Wer vor zwanzig Jahren Führerschein machte, lernte noch die Stotterbremse. Bei einer Notbremsung sollte der Fahrer das Bremspedal kurz anlupfen, um die blockierten Räder wieder freizugeben. Anschließend konnte der Pedaldruck wieder verstärkt und beim abermaligen Blockieren wieder nachgelassen werden.
Assistenzsysteme im Auto:Die Technik übernimmt
Früher Stotterbremse, heute ABS und aktiver Lenkeingriff: Immer mehr Hersteller bauen in ihre Fahrzeuge Assistenzsysteme ein - auch in Fahrzeuge der Mittel- und Kompaktklasse. In Zukunft werden die Autos sogar selbständig bremsen und ausweichen.
Mit dieser Methode sollte der Bremsweg verkürzt und die Steuerbarkeit des Fahrzeugs bewahrt bleiben. In der Praxis waren nur geübte Fahrer dazu in der Lage. In der Schrecksekunde treten die meisten instinktiv mit aller Kraft auf die Bremse, mit der Folge, dass die Reifen regelmäßig blockieren.
Was der Mensch nicht kann, muss halt die Technik übernehmen. Kluge Leute haben dafür das Antiblockiersystem (ABS) ersonnen. Dafür wird an jedem Rad ein Drehzahlsensor angebracht. Nimmt bei einem Bremsvorgang die Drehzahl unverhältnismäßig ab, werden automatisch Ventile geöffnet, die den Bremsdruck vermindern. Eine elektrische Pumpe fördert anschließend das Hydrauliköl wieder in das System zurück - wodurch sich der Bremsdruck und die Bremswirkung wieder erhöhen.
Das passiert in schneller Folge ungefähr zehn Mal in jeder Sekunde - zuverlässiger als jeder Mensch es könnte. Weil so Seitenführungskräfte des Rades erhalten werden und das Fahrzeug lenkbar bleibt, rutscht es nicht mehr unkontrolliert geradeaus.
Damit löst ABS ein Problem, das von Anbeginn an die Automobilbauer beschäftigte. Schon Henry Ford montierte nur an den hinteren Rädern seines berühmten T-Modells die Bremsen, weil er fand, das Bremsen und Lenken nicht gleichzeitig an einem Rad funktionieren kann. Heutzutage ist das Problem dank ABS gelöst. Die Mercedes S-Klasse war 1979 das erste Serienfahrzeug, in dem ABS verfügbar war. Der Ford Scorpio bekam die automatische Stotterbremse Mitte der 80er serienmäßig.
Doch ABS machte nur den Anfang. Fast unmerklich setzte der Siegeszug elektronischer Assistenzsysteme im Auto ein. Fast genauso verbreitet wie das ABS ist heute das elektronische Stabilitäts-Programm (ESP). Es dient dazu Fahrfehler bei Kurvenfahrt zu korrigieren. Über verschieden Sensoren werden die Bewegungsvektoren des Fahrzeugs gemessen und mit der Radgeschwindigkeit und Lenkradwinkel ins Verhältnis gesetzt.
Passen die Parameter nicht zusammen, nimmt das System an, dass das Fahrzeug ins Schleudern kommt und bremst ein oder mehrere Räder ab, bis der Wagen wieder stabil fährt. Ein deutlicher Sicherheitsgewinn insbesondere bei Nässe, Glätte oder Rollsplitt. Ein modernes Auto kann so fast nicht mehr übersteuern.
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Fast alle Neuwagen haben heutzutage ESP serienmäßig an Bord. Nur bei den ganz Kleinen verzichten die Hersteller darauf. Für einen Ford Ka zum Beispiel kostet es als Sonderausstattung 360 Euro extra.
In der Oberklasse hingegen gehen die Hersteller ganz anders zur Sache. Lexus, ein Pionier beim Einsatz von Fahrassistenzsystemen, baut das so genannte "Advanced Pre-Crash Safety-System" in seine Limousinen ein. Dafür analysiert die Technik mittels seiner Radarsensoren an Front und Heck die Verkehrssituation und errechnet aus den gewonnenen Daten die Kollisionswahrscheinlichkeit.
Die Gesichtsfeldüberwachung stellt fest, ob der Fahrer abgelenkt ist, und macht ihn gegebenenfalls auf eine Gefahr aufmerksam. Bei Bedarf leitet es mittels des Notbremsassistenten und des Spurhalteassistenten die geeigneten Gegenmaßnahmen ein. Ist ein Aufprall unvermeidbar, werden die Gurte vorgespannt und die Pre-Crash-Kopfstützen aktiviert.
Mercedes-Benz bietet für seine Modelle einen zusätzlichen einen Bremsassistenten (BAS) und eine Anti-Schlupf-Regelung (ASR) an. Der Bremsassistent arbeitet ohne Kamera und erkennt eine Notbremssituation allein, in dem er die Bewegungen von Brems- und Gaspedal überwacht und analysiert. Im Bedarfsfall wird der Bremsdruck optimiert und so kann kürzest mögliche Bremsweg erreicht werden.
Noch mehr erhält der Mercedes-Kunde, wenn er noch ein paar Euro drauflegt und sich aus dem Katalog der Sonderausstattungen bedient. Für das Fahrassistent-Paket "Plus" wird dann der Bremsassistent mit dem Abstandsregeltempomat kombiniert. Dafür werden Radarsignale verwendet, um den Abstand zum vorausfahrenden Verkehr zu messen. Ist dieser Abstand zu klein, wird eine Notbremsung eingeleitet.
Bei BMW heißt das vergleichbare System "iBrake" und bei VW und Audi fährt man mit einer "adaptive cruise control" (ACC). Volvo hingegen offeriert seine City-Safety-Technologie serienmäßig ohne Aufpreis in seiner Oberklasse. Dieses Kollisions-Warnsystem kann auf der Straße laufende Fußgänger erkennen und Auffahrunfälle bis zu einem Tempo von 25 km/h vollständig verhindern - selbst dann, wenn der Fahrer nicht rechtzeitig reagiert. Bei höheren Geschwindigkeiten können die Schäden noch um bis zu 75 Prozent verringern werden.
Weitere sinnvolle Extras in neuen Autos sind der Spurhalte- und der Totwinkelassistent. Der Spurhalteassistent soll die Folgen des verhängnisvollen Sekundenschlafs verhindern. Dafür überwacht eine Kamera die Straße und errechnet den optimalen Lenkwinkel, um der Spur zu folgen. Kurz bevor eine Fahrbahnmarkierung überfahren wird, macht das System den Fahrer akustisch darauf aufmerksam.
Voraussetzung für das Funktionieren sind vorhandene Fahrbahnmarkierungen. Auch darf weder geblinkt noch eingelenkt werden und der Fahrer muss beide Hände am Steuer halten. Bei Citroën misst man die Fahrspur mit Infrarotsensoren aus und weckt den Fahrer via Vibrationsalarm im Sitz.
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Ganz ähnlich arbeitet ein Totwinkelassistent. Er überwacht mittels Radar oder Kameras die Nachbarspur und wird aktiviert sich, sobald der Blinker betätigt wird. Ist ein Hindernis im Messbereich, wird der Fahrer darauf aufmerksam gemacht.
Die zusätzliche Sicherheit muss bei den meisten Hersteller teuer bezahlt werden - noch. Bei Lexus legt man für das Pre-Crash-Sicherheitssystem 2600 Euro extra hin. Bei Mercedes-Benz zahlt man für das Fahrassistenz-Paket Plus mit Distronic Plus, BAS Plus, Pre-Safe Bremse, aktiver Spurhalte- und Totwinkel-Assistent in einer E- oder S-Klasse 2500 Euro Aufpreis.
Bei BMW kostet für den 7er die aktive Geschwindigkeitsregelung, inklusive Auffahrwarnung mit Anbremsfunktion und radargestützte Geschwindigkeits- und Abstandsregelung ebenfalls teure 2200 Euro.
Aber: Immer öfter werden diese Systeme auch in der Mittelklasse verfügbar. Das Sicherheitspaket für den Honda Accord mit adaptiver Geschwindigkeitsregelung ACC (Adaptive Cruise Control), aktivem Spurhalteassistent LKAS (Lane Keeping Assist System), päventivemFahrerassistenzsystem CMBS (Collision Mitigation Brake System) kostet 2400 Euro extra.
Etwas einfacherer Systeme wie das Sicherheitspaket für den VW Passat mit Distanzregelung, Müdigkeitswarner, Umfeldbeobachtung und Notbremsfunktion kosten vergleichsweise günstige 1300 Euro. Noch einfachere Bremsassistenten sind bei manchen Herstellern schon ohne Aufpreis in der Serienausstattung, wie zum Beispiel im Nissan Pathfinder, erhältlich.
In den vergangen Jahren haben sich die Hersteller verstärkt einem anderen Handicap zugewandt: der Seeschwäche bei zunehmender Dunkelheit. Mercedes bietet dafür ein "Intelligent Light System" mit aktivem Kurvenlicht und Fernlicht-Assistent an. Das Abblendlicht wird vom System so eingerichtet, dass der Lichtkegel die Straße optimal ausleuchtet, ohne andere übermäßig zu blenden.
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Sobald die Infrarot-Kamera am Innenspiegel einen weiteren Verkehrsteilnehmer erkennt, wird auf Fernlicht umgeschaltet. Wird entgegenkommender Verkehr erkannt wird wieder abgeblendet. Ähnliche Systeme bieten auch VW, BMW und Audi an.
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Preiswerte und mobile Navis setzten den Autoherstellern ziemlich zu. Mehrwert muss also her: BMW will die eigenen Routenfinder künftig mit der Motorelektronik koppeln und so Sprit sparen.
BMW baut für 2200 Euro den Fahrassistenten "Night Vision" in seinen 7er. Das ist ein Nachtsichtgerät mit integrierter Wärmbildkamera zur automatischen Personenerkennung. Auf Wunsch können alle fahrrelevanten Informationen auf einem Head-up-Display angezeigt werden, das mit nochmal 1400 Euro zu Buche schlägt.
Bei Mercedes-Benz zahlt man für den Nachtsicht-Assistent Plus mit Wärmebildkamera und Personenerkennung 2000 Euro. Über viel mehr verfügt auch der Pilot eines Kampfhubschraubers nicht.
Die Mehrzahl der Fahrassistenzsysteme sind der Fahrsicherheit gewidmet und helfen dem immer öfter überforderten Fahrer die Kontrolle zu halten oder gleichen Fahrfehler und Versäumnisse aus. Jetzt, wo diese Technik in der Mittelklasse angekommen ist, ist es nur noch eine Frage der Zeit, wann sie auch in den unteren Fahrzeugklassen Eingang findet.
Für zusätzliche Sicherheit im Klein- und Kompaktwagen muss bisher dahin ein aufmerksamer Beifahrer sorgen. Nach der Unfallstatistik machen Alleinfahrer doppelt so viele Unfälle wie Reisende mit Beifahrer. Vier Augen sehen halt mehr als zwei.
Trotzdem sind die Systeme wie Lichtautomatik, Verkehrszeichenerkennung und Abstandstempomat auch in Fahrzeugen wie Opel Astra, Volvo C 30 oder Ford Focus angekommen. Die ersten Fahrzeuge können mittlerweile sogar selbst einparken. Denn neben der Sicherheit ist vielen Kunden der Komfort mindestens genauso wichtig - egal in welcher Fahrzeugklasse.