Süddeutsche Zeitung

Elon Musk auf der Detroit Motor Show:Selbstloser Elektro-Messias

Elon Musk setzt mit seinen trendigen Elektroautos die Konkurrenz unter Zugzwang. Einst als Träumer verspottet, genießt der Tesla-Chef nun größten Respekt. Dabei verdient der Milliardär kein Geld - noch.

Von Thomas Fromm und Kathrin Werner, Detroit/München

Bei Elon Musk hängt es immer davon ab, wo und vor allem vor wem er auftritt. Spricht er vor Fans und Kunden wie vor einiger Zeit in seinem Tesla-Laden in der Münchner Blumenstraße, dreht er auf wie ein Rockstar. Zappelt, dreht sich, tänzelt, springt. Macht Witze, die nur Eingeweihte verstehen und spricht über seinen Elektroautohersteller wie über eine große Familie.

Es ist nämlich so: Wenn der Unternehmer Musk seine Leute trifft, dann begegnet der Messias seiner Gemeinde.

Der Elon Musk, der am Dienstag in Detroit auftritt, ist anders. Er rutscht nervös auf seinem Stuhl hin und her, zupft sein Sakko zurecht, windet seinen Hals im Hemdkragen, spielt mit einer Wasserflasche, redet leise und langsam, immer wieder unterbrochen von "ähm" und "äh". Sein Blick wandert zu Boden und an die Decke. Zum Publikum wendet er sich nie. Denn dies ist ja auch nicht sein Publikum. Der Messias ist heute in einer anderen Gemeinde unterwegs.

Elektro-Pionier im Land der Spritfresser und CO₂-Schleudern

Musk, der Elektroautopionier, hat sich ins Zentrum der amerikanischen Autowelt gewagt, in die Heimat der Spritfresser und CO₂-Schleudern. Das Hauptquartier von Amerikas größtem Autobauer General Motors liegt nur ein paar Meter entfernt, und die Menschen im Zuschauerraum im kalten Detroit bauen so ganz andere Autos als Musks Teslas, die schicken, schnellen Elektroautos aus dem sonnigen Kalifornien. Detroit und Kalifornien, dazwischen liegen heute mehr als Tausende Kilometer.

Viele hier mögen es nicht, dass ein Internetmilliardär wie Musk dahergelaufen kommt und ihnen sagt, wie man das Auto der Zukunft baut. "Es ist nicht so, dass ich ihm Misserfolg wünsche", sagt ein Automanager, der unbekannt bleiben will. "Aber Erfolg auch nicht. Der ist doch ein Träumer."

Nun kommt also dieser Träumer nach Detroit und appelliert an die alten Kadetten aus der traditionellen Autobranche: "Ich rate, nennenswerte Investitionen in Elektroautos zu tätigen." Ein Unternehmer, der sich mehr Konkurrenz wünscht? Das klingt absurd. Aber Musk war noch nie einer von denen, die alleine für ihre Sache kämpfen wollen. Im vergangenen Sommer forderte er von der Konkurrenz, sich die Technologie von Tesla mal genauer anzusehen. Und rief dazu auf, die patentierte Technologie zu nutzen und zu teilen.

So viel Altruismus hat man selten in der Industrie, und glaubt man dem Meister, dann geht es ihm mehr um den Klimawandel als das große Geld. "Wir machen das nicht, weil wir damit reich werden wollen", sagt er. Ganz bestimmt nicht.

Das klingt selbstlos, aber es hat wohl auch etwas mit der finanziellen Lage von Tesla zu tun. Denn was soll er sonst auch sagen, der Elektroautopionier - Tesla ist ja weit davon entfernt, profitabel zu sein. Erst im Jahre 2020, sagte Musk nun, werde man Gewinne machen. Bis dahin: Autos bauen, Marktanteile gewinnen, die anderen kräftig unter Druck setzen. Mit anderen Worten: investieren. Allein eine Riesenfabrik für Batterien im Bundesstaat Nevada soll fünf Milliarden Dollar verschlingen. "Wenn wir nicht in Wachstum investieren würden, könnten wir schneller Gewinne schreiben", sagt Musk. Wer so plant, braucht einen langen Atem. Der Multimilliardär hat ihn offenbar. Oder tut er nur so?

Kaum hatte der Elektropapst jedenfalls gesprochen, plumpste der Aktienkurs seiner Firma in die Tiefe - zeitweise um zehn Prozent. Nun ist Musk nicht der Typ Manager, der sich über die Bewegungen von Aktienkursen groß Gedanken macht. Er denkt in Jahrzehnten, nicht in Quartalen.

"Ich habe ein Problem mit Pünktlichkeit"

Er denkt zum Beispiel an das Jahr 2025. Dann werde Tesla "ein paar Millionen Autos" pro Jahr verkaufen. Bislang hatte er immer von 500 000 Wagen im Jahr 2020 gesprochen, ein großer Plan also. Das Ziel wird er nur erreichen, wenn er das Modell für den Massenmarkt tatsächlich bauen kann, das er schon seit einer Weile verspricht. Es soll Model 3 heißen, gut 35 000 Dollar kosten und von 2017 an ausgeliefert werden. Derzeit verkauft Tesla nur das Model S, eine sportliche Limousine. Im kommenden Sommer soll das Model X folgen, ein SUV.

Den Start hat Musk schon mehrfach verschoben, die Technik war noch nicht so weit. "Ich habe ein Problem mit Pünktlichkeit", witzelt Musk in Detroit. Er sei eben Optimist und glaube deshalb immer, dass seine Mitarbeiter Dinge schneller erledigen können, als es dann am Ende klappt - kein gutes Zeichen für den pünktlichen Start des Model 3, das den Durchbruch vom Nischenhersteller zum echten Wettbewerber für die großen Autobauer bringen soll. Und: Tesla soll mindestens drei weitere Fabriken eröffnen in den kommenden Jahren, nicht nur in den USA, sondern auch in China und Europa.

Tesla hat die berühmtesten Kunden

Träumen, Denken und Planen, und das alles in Jahrzehnten. Musk kennt seine Außenseiterrolle. Er weiß, was die Leute über ihn denken: "Von Anfang an hat uns niemand ernst genommen", meinte er, und das Publikum lacht. Er ist für viele der Typ aus den Klatschblättern, im Internet unterhalten sich Abertausende über Musks Lieblingsgerichte, Klamotten und Körperpflegegewohnheiten (ja, er duscht gern täglich).

Er hat die berühmtesten Kunden: die Hollywood-Stars Ben Affleck, James Cameron, Demi Moore, Cameron Diaz, Morgan Freeman, Will Smith, Steven Spielberg, den Rapper Jay-Z, Apple-Co-Gründer Steve Wozniak und Anthony Kiedas, den Sänger der Red Hot Chili Peppers. Solche Leute hat nicht jeder Manager in seinem Adressbuch. Man halte ihn daher für einen "exzentrischen Reichen", der sein Geld irgendwann schon noch verlieren werde. Was für ein Missverständnis: Als ob es ihm um so schnöde Dinge wie Geld gehen würde. Den anderen vielleicht, aber ihm?

Musk und die anderen, das war schon immer ein schwieriges Verhältnis. Als er vor ein paar Jahren anfing, seine ersten Elektroautos auf die Straße zu bringen, da lachten die Rivalen. Musk, das war der Typ, der mit dem Verkauf seines Internet-Bezahldienstes Paypal an Ebay seine ersten Milliarden machte, danach davon sprach, Menschen zum Mars zu bringen und die Autoindustrie zu elektrisieren. Muss man nicht ernst nehmen, zumindest jetzt noch nicht. So war zumindest die Stimmung in der Autobranche.

Als dann im Herbst 2013 Tesla-Batterien in Flammen aufgingen, da feixte die Konkurrenz, was sonst. Er brauche keine Autos, die brennen, sagte VW-Aufsichtsratschef Ferdinand Piëch. Beim Konzernchef Martin Winterkorn klang das dagegen etwas anders. "So ein Auto hätte ich von Ihnen erwartet", sagte er zu seinen Entwicklern, nachdem er sich das Model S der Kalifornier genauer angesehen hatte.

Die Branche ist verwirrt

Szenen und Zitate, die die Verwirrung einer ganzen Branche zeigen. Eigentlich, ja eigentlich hatte man sich schon vor Jahren festgelegt: Für Elektroautos ist es viel zu früh und Leute wie Musk sind einfach nur Nerds, die kommen und gehen. Dann beschloss BMW, neben seinem Elektrokleinwagen i3 auch den sportlichen i8 zu bauen - eine Premium-Antwort auf das Model S.

Die Kollegen von Audi teilten rechtzeitig vor der Automesse in Detroit mit, dass sie in den kommenden fünf Jahren 70 Prozent aller Investitionen für "neue Modelle und innovative Technologien aufwenden" wollen. Zwei rein elektrische Serienfahrzeuge bis 2018 will Audi auf den Markt bringen - sportliche Oberklasse für viel Geld. Das würde man wahrscheinlich so nicht machen, hielte man Musk und seine Strategie für kompletten Nonsens.

Tesla-Kunden lieben Musk

Die Managerkollegen sind eine Sache, Kunden eine andere. Und die lieben ihn. Tesla ist für viele Amerikaner das größte Statussymbol und Sehnsuchtsfahrzeug, und auch in Europa hat Musk viele Fans, die Nachfrage wachse vor allem in Nord- und Westeuropa. Im vergangenen Jahr ist der weltweite Absatz auf rund 33 000 Autos gestiegen, nach 22 300 im Vorjahr. Das Unternehmen aus Kalifornien ist ein Phänomen. Andere bauen zehn Millionen Autos und mehr im Jahr - aber Musks Elektroschmiede ist bekannt wie ein bunter Hund.

"Ich bin hauptsächlich hier, um über Elektroautos zu reden und andere Autohersteller anzufeuern, zu tun, was sie tun können, um ihre Elektroauto-Programme zu beschleunigen", sagt Musk. Zack, das saß! Die Zuhörer konnten nun rätseln: War das jetzt eine freundliche Einladung oder vielleicht nicht doch ein zynischer Seitenhieb auf die Kollegen?

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Quelle:
SZ vom 16.01.2015/harl
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