Fahrbericht BMW 528i:"Irgendwie fehlt der Kick"

Der aktuelle BMW 528i neben einem E39 aus dem Jahr 1998.

Ende der 90er hätte man eher geglaubt, dass Autos kleiner werden - das Gegenteil ist der Fall. Der 5er BMW von 2014 ist sichtbar größer als sein Vorgänger, Baujahr 1998.

(Foto: Felix Reek)

Seit mehr als 30 Jahren fährt der Vater unseres Autors immer wieder einen BMW 528i. Wer also könnte das aktuelle Modell besser beurteilen als er? Ein Vater-Sohn-Autotest.

Von Felix und Harald Reek

"Das ist ja ein ganz schöner Brocken", ist das erste, was mein Vater sagt. Es ist spät am Abend, bereits dunkel, und er steht vor dem aktuellen 5er BMW. "Gegen den sieht meiner ja richtig schlank aus." Er öffnet die Tür, beschwert sich über die gewöhnungsbedürftige helle Lederausstattung und lässt sich in den Sitz fallen. "Ach ja, hier sitzt mer schee", hessisch für: Hier lässt es sich aushalten.

Als Journalist hat man ein grundsätzliches Problem: Die getesteten Autos sind fabrikneu, vollgestopft mit Sonderzubehör, im bestmöglichen Zustand, penibel gewartet. Nach spätestens zwei Wochen wandern sie zurück in den Fuhrpark des Herstellers. Wirklich interessant wird es erst nach einigen Jahren im Alltag. Wenn der Verschleiß einsetzt und die teure Sonderausstattung den Dienst quittiert. Jenseits der 100.000-Kilometer-Marke. Die Idee deswegen: Warum nicht jemanden testen lassen, der dieses Modell seit Jahrzehnten fährt? Der aus erster Hand weiß, wo die Stärken und Schwächen liegen?

Mein Vater fährt seit 32 Jahren das gleiche Auto: einen BMW 528i. Immer genau dieses Modell, immer gebraucht, immer mit Schaltgetriebe, immer die Limousine. Auf vier oder fünf Exemplare ist er mittlerweile gekommen, so genau weiß er das nicht mehr, startend mit der ersten, 1972 eingeführten Reihe, dem E12. Als BMW zwischen 1987 und 1992 keinen 528i anbot, wechselte er auf den 525i. Neuer Name, gleiche Motorisierung. Sein aktuelles Auto: ein E39, Baujahr 1998. Meine Kindheit ist also geprägt vom sonoren Brummen eines Sechszylinders. In meiner Erinnerung gibt es kein anderes Auto. So wie Helmut Kohl immer Kanzler war, fuhr mein Vater schon immer einen 528i.

Sonderausstattung für 29.000 Euro

Testfahrt im BMW 528i

Der Vater unseres Autors bei der Testfahrt. Auf die Frage, warum er immer einen BMW fuhr, antwortet er: "Einmal dran gehangen, immer dran gehangen."

(Foto: Felix Reek)

"Wie mach ich das jetzt?", fragt er am nächsten Morgen. Die erste Fahrt steht an und in den vergangenen 16 Jahren hat sich bei BMW viel verändert. In dem Testwagen stecken mehr als 29.000 Euro an Sonderausstattung. Dafür könnte man sich auch einen gut ausgestatteten fabrikneuen Golf kaufen. Lenkradheizung, Einparkhilfe, aber auch Spurverlassenswarner, Rückfahrkamera und Stauassistent blinken ihm entgegen. Die Bayern wollten bei diesem Fahrzeug offenbar zeigen, was heute möglich ist. Das katapultiert den Listenpreis von knapp 46.000 Euro auf mehr als 75.000 Euro. Mein Vater scheitert bereits am Schlüsselumdrehen. Den gewohnten Schacht gibt es nicht mehr, der BMW hat einen Startknopf neben dem Lenkrad. Und erkennt per Innenraumantennen den Schlüssel in der Hosentasche.

"So ein Sechszylinder ist heute aber auch ziemlich leise", brummt er, als der Motor schließlich startet. "Klingt fast wie ein Diesel." Dass der aktuelle 528i ein Vierzylinder ist, weiß er zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Die komplette digitale Herrlichkeit des neuen Cockpits des 5ers lenkt ihn ab. Überall blinkt etwas. "Das ist das Erste, was ich abschalten würde", kommentiert er die in die Scheibe projizierten Informationen des Tachos. Und fügt hinzu: "Wenn das mal kaputtgeht." Heißt: Dann wird es teuer.

Fünf Fahrmodi, aber nur drei Mal anders

Auf der Landstraße zeige ich ihm den sogenannten "Fahrerlebnisschalter". In fünf Modi lässt sich der BMW anpassen. "Eco Pro" spart Sprit, indem es die Systeme nur nutzt, wenn sie benötigt werden, und den Motor im niedrigen Drehzahlbereich hält. Das ist effizient - von der viel beschworenen Freude am Fahren ist aber kaum etwas zu spüren. "Comfort+" ist für Autobahnfahrten ausgelegt, unterscheidet sich aber kaum von der Standardeinstellung "Comfort". Interessanter wird es bei "Sport": Der Motor bleibt konstant über 2000 Umdrehungen, spricht spontaner auf das Gaspedal an - und wird hörbar knurriger. "Oh ja, jetzt geht's ab", ruft mein Vater, als er auf das Gaspedal tritt. Doch nach wenigen Minuten hat er genug von dem Spaß. Dass es in "Sport+" noch mehr "abgeht" und laut Hersteller Drifts möglich sind, interessiert ihn nicht. "Ich fahre BMW, ich fahre Comfort", sagt er. Und fügt hinzu: "Wenn das mal kaputtgeht."

Auf einem Rastplatz die erste Zwischenbilanz: "So ein Heckantrieb fährt schon souverän. Und liegt satt auf der Straße. Aber der ist viel härter als früher." Auch die Achtgangautomatik überzeugt: "Einfach Gas geben und fertig." Der größte Schock steht ihm aber noch bevor. Als er die Motorhaube öffnet, fragt er verwirrt: "Das ist aber kein Sechszylinder, oder?"

"Audi und Opel - das fuhren Opas mit Hut"

Für meinen Vater war der Sechszylinder immer eine Glaubensfrage: In seiner Jugend hörten die Mädchen die Beatles, die Jungs die Stones. Und einen BMW kaufte man mit sechs Zylindern. Der Erste war eine Notlösung: Mit Ende 20 wollte er sich eigentlich einen gebrauchten Porsche zulegen. Doch Nachwuchs kündigte sich an. Also musste etwas Größeres her, das trotzdem sportlich ist. Das Image spielte eine entscheidende Rolle: "Audi und Opel - das fuhren Opas mit Hut." Der 528i hatte genug Leistung, ohne unvernünftig zu sein. Dass in der aktuellen Modelllinie der Sechszylinder erst beim 530i startet, ist für meinen Vater nur schwer zu verdauen: "Was ein Motörchen", sagt er mit Blick unter die Haube. "Ein 528i und ein Vierzylinder. Gibt's ja nicht." Dass der Neue mit 245 PS rund 50 PS mehr hat als sein Urahn, versöhnt ihn ein wenig.

Wieder auf der Straße, zeige ich ihm, was der aktuelle BMW alles kann. Radar und Kameras überwachen den 5er permanent. Beim Verlassen der Spur warnt das Display und das Lenkrad vibriert, ebenso beim plötzlichen Bremsen des Vordermanns. Einen Ausblick auf das autonome Fahren bietet die aktive Geschwindigkeitsregelung. Der Tempomat passt sich dem Verkehr an - bremst der Vordermann, wird auch der BMW langsamer. Beschleunigt das Auto vorn, beschleunigt der 5er. Sensoren messen stetig den Abstand und geben die Informationen weiter. Das ist besonders im Stau angenehm.

Ein BMW 528i

Der aktuelle 5er ist vollgestopft mit Technik - wenn man bereit ist, den Aufpreis zu zahlen.

(Foto: Felix Reek)

Der Fahrassistent passt sich automatisch dem Verkehr an

Die Schwächen des Systems zeigen sich erst, wenn man sich zu sehr von der Illusion des autonomen Fahrens einlullen lässt - und der Vordermann zum Beispiel in einer Kurve verschwindet. Dann fehlt dem Sensor der Bezugspunkt und der BMW beschleunigt automatisch auf die aktuell eingestellte Geschwindigkeit. Meinen Vater interessiert das wenig. Er ist seit 40 Jahren Taxifahrer und gewohnt, alles selbst in die Hand zu nehmen. Sein einziger Kommentar: "Wenn das mal kaputtgeht"

Zumindest mit dem Display in der Scheibe kann er sich nach einigen Stunden anfreunden. Das zeigt ihm nämlich die Informationen des Navigationsgeräts und Geschwindigkeitshinweise an. Als er am Abend ein letztes Mal in dem BMW Platz nimmt, schaut er sich noch einmal alles genau an, streicht über die Armaturen und sagt: "Er liegt schon satt auf der Straße. Aber irgendwie fehlt der Kick." Er schaut zu seinem alten E39: "Meiner ist irgendwie zeitlos. Und wenn ich den heute neu aus dem Werk holen würde, fährt er mindestens genauso gut."

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