Erste Eindrücke:Das kann der neue Porsche 911

Erste Eindrücke: Preview in Kalifornien: Der neue Porsche 911 auf den Straßen im Hinterland von San Francisco.

Preview in Kalifornien: Der neue Porsche 911 auf den Straßen im Hinterland von San Francisco.

(Foto: Porsche)

Üppigeres Design, digitaleres Cockpit, um Nuancen bessere Fahrdynamik. Aber noch immer ist der neue Elfer ein echter Porsche - mit allen Stärken und Schwächen.

Von Georg Kacher

Schwarz mag schlank machen, aber die schwarze Tarnfolie des Vorserienautos tut sich schwer, die künftig noch üppigeren Konturen zu kaschieren. Schon das Basismodell des neuen Porsche 911 ist nochmals breiter geworden, die Kotflügel beidseits der Wespentaille wölben sich in mutigen Radien über die Radhäuser, die schwarzen Einleger in den Stoßfängern und das durchgehende Rückleuchtenband betonen die Horizontale. Räder und Reifen machen ebenfalls auf dicke Hose. Der Carrera wechselt von 18- zu 19-Zöllern, bei den S-Modellen sind künftig 20- statt 19-Zöller montiert. Auch an der neuen Lichttechnik, den fetteren Endrohren, dem kehligeren Sound und am wuchtigeren aktiven Heckspoiler erkennt man die siebte Generation des Heckmotor-Klassikers.

Das Armaturenbrett hat sich dagegen von der analogen Welt weitgehend emanzipiert. Abgesehen vom mittigen Drehzahlmesser sind die vier Rundinstrumente digital animiert und teilweise frei programmierbar. Gleiches gilt für den großen Monitor, der ein Höchstmaß an Fingerfertigkeit voraussetzt. Konventionell funktionieren die direkt darunter angeordneten fünf Wippen, mit denen man wesentliche Fahrdynamik-Funktionen direkt anwählen kann. Auch die Kippschalter zum Einstellen von Heizung und Lüftung lassen sich blind bedienen.

Das Cockpit-Layout erinnert an Panamera und Cayenne, ist aber intuitiver und hat eine flachere Menüstruktur. Erster Eindruck: Wer mit dem Smartphone gelernt hat zu zoomen, scrollen, wischen und touchen, der wird sich auch von den Untiefen dieses komplexen Displays nicht abschrecken lassen.

Minimal länger und 20 Kilogramm schwerer

Der neue 911-er mit dem internen Modellcode 992 ist 20 Millimeter länger und 20 Kilogramm schwerer geworden, das neue Aero-Paket erhöht den Anpressdruck an der Vorderachse und reduziert hinten den Auftrieb auf Null, statt der serienmäßigen LED-Scheinwerfer sind Kurvenlicht und adaptive Matrix-Leuchten verfügbar. Motoraufhängung und Hinterachse glänzen mit feinfühligerer Elastokinematik, optional kann der Elfer mit fast staubfreien weil beschichteten PSCB-Bremsen bestückt werden, als Alternative zum endlich deutlich präziseren Siebengang-Handschaltgetriebe ist ein neuer Doppelkuppler mit acht statt sieben Fahrstufen im Angebot. Das 48-Volt-System macht über elektrische Verdichter mehr Druck bei niedrigen Drehzahlen und der gar nicht so milde Hybrid legt gleichzeitig bei Vollgas im großen Gang eine Schippe nach. Zur Modellpflege in fünf Jahren wird Porsche seine Sportwagen-Ikone möglicherweise mit einem Plug-in-Hybrid aufwerten, dessen 35-kWh-Akku einen 150kW starken E-Motor antreibt.

Auch dieser 911 wagt es nicht, seine eigene Legendenbildung in Frage zu stellen. Der Zündschlüssel wird wie gehabt links vom Lenkrad eingesteckt, der Motor befindet sich hinter der Hinterachse, der Fahrer sitzt drei Handbreit über dem Asphalt. Die markante Reibeisenstimme des künstlich beatmeten 3,0-Liter-Sechszylinder-Boxers kann kein Lärmschutzgesetz der Welt mundtot machen, das typische Leerlaufrasseln hat sich ebenso über die Jahrzehnte gerettet wie das Hochdrehzahlkrakeelen, die Kombination aus Sport-Plus-Fahrprogramm und scharfgeschaltetem Sportauspuff lässt in baufälligen Tunnels bei Vollgas im kleinen Gang den Putz von der Decke bröckeln.

Erste Eindrücke: Auf den ersten Blick unterscheidet sich der neue Elfer kaum von seinem Vorgänger.

Auf den ersten Blick unterscheidet sich der neue Elfer kaum von seinem Vorgänger.

(Foto: Porsche)

Der einfache Carrera legt nur 15 PS auf 385 PS zu, doch die Leistung der hier beschriebenen S-Variante klettert von 420 auf 450 PS. Die Kombination aus Doppelkupplungsgetriebe und Launch Control schiebt den Überholspur-Dauergast in 3,7 Sekunden von 0 auf 100km/h. Die Höchstgeschwindigkeit beträgt unverändert 308 km/h, und auch der Verbrauch ist trotz Otto-Partikelfilter und WLTP-Norm gleich geblieben. Unter dem Strich geht der neue Carrera S fast so gut wie der aktuelle, 13 000 Euro teurere GTS.

Es ist eine kleine Truppe, die an diesem Tag das Hinterland von San Francisco mit einer schwäbischen Klangwolke und Goodyear-Feinstaub überzieht: vier Autos (alles Carrera S, darunter ein Handschalter), vier Journalisten, vier Porsche-Ingenieure, darunter der Projektleiter Gustl Achleitner. Mit an Bord sind zum Teil Keramikbremsen, Hinterachslenkung, Matrixlicht und größere Räder (20 Zoll vorne, 21 Zoll hinten). Die Bilstein-Dämpfer lassen sich in zwei Stufen verstellen, die Federung ist straffer ausgelegt, die Karosserie liegt minimal tiefer. Worauf warten wir noch?

Was kann der neue 911er besser als sein Vorgänger?

Der Chef startet den Motor, drückt die Sporttaste und loggt das Stabilitätsprogramm im Sportmodus ein. Auf dem Highway heißt es erst mal: runter vom Gas. Während der Tempomat seine Arbeit macht, nähern wir uns dem Bediensystem, verschieben Kacheln, klicken uns von einer Ebene zur nächsten, testen den Unterschied zwischen Sport und Sport Plus, aktivieren per Knopfdruck die zeitlich begrenzte Boostfunktion und gewöhnen uns langsam an die vielen Redundanzen. Dabei reift erneut die Erkenntnis, dass nicht alles, was machbar ist, Sinn macht.

Die nächsten drei Stunden verbringt die Testtruppe auf abgelegenen Landstraßen irgendwo im Nirgendwo. Die einzige Konstante sind die Kurven, die sich in allen erdenklichen Radien durch die Pampa fräsen, mal tiefschwarz glattgebügelt, dann wieder vom Lauf der Zeit in Fragmente zerbröselt.

Was kann der neue Elfer besser als sein Vorgänger? Er lenkt flinker ein, hält die Spur am Limit ein gutes Stück länger, baut immer noch Grip auf, wo der Vorgänger schon anfängt, kontrolliert ins Off zu schieben. Weil im Sportmodus hart abgerollt und spröde angefedert wird, erfolgt ein Wechsel zu Normal. Und siehe da, schon verbreitert ein Plus an Geschmeidigkeit den Grenzbereich und nimmt den Lastwechselreaktionen die Schärfe, wird sauberes auf Zug fahren umgehend belohnt. Weil die Hinterräder mitlenken, verteilt sich das Ringen mit der Querbeschleunigung auf beide Achsen. Das heißt: weniger Untersteuern, höheres Kurventempo, souveräneres Zusammenspiel von Lenkung und Gaspedal, sauber dosierbarer Bewegungsfluss dank progressiv-geregelter statt mechanisch-starrer Quersperre.

Erste Eindrücke: An Perfektion gewonnen, an Schärfe verloren.

An Perfektion gewonnen, an Schärfe verloren.

(Foto: Porsche)

Der ab Frühjahr lieferbare neue 911 ist kein Grund, seinen Vorgänger zu entsorgen. Im Gegenteil: Das neue Bedienkonzept muss man mögen, die Fahrdynamik ist in Teilbereichen nur um Nuancen besser geworden und das evolutionäre Design gefällt nicht jedem. Das Auto hat an Perfektion gewonnen, aber etwas an Schärfe verloren. Man spürt immer deutlich den Unterschied der Charaktere zwischen sportlichen Gleitern wie Carrera, Carrera S, GTS und Turbo auf der einen Seite und den Hardcore GT-Modellen auf der anderen.

Traktion und Fahrleistungen waren für den Elfer noch nie ein Thema, aber in der aktuellsten Ausprägung schafft der Zweisitzer, dessen zwei weitere Sitzplätze im Fonds allenfalls als Notsitze durchgehen, eine überzeugende Symbiose aus stabiler Straßenlage und unerschütterlichem Eigenlenkverhalten. Nach wie vor ist die Hecklastigkeit ein Problem, aber wie Meister Achleitner und seine Mitarbeiter dieses 54 Jahre alte Konzept weiterentwickelt haben, das ist schon aller Ehren wert. In der zweiten Jahreshälfte 2019 folgen C4, Cabrio und die beiden Turbo-Überflieger. Gleichzeitig endet mit dem Speedster die 991-Ära. Zur Preisliste hat Porsche noch nichts verlauten lassen.

Zur SZ-Startseite
Eine Werbung für einen Porsche 911, dahinter sind drei Porsche 356 platziert.

70 Jahre Porsche
:Keiner braucht ihn, jeder will ihn

Statussymbol, Sehnsuchtsmodell, Designklassiker: Seit den 60er Jahren gehört der 911er zu den Kultprodukten aus dem Hause Porsche. Doch die Firmenhistorie reicht viel weiter zurück.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: