Erstflug: Boeing 747-8:Der neue Jumbo-Jet fliegt

Boeing feiert zum zweiten Mal: Mitte Dezember startete der 787 Dreamliner zum Erstflug, jetzt hob der neue Jumbo-Jet, die 747-8, erfolgreich ab.

Jens Flottau, Everett/USA

Im Nachhinein lässt sich sagen, dass dieser Tag die Welt ein bisschen verändert hat. Die erste Boeing 747 raste die Startbahn des Boeing-Werksflughafens in Everett, Washington, entlang und nachdem Jack Waddell das riesige Flugzeug in die Luft gebracht hatte, lagen sich die Zurückgebliebenen weinend in den Armen. Die Ära der Boeing 747 hatte begonnen. Das Flugzeug sollte erstmals breiten Massen lange Flugreisen ermöglichen und war damit eine der wichtigsten Voraussetzungen dessen, was heute Globalisierung genannt wird. Es war der 9. Februar 1969.

Boeing 747-8; afp

Boeing

747-8

: Die neuen Motoren sind sparsam - der Erstflug bewies es.

(Foto: Foto: afp)

Fast auf den Tag genau 41 Jahre später standen am Montag wieder Tausende am Rande der gleichen Startbahn und beobachteten, wie die neueste Version der 747 beschleunigte und etwa auf Höhe der Bahnmitte abhob. Chefpilot Mark Feuerstein steuerte die 747-8 direkt in eine kleine Wolke hinein, die noch übriggeblieben war vom Morgennebel, und verschwand mit seinem Flugzeug in Richtung kanadischer Grenze, verfolgt von zwei kleinen Begleitmaschinen.

Der Erstflug des neuen Jumbos trieb aber kaum noch jemandem Tränen in die Augen. Das liegt nicht nur daran, dass Erstflüge seit den sechziger Jahren viel von ihrer Spannung verloren haben, weil alle wichtigen Systeme am Boden wieder und wieder getestet werden.

Darüber hinaus hat die 747 viel von ihrer Bedeutung eingebüßt, die sie in den 25 Jahren zwischen 1970 und etwa 1995 hatte: Das weltgrößte Passagierflugzeug ist nun ein Airbus, die A380. Sowohl Airbus als auch Boeing haben mittlerweile zweimotorige Langstreckenjets entwickelt, die fast alles können, was die bisherige 747 bringt, und dabei deutlich weniger Sprit verbraucht.

Die neue 747-8 ist ein Flugzeug für den Nischenmarkt

Boeing hat sich dennoch dazu entschieden, eine modernisierte und vergrößerte Version des Jumbo-Jets zu bauen. Die neue 747-8 ist jetzt ein Flugzeug für einen Nischenmarkt: Sie hat etwa 450 Sitze und liegt damit größenmäßig zwischen der A380 und den kleineren Langstreckenjets Boeing 777 oder Airbus A340. Genau um diese Lücke zu füllen hat Lufthansa 20 Jumbos gekauft. Und die 747-8 soll ein guter Frachter werden, maximal 140 Tonnen kann das Flugzeug transportieren, so viel wie kein anderer westlicher Jet. Die Maschine, die am Montag in Everett den Erstflug absolvierte, war ebenfalls eine Frachtversion, die Lufthansa bekommt ihre erste neue 747 Ende 2011.

Lufthansa ist neben Korean Air die einzige Fluggesellschaft, die bislang die Passagierversion der 747 bestellt hat. Doch Boeing hofft darauf, dass nach dem Erstflug und wenn sich die Wirtschaft weiter erholt, weitere Airlines folgen werden. Dass es die 747-8 gibt, liegt auch am Druck, den Lufthansa über viele Jahre auf ihren Flugzeug-Lieferanten ausgeübt hat.

Zwischendurch sah es so aus, als würde Boeing das Projekt doch noch fallenlassen. Etwa ein Jahr verspätet ist auch die 747-8, weil der Flügel teilweise neu geplant werden musste und viele Ingenieure im ebenfalls kriselnden 787-Dreamliner-Programm gebraucht wurden, das für Boeings Zukunft entscheidend ist. Mehr als zwei Milliarden Dollar sollen die Mehrkosten für die 747-8 betragen, obwohl Boeing im Prinzip nur den alten Rumpf verlängerte und mit neuen Triebwerken, Tragflächen und Cockpit ausstattete. Hinzu kam die größte Branchenkrise und der Einbruch des Frachtmarktes, die Zahl der Aufträge liegt bislang bei eher mageren 108, doch Boeing hielt an dem Projekt fest.

Und so kommt es, dass der US-Flugzeugbauer nun innerhalb von wenigen Wochen zweimal feiern durfte. Mitte Dezember flog schon der erste Prototyp der 787. Eine ganze Pannenserie hat dazu geführt, dass das Flugzeug mittlerweile mehr als zwei Jahre verspätet ist. Analysten schätzen, dass es Boeing mehr als zehn Milliarden Dollar mehr kostet, als ursprünglich geplant - wobei Boeing keine öffentlichen Angaben zu den Entwicklungsausgaben macht.

Technologisch und wirtschaftlich ist die 787 das Kernprojekt, um das herum in den kommenden Jahren neue Flugzeuge entwickelt werden sollen. Auch die altehrwürdige 747 profitiert von dem kleineren Langstreckenjet: Beide Flugzeuge haben die gleichen General-Electric-Triebwerke, die für einen um fast 20 Prozent niedrigeren Treibstoffverbrauch sorgen sollen.

Sparsamkeit unter Beweis gestellt

Die Motoren scheinen zu halten, was GE versprochen hat. "Wir hätten noch acht Stunden weiterfliegen können", sagte Chefpilot Feuerstein nach der Landung. "Ich konnte die Daten erst selbst gar nicht glauben und musste zweimal auf die Anzeige schauen." Der erste Flug endete dann aber doch schon nach drei Stunden und 39 Minuten. Feuerstein steuerte den neuen Jumbo-Jet von Norden über das Meer in Richtung Everett und landete die Maschine in der Abendsonne.

Dabei wurde er von Joe Sutter ganz genau beobachtet. "Die Landung hast du gut hinbekommen", lobte er Feuerstein, nachdem dieser die Treppe von seinem Flugzeug heruntergeklettert war. "Ich habe ganz genau hingeschaut." Sutter ist eine Legende, nicht nur bei Boeing, denn er hat einst als Chefingenieur die 747 erfunden.

Sutter ist sowieso felsenfest davon überzeugt, dass es seine 747 allen Unkenrufen zum Trotz noch lange geben wird, schließlich könne Boeing das Flugzeug immer wieder mit zusätzlicher Technologie modernisieren. "Ich bin mir sicher, dass wir in 20 Jahren wieder hier stehen werden und beim Erstflug der nächsten 747-Version zuschauen können", so Sutter. Der Mann ist offenbar Optimist: Nächsten Monat wird Sutter 89 Jahre alt.

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