Showcars sind wie Showstars: Nach dem Auftritt ist der Lack ab. Auf der IAA stehen reihenweise aufgeschminkte Allerweltsautos. Auf dem Weg in die Serie werden sie viel Eleganz verlieren. Auch das jüngste Konzeptfahrzeug von BMW könnte so ein Messe-Bluff sein. Lange Motorhaube, fließende Dachlinie und kurze Überhänge: typische Coupé-Proportionen. Zu schön, um wahr zu sein. Zumindest für ein Elektroauto. Klaus Fröhlich widerspricht energisch: "Wir liefern das, was wir versprechen", sagt der angriffslustige BMW-Entwicklungsvorstand, "das Auto geht so in Serie."
Warum nicht gleich so? Jahrelang haben die Münchner fast tatenlos zugeschaut, wie Tesla zur Kultmarke aufgestiegen ist. Als Stadtauto konnte der BMW i3 den Langstrecken-Stromern aus Kalifornien nie Paroli bieten. "Wir haben uns bewusst entschieden, die Heckantriebsarchitektur nicht schon 2014 auf batterieelektrische Fahrzeuge auszuweiten", kontert Fröhlich, "für die Reichweite, die wir im BMW i Vision Dynamics darstellen, hätte das damals ein Batteriegewicht von einer Tonne bis 1,2 Tonnen bedeutet. Wir wollten keinen 2,5-Tonner bauen, um dann im Durchschnitt 1,1 Personen zu bewegen."
600 Kilometer Normreichweite gibt BMW für die Studie an und einen Sprint von null auf 100 km/h in vier Sekunden. Das spricht für Elektromotoren an der Vorder- und Hinterachse sowie eine Batteriekapazität von rund 100 Kilowattstunden. Aber wie bringt man zwei Europaletten mit Energiespeichern in einem Coupé unter?
Nicht ohne Grund wachsen die allermeisten Stromer in die Höhe. Unter den gesamten Fahrgastraum muss ein knapp 20 Zentimeter hohes Akku-Paket passen. Statt zu schnittigen Sportlern mutieren viele Stromer daher zu massigen Hochdachautos. Dank des SUV-Trends fällt das nicht weiter auf. Bis die Kunden merken, dass solche 2,5-Tonner auch wegen ihres Luftwiderstands alles andere als umweltfreundlich sind. Tesla baut als bisher einzige Marke Batterieautos mit niedriger Coupé-Silhouette in hohen Stückzahlen. Aber wie machen die das bloß?
Elektroauto zum Preis eines Benziners
Klar ist: Die Münchner wollen einen echten Tesla-Fighter bauen, wie er in der Branche genannt wird. Die Länge von 4,70 Meter entspricht dem Model 3 oder BMW 4er Gran Coupé. Mit 1,39 Meter Höhe soll die Dachlinie aber noch eine Hand breit niedriger liegen. Ziemlich schnittig für eine Öko-Kiste, jedenfalls deutlich eleganter als der pummelige BMW Next 100 von vor einem Jahr. "Die neue Studie war die anspruchsvollste Übung", so Fröhlich, "das kompakteste, flachste Auto mit der höchsten Fahrleistungsanforderung und dem kleinsten Raum für den Energiespeicher."
Die Zukunft, soviel ist jetzt schon klar, sieht bei BMW nicht viel anders aus als die Gegenwart. Weil es die Kunden so wollen. Aber unter der Haube ändert sich einiges. BMW wird versuchen, trotz der großen Batteriereichweite unter zwei Tonnen Gesamtgewicht zu bleiben. Eine komplette Karbon-Karosserie wie im i8 wäre jedoch zu teuer. Auf dem Wiener Motorensymposium hat BMW angekündigt, Stromer zum Preis eines vergleichbar starken Benziners anbieten zu wollen (derzeit rund 50 000 Euro). Das klappt aber nur, wenn beide Antriebsvarianten vom selben Fließband laufen. Deshalb besinnt sich BMW beim i Vision Dynamics auf eine Mischbauweise aus Stahl, Aluminium und Karbon. Künftig kommt das hochfeste Leichtbaumaterial aus der Strickmaschine. Zum Beispiel für die filigranen Dachholme des Coupés. Entscheidend ist, dass sich die hohlen Freiformteile in allen BMW-Werken ohne Zeitverlust montieren lassen.
Zentraler Knackpunkt im Rennen mit Tesla bleibt aber die Batterie-Technologie. Die Kalifornier haben bisher Laptop-Zellen vom Typ 18650 verwendet. "Die Energiedichte dieser Rundzellen liegt etwa 50 Prozent über denen, die bisher in der Automobilindustrie eingesetzt wurden. Dadurch wird ein Drittel Material- und Herstellungskosten eingespart", erklärt Batterieexperte Dirk Uwe Sauer von der TU Aachen. Im Model 3 kommen erstmals neue 2170-Akkus zum Einsatz. Entscheidender Vorteil der kleinen Zylinder mit 21 Millimeter Durchmesser und 70 Millimeter Länge: noch mehr Aktivmaterial im Verhältnis zur Hülle. So können die Kalifornier ihre Energiedichte um weitere 50 Prozent steigern und die Kosten nochmals um ein Drittel senken. Oder wie Tesla-Chef Elon Musk typisch selbstbewusst sagt: "Die Zelle hat die höchste Energiedichte in der Welt, und sie ist auch die billigste."