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Fahrbericht:Die Kunst, weniger Auto für mehr Geld zu verkaufen

Dynamische Zweitürer sind angesagt. Das neue Mercedes C-Klasse Coupé demonstriert bei der ersten Ausfahrt, warum das so ist. Wirklich zu begeistern vermag aber nur der AMG C63 S.

Von Georg Kacher

Coupé, das ist Lifestyle pur. Fahrspaß hoch zwei, Prestige im Quadrat. Klar, dass erwachsene Fondpassagiere nicht in Jubel ausbrechen. Verkaufen müssen sich die schnittigen Viersitzer daher vor allem über das Design. Der BMW Vierer ist aus diesem Grund formal stärker vom Dreier abgerückt. Der A5 war immer schon eigenständiger als der A4. Jetzt hat auch Mercedes dem C-Coupé ein komplett neues Blechkleid spendiert. Nicht verwegen-frivol, aber markant genug, um Blicke einzufangen und Begehrlichkeiten zu wecken. Damit hat sich der Stern-Schnuckel endgültig von seinen Vorgängern emanzipiert. Vom halbherzigen Sportcoupé und den beiden Evolutionsstufen des CLC.

Auch die neue Palette ist wieder breit gespreizt. Dem kleinsten Benziner hat Mercedes einen 1,6 Liter-Motor mit 156 PS zwischen die Vorderräder geschraubt, am anderen Ende der Skala stellt der V8 des AMG C63 S mit 510 PS und 700 Nm den Antriebstrang auf eine harte Probe. Die Preise? Der neue C180 ist mit 35 581 Euro gerade mal 1339 Euro teurer als sein Vorgänger. Der ab 86 096 Euro erhältliche C63 S kostet nur 535 Euro mehr als die alte Edition 507. Der Abstand zum Viertürer liegt einheitlich bei rund 2000 Euro.

Die Konkurrenz bietet mehr Auswahl

Eine ähnliche Strategie fährt auch die Konkurrenz, die allerdings mehr Auswahl bietet. Den A5 gibt es auch als Cabrio und Sportback, den Vierer als GranCoupé, GTS und in einer Version mit versenkbarem Hardtop. Der bei Audi und BMW lieferbare Allradantrieb ist im C-Klasse Coupé nicht verfügbar. Nächstes Jahr startet das C-Cabrio, mit nochmals leicht verändertem Design, motorisierter Stoffkapuze, zwei separaten Windschotts und Nackenwärmer.

Der Reihensechszylinder, der Ende 2016 in der neuen E-Klasse seinen Ersteinsatz feiert, ist für das kleinere Schwestermodell tabu. Hier dominiert der Vierzylinder als Benziner mit 156 bis 245 PS und als Diesel mit 170 und 204 PS. Nicht weniger als vier verschiedene Getriebe stehen zur Wahl: der Sechsgang-Handschalter, die bewährte Siebengang-Automatik, die Variante mit neun Gängen (nur im C250d Coupé) und das Speedshift-Sportgetriebe in den zwei AMG-Modellen. Zum Vergleich: Audi setzt bei den Selbstschaltern durchweg auf den Doppelkuppler, BMW favorisiert die Achtgang-Wandlerautomatik und bietet nur mehr für den M4 das DKG an.

Understatement sieht anders aus

Diverse Elemente des AMG-Pakets sind auch für zivilere Motorisierungen verfügbar, doch als Solitär spielt der C63 großes Autokino mit längerer Schnauze, breiteren Backen, Frontsplitter und Heckdiffusor, selbstbewussten Anbauteilen rundum sowie größeren 19-Zoll-Rädern. Understatement sieht anders aus, aber die Kunden lieben den Macho-Look, der sich durch Mattlack, zwei Karbon-Pakete, Sportauspuff und schwarz lackierte 20-Zoll-Felgen noch steigern lässt.

Audi hat die A5-Palette nach oben mit S5 und RS5 ebenso eng gestaffelt wie BMW mit M4 und 440i. In der C-Klasse-Coupé-Familie glänzt der aus Limousine und T-Modell bekannte 367 PS starke C450 AMG leider durch Abwesenheit. Ein typisches Mercedes-Manko ist das Fehlen eines kräftigen Dieselmotors mit rund 275 PS, der gegen die 3,0-Liter-Sechszylinder aus München und Ingolstadt anstinken könnte.

Die schwächeren C-Varianten sind brave Gleiter - kommod, leise, stoisch richtungsstabil und schon lange vor Erreichen der Gefahrenzone elektronisch ruhig gestellt. Die kleinen Benziner könnten drehfreudiger und durchzugskräftiger sein, die knurrigen, aber bulligen Diesel sind kein Vorbild an Laufkultur. Trotz des jugendlichen Coupé-Designs und der rundum nachgebesserten Technik zeichnen sich die Vierzylinder eher durch große Gelassenheit aus denn durch überschäumende Agilität.

Das C63 AMG Coupé ist ein Mercedes der ganz besonderen Art. Das sieht man auf den ersten Blick, und das merkt man nicht nur am dumpfen Leerlaufgrollen des 4,0-Liter-Biturbo-Aggregats. Auch unter dem Blech haben die AMG-Ingenieure Hand angelegt, dem Wolf im Wolfspelz zum Beispiel eine neue Hinterachse samt geänderten Radträgern, breiterer Spur, aggressiverer Elastokinematik und mehr negativem Sturz spendiert. Weil gleichzeitig der Aufbau deutlich verstärkt wurde, gehen Fahrwerk und Karosserie eine besonders steife Verbindung ein. Davon profitieren die Lenkpräzision, das Handling und die Rückmeldung an den Fahrer. Über die Ride Control Taste kann der Charakter des Fahrzeugs in fünf Stufen von Comfort bis Race vorgewählt werden. Gleichzeitig ist es möglich, bestimmte Eigenschaften miteinander zu kombinieren - zum Beispiel die weichste Dämpfereinstellung mit dem schärfsten Motor-Getriebe-Programm.

Die akustische Nachhilfe hätte nicht sein müssen

Die Emotion hat im AMG-Coupé viele Facetten. Da wäre zunächst der markante O-Ton von Motor, Chassis und Aufbau. Nichts gegen Auspuff-Brabbeln, Reifen-Quietschen und Windgeräusche. Aber muss der Klangteppich wirklich akustisch nachsynchronisiert werden, durch prolliges Hochschaltblaffen, künstlich erzeugte Zwischengas-Salven beim Zurückschalten und in c-Moll fixiertes Anfahrschlupf-Kreischen? Da kommt fast der Wunsch nach einer Tarnkappen-Variante in Taxigelb mit schmalen Rädern und ohne Klappenauspuff auf.

Wunschlos glücklich macht uns dagegen das Fahrerlebnis. Klar, mit bis zu 700 Nm an den Antriebsrädern begrüßen selbst Profis das serienmäßige Sperrdifferential und den Sport Handling Modus des ESP, der zirkusreife Drifts zulässt - allerdings mit Netz und doppeltem Boden. Die Lenkung erinnert in ihrer Verbindlichkeit eher an eine sportliche Limousine als an einen puristischen Sportwagen. Die reaktionsschnelle Bremse unterhält eine Standleitung zum Schutzengel, und der Drehmomentfluss ist in seiner cremigen Modulierbarkeit kaum zu überbieten.

Wanderer zwischen den Welten

Trotz der kopflastigen Gewichtsverteilung qualmt uns der zweitürige Überflieger in nur 3,9 Sekunden von 0 auf 100 km/h - da bleibt M4 (4,3 Sekunden) und RS5 (4,5 Sekunden) nichts anderes übrig, als freiwillig die Überholspur zu räumen. Die Höchstgeschwindigkeit kann in allen drei Fällen gegen Aufpreis von 250 auf 280 km/h erhöht werden, der Verbrauch hängt ganz vom Fahrstil ab. Unter zehn Liter sind nur segelnd im Comfort-Modus möglich, zwischen 11 und 15 Liter sind die Norm, über 20 Liter sind der Preis für schnelle Runden auf der Rennstrecke.

Doch das C63 Coupé ist kein Racer, sondern ein Wanderer zwischen den Welten. Wer vom 911 in den Benz umsteigt, der wird überrascht sein von der Geschmeidigkeit der Bewegungsabläufe, die stets im Fluss sind. Dieses Auto beherrscht die Eroberung der Lieblings-Landstraße genauso gut wie das Abarbeiten der Telefonliste auf dem Weg vom Büro zum Flughafen.

Wie geht es weiter mit den noblen Zweitürern aus deutscher Fertigung? Auch vom C63 wird es ganz sicher eine gepimpte Version geben, die Black Series heißen könnte oder Edition 530. Audi bringt nächstes Frühjahr den komplett neuen A5 als Coupé und Cabrio. Der Sportback folgt im Herbst, die RS-Modelle wechseln vom V8-Sauger zum aufgeladenen 2,9 Liter V6 mit unverändert 450 PS. BMW wird den M4 auch in der nächsten Generation als Coupé und als Cabrio anbieten, Letzteres aber mit Stoffdach statt versenkbarem Hardtop. Als Nachfolger der M3 Limousine wird ein M4 GranCoupé diskutiert. Bei allen drei Marken ist die Teil-Elektrifizierung beschlossene Sache. Auch die Vollgas-Label wollen auf Plug-in-Hybrid oder Mild Hybrid mit E-Lader und Boost-Effekt nicht verzichten.

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Quelle:
SZ vom 14.11.2015/harl
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