EU-Initiative für Elektroautos:E wie Enttäuschung

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Weniger Lärm, weniger Abgase - so sollte die Zukunft aussehen, Elektroautos sei Dank. Doch deren Verbreitung lässt zu wünschen übrig, die EU ist unzufrieden. Ein Strategiepapier soll nun die Wende auf der Straße voranbringen. Der Vorstoß ist jedoch unzureichend.

Von Markus Balser

In Kürze würden Millionen Europäer Elektroautos fahren - Fahrzeuge, die sparsam sind, leise und abgasfrei. Die Energie für Motoren käme nicht mehr per Tanker aus Saudi-Arabien, sondern aus der Steckdose um die Ecke. Weniger Lärm, weniger Abgase und Umweltverschmutzung: Straßen, ja ganze Städte veränderten damit ihr Gesicht. So sagen Experten nun schon seit Jahren die Zukunft der Mobilität voraus. Eine Million E-Autos sollen allein die Deutschen 2020 über Straßen irgendwo zwischen Rostock und Garmisch lenken. So mahnt es auch Bundeskanzlerin Angela Merkel an. Das "E" soll nicht nur für Elektro, sondern auch für Erneuerung stehen.

Das Ziel hinter den Plänen für den Umbau des Verkehrssystems ist ehrgeizig: Endlich wegkommen von einem Transportsektor, der so stark vom Öl abhängt wie kein anderer Wirtschaftszweig. Doch es bleibt bei der Vision. Denn die ambitionierten Ziele sind längst Makulatur. Fast alle Vorgaben der Politik werden meilenweit verfehlt - wohl auch die Millionenhürde in Deutschland. Dabei wäre die Zahl angesichts von mehr als 50 Millionen Fahrzeugen hierzulande eine homöopathisch geringe Dosis gewesen. Und so steht "E" in Deutschland längst auch für Enttäuschung.

Das Problem: Autos mit alternativen Antrieben bleiben Ladenhüter, weil die Infrastruktur fehlt. Während alle paar Kilometer Leuchtzeichen auf Tankstellen hinweisen, gibt es noch immer kein flächendeckendes Netz von Ladestationen oder Gastankstellen. Und die sind nötig. Denn vor allem Elektroautos erreichen noch lange nicht die Reichweiten ihrer ölbetriebenen Konkurrenz.

Die Autoindustrie tut wenig

So entsteht ein Teufelskreis: Alternativ-Autos finden kaum Käufer, weil sie im Praxistest durchfallen. Wenn aber kein E-Auto auf den Straßen rollt - warum dann in die teure Infrastruktur investieren? Die Folge: Investoren halten sich zurück, der Preis der Fahrzeuge bleibt wegen der geringen Nachfrage hoch. Und die Nachfrage wegen des hohen Preises gering. Die Autoindustrie tut wenig dafür, den Umbau ihres eigenen Geschäftsmodells voranzutreiben. Zu groß ist die Sorge vor neuer Konkurrenz.

So bleibt eine Vision kraftlos auf der Standspur liegen. War's das schon mit der grünen Revolution auf Europas Straßen? Brüsseler Bürokraten wollten dem Stillstand nun nicht länger zusehen. EU-Verkehrskommissar Siim Kallas stellte am Donnerstag eine groß angelegte Initiative vor, die endlich den gordischen Knoten zerschlagen soll. Sein Ziel: Den Druck auf die Mitgliedsländer zu erhöhen und endlich eine flächendeckende Infrastruktur zu schaffen.

Kallas' Papier fordert einen Kraftakt: Allein in Deutschland sollen 150.000 neue Ladestationen entstehen, in ganz Europa Hunderttausende. Ein neues Netz von Erd- und Flüssiggastankstellen soll in sieben Jahren neben den herkömmlichen Zapfsäulen Alternativ-Kraftstoffe anbieten. Und auch für Schiffe will die EU in allen großen Häfen des Kontinents ein vergleichbares System errichten.

Brüssel macht klar: Mit aller Energie will man den Transportsektor aus der Abhängigkeit vom Öl lösen. Ein Viertel aller energiebedingten Treibhausemissionen kommt aus den Auspuffen auf Europas Straßen - nur die Energiebranche produziert mehr vom Klimakiller CO2. Der Straßenverkehr steht damit auch für die Sucht der Industrienationen nach jener knappen Ressource, die die Welt immer schneller dezimiert. Die Politik weiß seit langem um die Not der Entwöhnung und verdrängte doch die nötigen Konsequenzen, während Rohstoffkonzerne tiefer und mit waghalsigeren Methoden nach dem begehrten und immer teureren Rohstoff graben.

Brüssel weiß: Der Entzug wird schmerzhaft

Den Regierungen Europas bleibt nun gar keine andere Wahl, als die Revolution auf der Straße noch mal auszurufen. Brüssel weiß: Der Entzug wird schmerzhaft. Aber je länger man weitermacht wie bisher, je länger man mit dem Bremsen wartet, desto riskanter und teurer wird das Wende-Manöver.

Der Vorstoß der EU bleibt dennoch nur ein erster Schritt. Noch fehlt es an vielem beim Umbau des Verkehrswesens - nicht nur an Zapfsäulen: Trotz jahrelanger Forschung gibt es noch keine günstigen, kleinen und leistungsfähigen Batterien. Und umweltfreundlich sind alternative Antriebe auch nur, wenn sie aus grünen Quellen wie Wind- und Sonnenstrom oder Biogas gespeist werden. Wer den Umbau bezahlen soll? Wir nicht, erklärt die EU. Der Privatsektor sei nun gefragt. Doch solange die Politik die ersten Schritte nicht selbst in die Hand nimmt, droht vor allem eins: Die nächste Runde im Teufelskreis.

© SZ vom 25.01.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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