Erhöhte Abgaswerte:Abgastricks der Autohersteller - legal oder nicht?

Auspuff eines Dieselautos

Immer wieder fallen Dieselautos mit erhöhten Stickoxidwerten auf. Doch Hinweise auf eine Trickser-Software gibt es bislang - von VW abgesehen - nicht.

(Foto: dpa)
  • Die US-amerikanische Anwaltskanzlei Hagens Berman hat eine Sammelklage gegen Daimler wegen erhöhter Stickoxidwerte von Mercedes-Dieseln eingereicht.
  • Zwar wurden bei einigen Mercedes-Fahrzeugen sowie Modellen anderer Hersteller viel zu hohe Abgaswerte festgestellt.
  • Doch eine Trickser-Software wie bei VW hat man bislang nicht gefunden.

Analyse von Thomas Fromm und Max Hägler, München/Stuttgart

Die US-amerikanische Anwaltskanzlei Hagens Berman macht es ihren Kunden so bequem wie möglich. Wer auf ihre Internetseite geht, landet gleich bei einem Fragebogen zu Mercedes: Name des Halters, Adresse, Modell, Baujahr, Händler. "Besitzen Sie ein Mercedes-Blue-Tec-Fahrzeug? Ihr ,sauberer Diesel' könnte gesetzeswidrige Abgasmengen ausstoßen", heißt es dann auf der nächsten Seite.

Es geht um eine Sammelklage gegen Daimler, eingereicht bei einem Gericht in Illinois; und es geht um 14 Modelle, bei denen es beim Stickoxid-Ausstoß nicht so laufen soll, wie es der Hersteller versprochen hat. Die zulässigen Höchstwerte für die USA? Angeblich um das 19-fache überschritten. Sinkt das Thermometer dann aber unter zehn Grad? Laut Klageschrift eine Überschreitung der Grenzwerte um das 65-fache; wer das wie gemessen hat, ist allerdings unklar. Von wegen Blue Tec, von wegen sauber - die Anwälte werfen den Stuttgartern vor, nach VW-Manier zu tricksen. Es scheine, als sei Mercedes "in einem ähnlichen Schema wie VW", schreibt Hagens Berman.

Alle bestreiten den Einsatz einer Trickser-Software

Und genau das ist die Frage: Fünf Monate nachdem VW in den USA mit einer illegalen Abschalteinrichtung, einem so genannten "Defeat device", erwischt wurde, findet man bei vielen Autoherstellern überhöhte Stickoxid-Werte bei Dieselfahrzeugen. Nur eine Trickser-Software wie bei VW, die hat man bislang noch nicht woanders gefunden. Alle, bis auf VW, bestreiten auch vehement den Einsatz einer solchen Software.

Das Modell Volkswagen funktioniert so: Ein Bordcomputer erkennt, wann sich das Fahrzeug gerade auf dem Prüfstand befindet oder auf der Straße herumfährt. Wird also getestet, wird über die Software die Abgasreinigung eingeschaltet. Folge: weniger Motorleistung und mehr Spritverbrauch, aber dafür die passenden Stickoxidwerte. Spüren die Sensoren, dass der Wagen wieder auf der Strecke unterwegs ist, schaltet die Software die Abgasreinigung runter, die Motorleistung steigt, aber auch der Dreck, der hinten rauskommt. Seit September weiß die Welt von diesem VW-Trick. Und seitdem sucht sie nach Nachahmern in der Branche.

Erhöhte Stickoxid-Werte bei mehreren Tests

Die französische Regierung hatte nach Bekanntwerden des Abgas-Skandals bei VW Stichproben bei insgesamt 100 Fahrzeugen angeordnet. Nach Tests an 22 Autos hatte Royal erklärt, Renault und mindestens zwei ausländische Marken hätten bei Untersuchungen unter Realbedingungen die Abgasnormen überschritten. Alle hatten sie zu viel Dreck am Stecken - nur warum? Es sind Erkenntnisse im Graubereich. Denn Abgastests beim realen Fahren waren bisher nicht vorgeschrieben.

Das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) hatte bereits im November erklärt, bei verschiedenen Herstellern hohe Werte gefunden zu haben. Die Behörde hatte als Reaktion auf den Abgas-Skandal bei VW mehr als 50 verschiedene Modelle unterschiedlicher Autobauer überprüft. Dabei seien "zum Teil erhöhte Stickoxid-Werte bei unterschiedlichen Fahr- und Umgebungsbedingungen" festgestellt worden, hieß es. Welche Marken betroffen sind, teilte die Behörde damals nicht mit - auch nicht, welche Schlüsse aus den vorliegenden Ergebnissen gezogen werden können.

Bei DUH-Tests zeigten sich unterschiedliche Muster

Im Fokus der Deutschen Umwelthilfe (DUH) standen in den vergangenen Monaten viele Hersteller: BMW, Renault, Daimler, Opel, Fiat - und jedes Mal zeigte sich ein anderes Muster. Beispiel Fiat. Nachdem unabhängige Schweizer Prüfer Dieselwagen der Italo-Amerikaner getestet hatten, seien sie "fassungslos" gewesen, sagte DUH-Geschäftsführer Jürgen Resch später. Nur bei Messungen im kalten Fahrzeugzustand und unter besonderen Voraussetzungen erreichte man die Grenzwerte. "Alle Messungen im betriebswarmen Zustand, bei dem normalerweise die Abgasemissionen niedriger ausfallen, zeigten extreme Erhöhungen", so die DUH.

Beispiel Opel: Hier kamen die Abgastester bei einem Zafira zu dem Ergebnis, dass sich "das Fahrzeug anders verhält, wenn der Rollenprüfstand im Vier- oder Zweirad-Modus betrieben wird". Und: "Bei einer kontinuierlichen Erhöhung der Geschwindigkeit auf 150 km/h stiegen die NOx-Emissionen schlagartig an und überschritten die Messskala des Analysengerätes." Wenn sogar die Angaben auf der Messskala des Analysegerätes gesprengt werden, dann hat das vielleicht etwas zu bedeuten. Opel-Chef Karl-Thomas Neumann hat für den Sommer eine freiwillige Service-Aktion für 43 000 Dieselautos angekündigt, mit der die Abgasbehandlung verbessert werden soll.

Was es mit all diesen Testergebnissen auf sich hat, ob noch irgendwer eine zweifelhafte Software nutzte, wird sich wohl erst zeigen, wenn das KBA seine hochoffiziellen Prüfungen abgeschlossen hat. Es soll im Laufe des Jahres so weit sein.

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