Süddeutsche Zeitung

Eurostar-Züge ausgefallen:2000 Menschen aus Eurotunnel befreit

Vier Hochgeschwindigkeitszüge sind unter dem Ärmelkanal stehen geblieben - mit zahlreichen Passagieren an Bord. Die sensible Technik hat bei extremen Temperaturen versagt.

Durch den heftigen Wintereinbruch in Europa ist auch der Zugverkehr im Ärmelkanaltunnel zwischen Großbritannien und Frankreich zum Erliegen gekommen. In der Nacht zum Samstag sind vier Eurostar-Züge mit mehr als 2000 Fahrgästen im Tunnel unter dem Ärmelkanal liegengeblieben. Ein Großteil der Passagiere musste mit einem Shuttle aus zwei gestrandeten Zügen geborgen werden. Für die beiden anderen Eurostars mussten Ersatzlokomotiven her, die die Züge Richtung Südengland schoben. Erst Stunden später kamen die Passagiere in London an.

"Wegen des Wetters, des Schnees und der extremen Kälte haben wir schwere Probleme mit unseren Zügen", sagte der Eurostar-Sprecher. Die Passagierzüge hatten offenbar technische Schwierigkeiten wegen des extremen Temperaturunterschieds zwischen der eiskalten Umgebung und dem warmen Tunnel. Als die Züge aus der kalten Luft im Norden Frankreichs in den deutlich wärmeren Tunnel fuhren, legte der Temperatursprung die Elektrik lahm.

Der Verkehr unter dem Ärmelkanal wurde zunächst komplett eingestellt. Eurostar rechnete für das gesamte Wochenende mit Behinderungen. Der Verkehr werde sich wohl erst wieder am Montag normalisieren. Passagiere kritisierten eine schlechte Versorgung und berichteten von verängstigten Reisenden.

"Das ist noch nie vorgekommen", sagte ein Eurostar-Sprecher. Der Verkehr sollte frühestens am Nachmittag wieder aufgenommen werden. Zahlreiche Menschen an den Eurostar-Terminals in London und Paris warteten vergeblich auf ihre Abreise.

Auch der Betreiber des Eurotunnels zeigte sich erstaunt. "Dass vier Eurostars zur selben Zeit liegenbleiben, hat es noch nicht gegeben", sagte John Keefe der BBC. "Noch nie musste ein Eurostar-Zug in den 15 Jahren seit Tunnelöffnung evakuiert werden. Und in der vergangenen Nacht mussten wir gleich zwei Züge evakuieren und die Leute rausholen."

In den gestrandeten Hochgeschwindigkeitszügen saßen jeweils mehr als 500 Menschen. Alle vier Züge waren auf dem Weg von Paris nach London. Für die Fahrgäste habe keine Gefahr bestanden, sagte Eurostar-Sprecher Grant Smith. In den Zügen gebe es eine batteriebetriebene Notbeleuchtung. "Die Leute sitzen nicht im Dunkeln fest."

Als die ersten gestrandeten Passagiere am Samstagmorgen London erreichten, wurden sie von wartenden Angehörigen mit Applaus empfangen. Unter ihnen war auch Lee Godfrey, der mit seiner Familie unterwegs war. "Wir waren ohne Strom. Uns sind das Wasser und das Essen ausgegangen. Und die Informationen des Personals waren ziemlich schlecht", sagte er der BBC. Kinder hätten auf den Gängen geschlafen.

"Es war ziemlich beängstigend für Kinder und ältere Leute. Wir hatten eine Dame im Rollstuhl; eine Frau, die im siebten Monat schwanger war. Und wir hatten Asthma-Anfälle."

Die Eurostar-Züge verkehren zwischen London und Paris sowie London und Brüssel durch den Ärmelkanaltunnel. Die Verbindung zwischen London und Paris dauert zwei Stunden und 15 Minuten und eine Stunde und 51 Minuten zwischen der britischen Hauptstadt und Brüssel.

Es ist nicht die erste Panne unter dem Ärmelkanal: Bereits im Februar hatten Passagiere stundenlang in blockierten Eurostar-Zügen zwischen London und Paris festgesessen, weil außergewöhnliche Schneefälle die Funktionsfähigkeit der Züge beeinträchtigt hatten. Im Herbst 2008 wurden bei einem Brand 14 Menschen verletzt. Zwei Wochen später blieb ein Eurostar mitten im Tunnel stehen geblieben.

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dpa/AFP/jab/cgr
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