Süddeutsche Zeitung

Mikromobilität:Freihändig mit bis zu 40 Sachen durch die Stadt

Motorisierte Skateboards sind deutlich schneller als E-Scooter. Offiziell erlaubt sind sie nicht. Doch wer weiß mittlerweile überhaupt noch, womit man legal durch die Straßen rollern darf?

Von Marco Völklein

Verkehrsminister Scheuer scheint in Zulassungslaune zu sein. Bereits im Frühjahr, als gerade der erste Entwurf seiner E-Scooter-Verordnung bekannt geworden war, kündigte der Minister eine Ausnahmeregelung an: Zeitlich befristet wollte er prüfen, wie sich andere Fahrzeuge ins Straßengetümmel einfügen. Seitdem ist er allerdings in einen Stau geraten.

Gemeint waren unter anderem die motorisierten Longboards, die in Wahrheit schon eine Weile durch die Städte sausen, ohne dass sie groß aufgefallen wären. Auf den ersten Blick sehen sie aus wie normale, lange Skateboards, der Experte kann erkennen, dass der Fahrer einen Regler in der Hand hält - und dass die Dinger mit Mordskaracho überholen, selbst wenn man schnell auf dem Rad unterwegs ist.

Ein Elektromotor an der Hinterachse treibt das Brett an, die Energie kommt aus Akkus an der Unterseite. Gelenkt wird allerdings wie beim normalen Skateboard, mit Gewichtsverlagerung. Der wesentliche Unterschied liegt im Tempo: Bis zu 40 km/h sind möglich. Ganz schön schnell, wenn man bedenkt, dass der Fahrer freihändig unterwegs ist - und auf andere Verkehrsteilnehmer trifft.

Derzeit sind solche Boards die Ausnahme auf Straßen, Rad- und Gehwegen. Auch Monowheels, also Einräder, die mittels E-Motor angetrieben werden, oder Hoverboards, einachsige Gefährte, mit denen vor allem Kinder herumrollern, sind selten zu sehen. Sie gelten eher als Spielzeug denn als Fahrzeug. Fachleute des ADAC und des Auto Club Europa (ACE) erwarten, dass es so bleibt. Andere aber gehen davon aus, dass mit der Freigabe der Straßen und Radwege für E-Scooter auch andere Fahrzeuge aus dem Bereich der "Mikromobilität" populärer werden: Denn kaum einer wisse mehr, sagt Rainer Wendt, Chef der Deutschen Polizeigewerkschaft, was nun erlaubt sei und was verboten. Zumal Baumärkte, Elektrofachgeschäfte und Händler im Internet die Kleinstfahrzeuge emsig verkaufen. Oft nur mit einem Hinweis im Kleingedruckten versehen: ohne Straßenzulassung.

Tatsächlich gibt die von Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) im Frühjahr auf den Weg gebrachte Elektrokleinstfahrzeugeverordnung die Straßen und Radwege in Deutschland nur für solche E-Roller frei, die mit einer Lenk- oder Haltestange, einer Lichtanlage und Bremsen ausgestattet sind. Und ihr Höchsttempo muss auf 20 Kilometer pro Stunde abregelt sein.

Die Bundesländer machten schnell klar, was sie von Scheuers Zulassungsfreude halten: gar nichts. Immerhin müsste auch jemand die Einhaltung der Verkehrsregeln bei der Mikromobilität überwachen. Unfallforscher und der Deutsche Verkehrssicherheitsrat klagen schon jetzt über das ungezügelte Verhalten mancher E-Tretroller-Fahrer. Seitdem hängt die Verordnung im Stau fest.

Entwickler tüfteln derweil an einer Kreuzung von Fahrzeugen, um die gesetzlichen Vorgaben einzuhalten. Audi kündigte eine Art Skateboard mit Lenkstange an. Denjenigen, die bereits mit einem motorisierten Longboard durch die Grauzone sausen, wäre eine ordentliche Regelung sicher ganz recht. Allerdings müssten einige sich dann wohl bremsen, denn mehr als Tempo 20 dürften sie legal auch nicht fahren.

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Quelle:
SZ vom 19.08.2019/cku
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