene Leichtfüßigkeit, die etwa den um 200 Kilo schlankeren Porsche 911 auszeichnet. Jaguar hat zwar nachgebessert - mit extrabreiten 20-Zöllern, einer besonders sportlichen Feder-Dämpfer-Abstimmung und der schnellsten Jaguar-Lenkung aller Zeiten. Trotzdem ist auch dieser F-Type kein behänder Dynamiker, der leichtfüßig von Scheitelpunkt zu Scheitelpunkt tanzt.

Stattdessen haben wir einen Kraft-Wagen erlebt, der viel Power und Muskelschmalz einsetzen muss, und der einen entsprechend hohen fahrerischen Einsatz verlangt, um auch abseits der langen Geraden schnell zu sein. Das hat zwar seinen Charme, wäre uns aber nicht unbedingt 25 000 Euro mehr wert als die 380-PS-Variante mit Hochleistungsbremse, mechanischem Sperrdifferenzial und 19-Zoll-Bereifung.

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Quelle:
SZ vom 22.03.2014
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