Erinnerungen aus 40 Jahren:Mein Golf, dein Golf, unser Golf

Wir lieben und wir hassen ihn. Fuhren ihn mit 211 PS und mit 55. Erlebten Traumreisen und bauten Unfälle. Der VW Golf wird 40 Jahre alt. Kein anderes Auto hat Deutschland so geprägt. Süddeutsche.de-Mitarbeiter erzählen von ihren Erinnerungen.

Der VW Golf ist der Bestseller unter den deutschen Autos. Er gab einem Fahrzeugsegment ("Golf-Klasse") und einem Menschenschlag ("Generation Golf") einen neuen Namen und "ist das Herz der Marke Volkswagen", wie es Konzernchef Martin Winterkorn ausdrückt. Auch die Mitarbeiter von Süddeutsche.de haben ihre Erfahrungen mit dem kompakten Wolfsburger gesammelt. Hier erzählen sie von ihren Erlebnissen.

Einkaufswagen mit 211 PS

Mein erstes Auto, ein weißer Golf I, wurde im September 1982 geboren. Ich kam fünf Monate später zur Welt. Streng genommen gehörte der Golf meinem Vater. Aber mit ihm fängt meine automobile Erinnerung an. Meine Eltern waren zuvor in einem 3er BMW mit 100 PS unterwegs gewesen, der "keinen Hering vom Rost zog", wie meine Mutter noch heute klagt. Der Golf hingegen war "für damalige Verhältnisse ganz gut", sagt mein Vater. Der Dieselmotor hatte knapp 55 PS und einen bemerkenswert geringen Spritverbrauch.

Ich bin in einer Golf-Familie aufgewachsen, meine Oma hatte auch einen. Einen Golf II in goldener Lackierung. Heute lachen wir, wenn wir uns an die Farbe erinnern. Wenn wir damals unterwegs waren, sagte meine Oma zu mir und meinem Bruder: "Ihr braucht Euch nicht anzuschnallen, haltet euch nur gut fest." Das fanden meine Eltern nicht so lustig.

Mein Vater kaufte später mehrere Kombis und dann eine Bahncard 100. Er arbeitete eine Zeit lang in Süddeutschland und war nur am Wochenende zu Hause. Das muss eine entbehrungsreiche, weil Auto-arme Zeit für ihn gewesen sein. Jedenfalls gab es bei uns zu Hause bald wieder einen Golf. Einen Golf GTI mit 211 PS und Doppelkupplungsgetriebe. Meine Mutter fuhr damit bei schlechtem Wetter zur Arbeit (1,3 Kilometer), zum Einkaufen (1,1 Kilometer) und zu meiner Oma (11,9 Kilometer).

Als ich den GTI zum ersten Mal fuhr, sagte meine Mutter zu mir: "Du musst beim Überholen erst auf die linke Spur wechseln und dann den Sport-Knopf drücken. Sonst sitzt du dem Vordermann im Kofferraum." Oft durfte ich den GTI nicht fahren, denn ich war meist am Wochenende zu Hause. Mein Vater auch. Und wenn mein Vater zu Hause war, dann fuhr er den Golf.

Als mein Vater aufhörte zu arbeiten, erklärte er die 211 PS des GTI für nicht mehr zeitgemäß. Stattdessen stehen nun zwei vernünftigere Autos vor der Tür meiner Eltern. Es sind zwei VW Golf, ein Golf VII und ein Golf VI Cabrio. Wir sind bis heute eine Golf-Familie geblieben. (Michael König, Politikredakteur)

Das Schlimmste war die Farbe

Kein anderer Konsumgegenstand ist in Deutschland mit so vielen Wertungen und Klischees beladen wie das Auto. Wer ein SUV fährt, ist eine Umweltsau. Porschefahrer haben Minderwertigkeitskomplexe. Im Toyota sitzen Vernunftmenschen. Wer Opel fährt, hat keinen Geschmack. Außerdem gilt: Berliner Architektinnen fahren Saab, Freiburger Geografielehrer Volvo und Münchner Werbekauffrauen einen Mini.

Das einzige Auto, das es Deutschen erlaubt zu fahren, ohne ernsthafte Reaktionen auszulösen, ist der VW Golf. Ganz am Anfang, da war sein Design mal ganz fortschrittlich, das ist aber schon lange her. Der Golf verwaltet brav seinen Erfolg und erlaubt es seinem Fahrer, im besten Sinne anonym zu bleiben. Bei einem Golffahrer weiß keiner, ob er CDU oder Grüne wählt, ob er arm oder reich ist, ob er für Bayern oder 1860 München oder grundsätzlich gegen Fußball ist.

Der VW Golf ist ein Auto für Menschen, denen Autos eher egal sind.

Menschen wie mich. Und meine Freundin. Deshalb war es mir auch egal, dass sie ohne mich losfuhr, um unser erstes gemeinsames Auto zu kaufen. Es war ja klar, dass es ein Golf ist. Und es war ein gutes Angebot. 13 Jahre alt, aber nur 65.000 Kilometer. 2000 Euro. Kann man nichts falsch machen. Als ich nach Hause kam, stand er vor der Tür. Er hatte: Sportsitze. Alufelgen. Breitreifen. Einen Spoiler. Das Schlimmste war die Farbe: Lila. (Wolfgang Jaschensky, Homepage-Chef)

Sie kennen auch Anekdoten, die Sie mit dem VW Golf verbinden und den Lesern von Süddeutsche.de gerne mitteilen möchten? Schicken Sie Ihre Geschichte an auto-online@sueddeutsche.de.

Liebe und Hass

Bergrallye statt Betteln

Alle Generationen des VW Golf

In 40 Jahren Bauzeit hat VW sieben Golf-Generationen auf den Markt gebracht.

(Foto: Volkswagen AG)

Ich bin auf einem Berg groß geworden, knapp über 1000 Meter hoch. Man kann sich vorstellen, wie man als Jugendlicher nur darauf wartet, endlich Auto fahren zu dürfen, um wegzukommen von da oben. Keine anstrengenden Fußmärsche mehr, kein Betteln bei Eltern oder älteren Geschwistern: "Könnt ihr mich bitte fahren?"

So steigt man mit 18 ins Auto und quasi gar nicht mehr aus. Wenn der erste Wagen, den man fahren darf, auch noch ein weißer Golf Syncro ist, hat man wirklich Spaß - vor allem auf dem Berg. Was vorher ätzend war, entpuppt sich jetzt als perfekte Rennstrecke. Rauf, runter, rauf, runter. Die schönsten Erinnerungen kommen mir dabei an die Winterjahre, denn mit Allrad so eine verschneite Straße ohne Probleme hoch zu fahren, das ist einfach genial. Schade nur, dass meine Eltern den Golf dann nach zwei Jahren Spaß verkauft hatten. Von da an ging's bergab. Das nächstes Auto, das ich nutzen durfte: ein Daewoo. (Christian Jocher-Wiltschka, Mitarbeiter Media/Video)

Das Beste war der Wackeldackel

Mein erstes Auto war ein Citroen AX. Rot, kantig, und es knarzte im Inneren bei jeder Unebenheit auf der Straße. Also ununterbrochen. Am ersten Tag fuhr ich eine riesige Delle in den Kotflügel, ich hatte mich vom Land direkt in die nächstgelegene größere Stadt gewagt. Ein anderes Mal drehte ich mich auf einer Autobahnabfahrt um hundertachtzig Grad, ohne zu wissen warum. Ein paar Monate später vollführte ich eine komplette Pirouette, nur wenige Meter von meiner Schule entfernt. Der AX war nicht schön, er hatte seine Mängel, aber trotzdem waren wir irgendwie ein Team. Bis er sich entschloss, beim Stand von 75 000 Kilometern einfach aufzugeben.

Ersatz musste her. Meine Mutter trieb einen Golf II auf. Ich hasste den Golf. Für mich war er die verkörperte Langeweile. Einfallslos, solide, deutsch. Und wer wollte das schon sein in seiner Sturm- und Drangphase? Die Ödnis setzte sich im Inneren fort. Karierte Sitze. Ich wiederhole: kariert. Mir fehlte nur noch die Klorolle mit Wollmütze auf der Ablage. Ich entschied mich für einen Wackeldackel. Der nickte mir immer im Rückspiegel zu, als wollte er mich verhöhnen. Das passte.

Der Golf blieb mir ein oder zwei Jahre erhalten. Den genauen Zeitraum habe ich wohl verdrängt. Ich würde jetzt gerne berichten: Wir wurden gute Freunde. Der Golf und ich fuhren durch dick und dünn, jagten durch die Weinberge meiner Heimat, von einer Party zur nächsten, wilde Knutschereien auf dem Rücksitz inklusive. Doch nichts dergleichen geschah. Er verschwand fast vollständig aus meiner Erinnerung.

Bis zu diesem Augenblick. Unseren letzten gemeinsamen Moment hatten wir auf einem Parkplatz, nur ein paar Meter von der Wohnung meiner Mutter entfernt. Wir beide entschlossen: Es kann so nicht weitergehen. Es funktioniert so einfach nicht. Ich betrachtete den Schlüssel mit dem VW-Emblem, warf ihn auf den Rücksitz und stieg aus. Der Wackeldackel nickte noch einmal. Am nächsten Tag wanderte der Golf auf den Schrottplatz. Und ich machte mich auf die Suche nach einem neuen Auto. (Felix Reek, Mitarbeiter im Auto- und Reise-Ressort)

Sie kennen auch Anekdoten, die Sie mit dem VW Golf verbinden und den Lesern von Süddeutsche.de gerne mitteilen möchten? Schicken Sie Ihre Geschichte an auto-online@sueddeutsche.de.

Der Golf mit Rucksack

VW Jetta II von 1986

Weder schön noch erfolgreich: Neben dem Golf fristet der Jetta ein Schattendasein.

(Foto: Volkswagen AG)

Die letzte Fahrt war kurz und schmerzvoll

Obwohl Generationen- und Kohortenmäßig dem Golf zuzurechnen, war mein erstes Auto kein selbiges, sondern ein VW Jetta. Äußerlich und innerlich zwar völlig uncool (die Farbe nannte Volkswagen seinerzeit "Antilopenmetallic", noch dazu war es ein Diesel), hat er zu Schul- und Studienzeiten hervorragende Dienste geleistet. In den riesigen Kofferraum meines "Golf mit Rucksack" passten mehr Bierkästen, als jede Stufenparty vertragen hat, und eine Tankfüllung für 40 Mark reichte, um mit vier Kommilitonen nach Berlin zu fahren.

Das Ende des Jettas war dann kurz und schmerzvoll. Ein Mitbewohner lieh ihn sich, um nicht im Regen zu einem Date laufen zu müssen. Vielleicht hätte ich ihm noch sagen sollen, dass die Bremsen mittlerweile etwas langsam reagierten. Der Mercedes vor ihm hatte ein paar Kratzer an der Stoßstange, der Jetta einen Totalschaden. Das Folge-Auto war ein Citroën AX. Kein würdiger Ersatz. (Mirjam Hauck, Mitarbeiterin im Digital-Ressort)

Viel leiser als der Trabi

Das prägende Golf-Erlebnis meines bisherigen Daseins begann in einem Trabi. Der "Golf des Ostens" brachte meine Familie und mich aus dem Erzgebirge in den Harz-Urlaub, wo wir im Jahr 1986 in Wernigerode ein paar gemütliche Tage verbringen wollten. Je näher der Urlaubsort und somit die Grenze zur BRD kamen, umso öfter fiel mir dieses kantige Gefährt mit dem ungewohnten Schrägheck auf. Autointeressiert war ich zwar schon damals, aber dieses Modell war mir völlig unbekannt. Ein Wartburg oder ein Produkt aus den befreundeten osteuropäischen Staaten konnte es nicht sein, so viel stand fest. Aber was war es dann? Des Rätsels Lösung lieferte meine Mutter, die kurz vor Ankunft im Hotel sagte: "Ich hätte nicht gedacht, dass hier im Osten so viele VW Golf herumfahren."

Ich war überrascht, wie unterschiedlich dieses Auto sein konnte. Es gab ihn mit drei oder fünf Türen und in allen erdenklichen Farben. Hin und wieder sah man sogar ein Cabrio oder einen GTI. Diese Vielfalt kannte ich von unseren einheimischen Marken nicht. Vor allem stank der Golf nicht wie ein Trabi und er war auch viel leiser. Zudem hatte er eine "Knüppelschaltung", was ich damals für Hightech hielt. Ich sah ja immer nur meinen Vater, wie er die Gänge mühselig per Schaltstock am Lenkrad wechseln musste.

Als wir wieder zu Hause waren, wollte ich unbedingt mehr über dieses Auto erfahren. Wirklich erfolgreich war ich mit meinen Recherchen nicht, in der Vor-Wende-Zeit war kaum etwas über "Westautos" herauszubekommen. Aber der Grundstein für meine Autoleidenschaft war gelegt. Wer weiß, ob ich ohne mein Golf-Erlebnis auch diese Karriere eingeschlagen hätte. (Thomas Harloff, Mitarbeiter im Auto-Ressort)

Sie kennen auch Anekdoten, die Sie mit dem VW Golf verbinden und den Lesern von Süddeutsche.de gerne mitteilen möchten? Schicken Sie Ihre Geschichte an auto-online@sueddeutsche.de.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: