Elektromobilität:Zu Hause fehlt die Steckdose

Ein Elektroauto hängt an einer Ladesäule

Daheim einen Stromanschluss legen, damit das Elektroauto bequem aufgeladen werden kann? Zuvor müssen große juristische Probleme gelöst werden.

(Foto: dpa)
  • Wer zuhause eine Ladestation für ein Elektroauto installieren möchte, stößt auf hohe juristische Hürden.
  • Vor allem Mieter sind auf viel Wohlwollen angewiesen - nicht nur des Eigentümers, sondern auch von den Nachbarn.
  • Bereits auf den Weg gebrachte Gesetzesinitiativen, die die Situation vereinfachen sollen, stecken derzeit fest.

Von Berrit Gräber

Die Zukunft scheitert oft schon an der ersten Hürde. Das bekommen derzeit umweltbewusste Bürger zu spüren, die gern ein E-Auto fahren würden. Anreize sind durchaus verhanden: Wer sich ein Elektrofahrzeug zulegt, wird mit 4000 Euro Kaufprämie gefördert und ist seit Neustem für zehn Jahre von der Kfz-Steuer befreit. Schon bald wird auch das Strom-Zapfen deutlich einfacher sein: Für 2017 ist der europaweite Aufbau von 400 Schnellladestationen angekündigt. Nur zu Hause, in der eigenen Garage, da geht nichts.

Was kaufwilligen Privatkunden millionenfach fehlt, sind die notwendigen Stromanschlüsse zu Hause. Im Neubau planen Bauträger und Wohnungsunternehmen zwar zunehmend die Ladestationen ein. In bestehenden Parkplätzen und Tiefgaragen dagegen sieht es mau aus. Selbst wer auf eigene Kosten nachrüsten und umbauen will, stößt schnell an Grenzen.

Dass elektrische Wagen keine Verkaufsschlager sind in Deutschland, liegt nicht allein daran, dass sie immer noch zu teuer sind, zu wenig Reichweite haben oder es an öffentlichen Ladepunkten mangelt. Als Riesenhürde gelte auch die Gesetzeslage bei baulichen Veränderungen von Immobilien in Händen von Wohnungseigentümergemeinschaften (WEG) und von Mietobjekten, wie Gerold Happ erläutert, Mitglied der Bundesgeschäftsführung von Haus und Grund Deutschland. Nur die wenigsten der vielen Millionen Garagenhöfe, Tiefgaragen und Carport-Stellplätze landauf, landab sind mit Steckdosen ausgerüstet.

All die Jahre war das auch kein großes Problem. Nicht jeder braucht eine Beleuchtung in der Garage. Und mit einem Akku-Handstaubsauger werden Autositze auch sauber. Wer sich aber ein elektrisches Fahrzeug anschaffen will, ist jetzt auf einen Stromanschluss in der Garage angewiesen. Das E-Auto jede Nacht zum Aufladen bei Aldi, Lidl oder Ikea stehen zu lassen, weil es daheim nicht geht, ist wohl keine Alternative. Und schon gar kein Kaufanreiz.

Mieter sind auf das Wohlwollen des Eigentümers angewiesen

Schnell mal den Unterstand daheim mit Strom nachrüsten - das kriegen nur Immobilieneigentümer hin, die eine Einzelgarage auf ihrem Grund und Boden stehen haben. Sobald es um bauliche Eingriffe und Veränderungen am Gemeinschaftseigentum gehe, gebe es viele rechtliche Hürden, wie Rudolf Stürzer warnt, Vorsitzender von Haus und Grund Bayern. Eigentümer in einer Wohnanlage dürfen nicht auf eigene Faust handeln und selbst einen Umbau in Auftrag geben. Sie sind vom Wohlwollen der Miteigentümer abhängig. Das Verlegen von Stromkabeln oder die Installation einer Ladestation, zum Beispiel in der Tiefgarage eines Mehrfamilienhauses oder im gemeinsamen Garagenhof einer Reihenhaussiedlung, bedarf grundsätzlich der Zustimmung der Miteigentümer.

Ohne Mehrheitsbeschluss keine Steckdose: Der Einzelne hat darauf keinen Rechtsanspruch, weil der Elektroanschluss nicht zum Mindeststandard einer Wohnung gehört, entschied neulich erst das Landgericht München (Az. 36 S 2041/15). Auch dann nicht, wenn der Eigentümer bereit ist, alle Kosten zu tragen. "Ein solches Urteil steht dem politisch gewünschten Ziel des Ausbaus von Elektromobilität komplett entgegen", kritisiert Rechtsanwalt Stürzer. Nur wer es schafft, die Miteigentümer hinter sich zu bringen und von der zukunftsweisenden Nachrüstung zu überzeugen, ist auf der sicheren Seite.

Die Umbaukosten bleiben meist am Mieter hängen

Auch Mieter stoßen auf viele Widerstände, wenn sie ihren gemieteten Garagenstellplatz fürs E-Auto ans Stromnetz anschließen wollen. Sie haben ebenfalls keine gesetzlichen Ansprüche und hängen vom Okay des Eigentümers ab, berichtet Ulrich Ropertz, Jurist und Sprecher des Deutschen Mieterbundes in Berlin. Das Mietrecht hinkt - wie das WEG-Recht - der aktuellen Entwicklung schlicht hinterher. Will ein Mieter seine Wohnung barrierefrei ausbauen, kann er sich auf Sonderregeln berufen. Doch für das Aufladen des E-Autos daheim gibt es keine.

Wer seinen Vermieter dennoch dazu bringt, einem Umbau der Tiefgarage oder des Carports zuzustimmen, wird das in der Regel selbst bezahlen müssen. Plus die Stromkosten, die auf dem Extra-Garagenzähler dann auflaufen. "Ein Umbau kann teuer werden, je nach Aufwand kann das einige Tausend Euro kosten", sagt Happ. Der Stromversorger muss auch mitspielen. Zieht der Mieter irgendwann einmal aus, läuft er auch noch Gefahr, die Ladestation auf seine Kosten wieder ausbauen zu müssen, ähnlich wie bei Umbauten in der Wohnung selbst.

Der Umbau kann sich für Eigentümer und Mieter rechnen

Ropertz rät interessierten Mietern, sich die Zustimmung des Vermieters auf jeden Fall schriftlich geben zu lassen und zu vereinbaren, dass der Stromanschluss in der Garage auch nach einem Auszug bleiben darf. Möglich ist auch, mit dem Vermieter eine angemessene Entschädigung festzulegen, für den Fall, dass die Installation zurückbleibt. Eigentlich könnten sich Vermieter mithilfe modernisierter Garagen einen Wettbewerbsvorteil am Wohnungsmarkt verschaffen, sind Experten überzeugt. Was die 22 Millionen Mietverhältnisse bundesweit angeht, haben bislang aber nur wenige das erkannt.

Dabei können Vermieter ihre Aufwendungen zur Ausstattung von Garagen mit Elektrizität steuerlich abschreiben, wie Uwe Rauhöft, Geschäftsführer des Neuen Verbands der Lohnsteuerhilfevereine (NVL) erläutert. Ein Umbau der selbstgenutzten Garage, in dem das Privatauto steht, kann sich aber auch für Eigentümer wie Mieter rechnen. Der Handwerkerlohn darf als haushaltsnahe Dienstleistung in die Steuererklärung hinein und drückt direkt die Steuerlast.

Gesetzesinitiativen sollen die Lage verbessern

Für E-Auto-Fans, die bislang am Unwillen ihrer Nachbarn oder Vermieter gescheitert sind, gibt eine neue Bundesratsinitiative von Bayern und Sachsen wenigstens Anlass zur Hoffnung. Ziel des Gesetzentwurfs der beiden Länder: Zum einen im Wohnungseigentumsgesetz das Mitspracherecht der Miteigentümer neu zu regeln. Wer sich eine Ladestation in die Garage bauen möchte, soll künftig nicht mehr von der Zustimmung der Nachbarn abhängig sein. Eine Blockade solle nur noch in Ausnahmefällen zulässig sein, wie Stürzer erklärt. Zum anderen soll auch das Mietrecht entsprechend aktualisiert werden. Über eine Sonderregelung könnten Mieter dann vom Eigentümer verlangen, dass er die Steckdose für das elektrische Fahrzeug erlaubt.

Ob der Gesetzentwurf im Bundestag in dieser Form durchgehe, sei allerdings offen, betont Happ. Die Bundesregierung arbeitet anscheinend an einem eigenen Gesetzentwurf. Es ist also nicht absehbar, wann es mit der Lademisere in deutschen Tiefgaragen vorbei ist.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: