Süddeutsche Zeitung

Endless Runway:Die Flugzeuglandebahn der Zukunft ist rund

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Dieser Überzeugung ist zumindest der Niederländer Henk Hesselink. So könnten Flugzeuge von allen Seiten starten und landen. Doch genau darin sehen Experten ein Problem.

Von Felix Reek

Jeder kennt die Youtube-Videos von Horrorlandungen großer Passagiermaschinen. Starker Seitenwind sorgt dafür, dass die Flieger über der Landebahn schwanken, schlingern, die Tragflächen abwechselnd rechts und links nach oben schwingen. Genau diese Videos sah sich Henk Hesselink vom niederländischen Nationalen Luft- und Raumfahrtzentrum (NLR) vor einigen Jahren an. Und sie brachten ihn auf eine Idee. Was, wenn die Flugzeuge den gefährlichen Seitenwinden ausweichen könnten? Indem sie immer von der optimalen, also möglichst windabgewandten Seite, starten und landen könnten? Was, wenn die Landebahn rund wäre?

Was zunächst wie ein verrücktes Hirngespinst klingt, entwickelte sich zum Projekt "Endless Runway", das unter anderem von der EU unterstützt wird. In einem Video zeigt die BBC, wie das funktionieren soll. Die etwa elf Kilometer lange Landebahn umrundet die Flughafengebäude im Inneren in einem Durchmesser von 3,5 Kilometern. Nach innen hin ist sie leicht geneigt, wie das Renn-Oval der 500 Meilen von Indianapolis. Während bei einer normalen Landebahn immer mit einer gewissen Menge an Seitenwind zu rechnen ist, lassen sich auf dem Endless Runway diese Streckenabschnitte meiden. Theoretisch können Flugzeuge an jeder Stelle des Kreises starten und landen. Merken würden die Passagiere das kaum. "Es wird für sie wie ein Kurvenflug in der Luft sein", erklärte Hesselink der BBC.

Runde Landebahnen auf New Yorks Dächern

Neu ist die Idee nicht. Seit Anbeginn der Luftfahrt tauchen immer wieder ähnliche Konzepte auf. Das Magazin Popular Science druckte bereits 1919 die Utopie einer kreisrunden Landebahn ab. Auf den Dächern der New Yorker Hochhäuser. 1964 und 1965 testete die US Army in Mesa, Arizona, eine runde Start- und Landebahn. Die Piloten berichteten, dass es zunächst schwer war, den richtigen Winkel für die Landung zu finden, die geneigte Bahn aber ihre Fehler korrigierte. Nach einigen Versuchen verbesserten sie sich und waren beeindruckt von der außergewöhnlichen Seitenstabilität. Aus Kostengründen blieb es aber bei einem Feldversuch.

So weit sind die Wissenschaftler des Netherlands Aerospace Centre noch nicht. Im Simulator testeten sie drei Szenarien. Wenig Wind, so dass jeder Abschnitt der kreisrunden Bahn zum Starten und Landen genutzt werden kann. Viel Wind, wie bei einem herkömmlichen Flughafen. Und als Drittes ein Szenario mit Wechselwinden. Das Ergebnis: Nicht nur macht der Endless Runway den Flugverkehr unabhängiger von klimatischen Bedingungen. Seine Landebahn ist zwar dreimal so lang wie ein gerades Pendant, soll aber viermal so viele Flüge bewältigen und damit effektiver sein. So zumindest die Theorie.

Landen an der immer gleichen Stelle

Markus Wahl von der Pilotenvereinigung Cockpit hingegen sagt eindeutig: "Im Jahr 2017 funktioniert das nicht." Auch Flugexperte Heinrich Grossbongardt ist sich sicher: "Das Ganze ist ein interessantes Gedankenexperiment. Aber das war es dann auch schon." Eine runde Landebahn sehen sie nicht in absehbarer Zeit in Europa.

Die Probleme beginnen bei den aktuellen Flugzeugen. Keines von ihnen ist dafür konstruiert, in einer Kurve zu landen, was der Endless Runway voraussetzt. Auch die Idee, immer von der idealen Stelle aus starten zu können, ist nicht mehr als eine Utopie. "Kontinuierlich im Wind zu landen führt dazu, dass ich entweder immer an der gleichen Stelle des Kreises aufsetze und dann alle Vorteile dahin sind, oder dazu, dass ich Rückenwind habe", so Wahl. Und gegen die viel gefährlicheren Böen böte das Konzept auch keinen Schutz.

Die frei wählbaren Routen sind ebenso schwer umzusetzen. Häuser im Umfeld von Flughäfen schränken die tatsächlich zur Verfügung stehenden Schneisen für An- und Abflug ein. "Dazu kommt, dass wir fast überall bestimmte vorherrschende Windrichtungen haben, aus denen sich die Konzentration auf bestimmte Korridore ergibt", so Grossbongardt.

Noch schwieriger ist die Planung der Start- und Landevorgänge aus allen möglichen Richtungen. "Da müsste man wahrscheinlich einen Supercomputer dransetzen", sagt Markus Wahl von Cockpit. "Der muss ja nicht nur den Anflug berechnen, sondern auch, wie lange das jeweilige Flugzeug auf dem Kreis ist." Hinzu kommt, dass Piloten vollkommen neu ausgebildet werden müssten und kein bestehender Flughafen zu einem Endless Runway umgebaut werden kann, ohne ihn abzureißen und vollkommen neu zu planen.

"Genau so kommt es nicht"

Trotzdem sehen die Experten durchaus positive Aspekte in dem Konzept der Niederländer. "Zum Beispiel eine Landemöglichkeit, bei der wir nicht auf einzelne Richtungen festgelegt sind", so Wahl. Dadurch würde sich auch der Fluglärm über ein größeres Gebiet verteilen. Die Erhebung der sich nach innen wölbenden Start- und Landebahn wirke zudem schallisolierend. "Das hätte handfeste Vorteile", so Wahl.

An eine baldige Umsetzung des Konzepts glaubt er aber nicht. Denkverbote dürfe man sich trotzdem nicht auferlegen. "Genau so, wie es da jetzt vorgestellt worden ist, kommt es mit Sicherheit nicht", so der Sprecher der Pilotengewerkschaft. "Aber es gibt durchaus brauchbare Ansätze. Und die guten Punkte kann man ja in 20 Jahren in ein aktuelles Konzept einbringen."

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