Fahrbericht:Im M2 leben alte BMW-Tugenden auf

Der neue BMW M2.

370 PS stark und mindestens 56 700 Euro teuer: das neue BMW M2 Coupé.

(Foto: Uwe Fischer)

Mal gleichmütig, mal pubertär und mal wütend: Der neue BMW M2 ist ein Auto mit vielen Charakteren - dem man aber auch Schwächen verzeihen muss.

Test von Georg Kacher

Die Trophäe für den besten M3 - Proteste werden demütig entgegengenommen - geht an den E46. Auch die ersten beiden M3-Generationen hatten Charme und Meriten, aber was danach kam, war Overkill in Form des eine Nummer zu großen V8 und des Gelobt-sei-was-hart-macht-M4. Den von 2000 bis 2006 gebauten E46 haben wir dagegen als bärenstark und geschmeidig, bullig und unterhaltsam in bester Erinnerung.

Der Geist dieses 343 PS starken M3 feiert nun im BMW M2 ein würdiges Comeback. Als weitere Inspirationsquellen grüßen der brachiale 2002 Turbo und das latent nervöse Einser M Coupé. Wie der E46 ist auch der M2 offiziell nicht limitiert. Doch wenn BMW mehr Autos bauen will als die kalkulierten 16 000 Stück, müsste man die Kapazität erweitern und neue Werkzeuge anschaffen. Anders ausgedrückt: wer auf Nummer sicher gehen will, sollte zeitnah zugreifen. Der M2 ist zwar 11 800 Euro teurer als ein M235i, aber er kostet auch 15 800 Euro weniger als der kaum flinkere M4.

Die Marketing-Abteilung bestimmt, was Freude am Fahren ist

Damit sich das Projekt für BMW rechnet, gibt es nur vier Farben und eine - allerdings fast komplette - Einheitsausstattung mit Sportsitzen, Lederbezügen, großem Navi, 19-Zöllern und Xenonlicht. Das wichtigste Extra ist das Siebengang-Doppelkupplungsgetriebe. Von wegen Automatik: Zuerst darf der Fahrer zwischen sechs Getriebeprogrammen wählen, und dann muss er sich auch noch in Sachen Gesamtabstimmung zwischen Comfort, Sport und Sport + entscheiden.

Der DCT-Variante vorbehalten sind die Launch Control, das kurze selbsttätige Auskuppeln bei drohendem Übersteuern, der Kriechmodus zum Ein- und Ausparken und die arg pubertäre Smokey-Burnout-Funktion. Doch lieber den Sechsgang-Handschalter nehmen? Eigentlich schon, obwohl er sich für den Spurt von 0 auf 110km/h 4,5 statt 4,3 Sekunden Zeit nimmt, und obwohl die Elektronik in Stellung Sport beim Zurückschalten ungefragt Zwischengas gibt. Das kommt davon, wenn das Marketing bestimmt, was Freude am Fahren ist.

Die Unterwäsche des M2 stammt zu großen Teilen aus dem Kleiderschrank des M4. Fahrwerk, Lenkung, Bremse, Differential, Räder - alles gute alte Bekannte. Es ist ihr Verdienst, dass der Neuzugang besonders breite Backen aufbläst, sich tief auf den Asphalt duckt, viel Grip aufbaut und seine Leistung sauber auf den Boden bringt. Der 3,0-Liter-Motor mobilisiert 370 PS, das maximale Drehmoment von 465 Nm steht von 1400 bis 5560/min auf Abruf bereit. Bei Overboost liegen kurzfristig sogar 500 Nm an. Die auf 250 km/h abgeriegelte Höchstgeschwindigkeit wird gegen Aufpreis bis 270 km/h freigeschaltet.

Stabiler als der Vorgänger, agiler als der M4

Der Märchenonkel der Bayrischen Motorenwerke nennt einen Mixverbrauch von 8,5 Liter, doch die Praxis ist durchgängig zweistellig. Kein Wunder, dass man bei verschärfter Gangart mit einer 52-Liter-Tankfüllung kaum 300 km weit kommt. Zurückhaltung fällt trotzdem schwer, denn der Vierventiler legt selbst im oberen Tempobereich kräftig zu.

Bei hoher Geschwindigkeit wirkt der M2 deutlich richtungsstabiler als das fahrige Einser M Coupé. Gleichzeitig bringt der im Vergleich zum M4 kürzere Radstand spürbar mehr Leben in die Bewegung um die Hochachse. Diese Agilität bestimmt auch das spontane und trotzdem berechenbare Eigenlenkverhalten. Schlupf gehört zur Gestik des M2 wie die Pappnase zum Fasching, doch so richtig ausleben kann sich der Breitspur-Zweier eigentlich erst mit ausgeschalteter Stabilitätskontrolle. Anders als der härter abgestimmte und noch zackigere M4 gefällt der kleine Bruder durch sämigere und verbindlichere Bewegungsabläufe. Das Einlenken zeigt etwas weniger Schärfe, die Reaktionen im Grenzbereich sind progressiver, die nicht verstellbare Feder-Dämpfer-Abstimmung hat sich einen gewissen Restkomfort bewahrt, die dynamische Balance stimmt bis auf die Stelle hinter dem Komma.

Mal gleichmütig, mal wütend

Schwächen? Die Beinfreiheit im Fond ist ein Scherz, die verschlimmbesserten M-Instrumente sind schlechter ablesbar, die Materialqualität im Innenraum passt nicht zum Anspruch der Marke. Dass Keramikbremsen, Allradantrieb, Karbondach und weitere Assistenzsysteme in der Ausstattungsliste fehlen, stört uns weniger als die Abwesenheit von Head-up-Display und adaptiven LED-Scheinwerfern.

Im M2 lernen selbst alte Hasen das Autofahren neu. Nicht zu früh einlenken, den Drehmomentfluss mit Bedacht regulieren, in den kleinen Gängen nicht bis an den Begrenzer drehen, immer schön den Schwung mitnehmen. Spät bremsen ist okay, aber dafür sollte man die Lenkung beizeiten aufmachen und dem Coupé stets genug Spielraum geben für den illustren Viersatz aus Haftung, Querbeschleunigung, Richtung und Drehmoment. Die Geräuschkulisse reicht dabei von gleichmütig bis wütend, von mit sich selbst im Reinen sein bis Adrenalin ausschütten.

Was spricht dagegen, einen M2 zu bestellen? Nicht viel. Außer vielleicht der noch geheime M2 CS, der in rund drei Jahren die 370-PS-Variante beerben könnte als eine Art Überflieger, nicht unähnlich dem M3 CSL des E46. Mit mehr als 400 PS spielt der CS natürlich leistungsmäßig und preislich in einer anderen Liga. Sie werden ihn wohl limitieren müssen und damit ein weiteres Spekulationsobjekt schaffen, das in den Hallen reicher Sammler verdämmert. Also doch den M2 - oder sich auf die Suche machen nach einem Exemplar des besten M3, den es je gab.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: