Elektromobilität:Elektroautos - Deutschland fährt der Zukunft hinterher

Vor knapp einem Jahr gab die Bundesregierung ihre ehrgeizigen Pläne zum Ausbau der Elektromobilität in Deutschland bekannt. Geschehen ist blamabel wenig. Wo bleibt das Feuerwerk der Ideen? Im Ausland dagegen nimmt der Zukunftsmarkt Gestalt an.

Günther Fischer

Es ging um nicht weniger als eine technologische Zeitenwende. Dem Elektroantrieb müsse Vorfahrt eingeräumt und die Batterietechnik vorangetrieben werden. 2020, in zehn Jahren also, sollten bereits eine Million Elektrofahrzeuge auf deutschen Straßen summen und sirren, auch dank entsprechender Infrastruktur.

Überhaupt sollte Deutschland dann der Leitmarkt für Elektromobilität geworden sein. Das alles steht auf 53 eng beschriebenen Seiten, die die deutsche Bundesregierung vor knapp einem Jahr als "Nationalen Entwicklungsplan Elektromobilität" vorgestellt hat.

Ein Feuerwerk an Ideen wurde erwartet. Erhofft wurden funkensprühende Entwicklungen und neue seriennahe Produkte. Was aber ist aus den vielversprechenden und ehrgeizigen Plänen geworden?

Nüchtern betrachtet: fast nichts. Das meiste liest sich ein Jahr später wie Vorlesetexte aus dem Wunderland der Elektromärchen.

Schon die Zulassungszahlen sprechen Klartext: Bis Ende 2009 waren exakt 1588 Elektrofahrzeuge auf Deutschlands Straßen unterwegs. Im ersten Halbjahr 2010 kamen gerade einmal 54 (!) hinzu. Optimistisch betrachtet könnten es in diesem Jahr insgesamt 150 Fahrzeuge werden. Einer Studie des Car-Center Automotive Research an der Universität Duisburg folgend könnte sich die Zahl bis 2011 auf 500 erhöhen - und im Jahr 2012 auf immerhin schon 5000 steigen.

"Hintergrund für diesen hohen Zuwachs ist aber nur die erwartete Serienproduktion des Elektro-Smart", sagt Professor Ferdinand Dudenhöffer vom Car-Center. "Unsere Hochrechnung zeigt, dass bis 2020 dann mit knapp 300.000 Batterie-angetriebenen Elektrofahrzeugen gerechnet werden kann." Mit Hybrid- und anderen Fahrzeugen wären es unter Umständen an die 500.000.

Womit Deutschland das Klassenziel deutlich verfehlt.

Anderswo wird "Gas" gegeben

Bisher waren die Hauptargumente gegen Elektrofahrzeuge immer der viel zu hohe Batteriepreis, die Reichweite, die Ladezeit und die fehlende Infrastruktur. Dabei ist die Rechnung einfach: Je besser die Batterie, desto größer die Reichweite und kürzer die Ladezeit. Die Arbeit an Hochleistungsbatterien ist also ein Markt der Zukunft, der "bis 2025 auf ein Volumen von über 130 Milliarden Euro steigt", führt Dudenhöffer in seiner Studie aus.

Da verwundet es nicht, dass die Administration des US-Präsidenten Barack Obama allein die Errichtung des Batteriewerks des koreanischen Unternehmens LG Chem Ltd. in Holland/Michigan mit 151 Millionen Dollar unterstützt (es baut unter anderem die Akkus für den Nissan Leaf). Der Regierungschef kam auch zur Grundsteinlegung am 15. Juli.

Das ist aber noch nicht alles: Insgesamt stellt die US-Regierung 2,4 Millarden Dollar zur Verfügung, um Projekte wie ein solches Batteriewerk zu unterstützen.

Auch Japan unterstützt mit sehr viel Geld die Entwicklung besserer Batterien, mit dem Zielm, die Preise dafür bereits bis Ende 2010 zu halbieren. Um das Elektroauto zum Massenprodukt zu machen, haben sich zudem die japanischen Unternehmen Nissan Motor, Mitsubishi Motors und Fuji Heavy Industries sowie der Strombetreiber Tokyo Electric Power (TEPCO) zusammengeschlossen. Die Allianz will die Infrastruktur in Japan sowie Batterieauflade-Stationen ausbauen und vereinheitlichen.

China wiederum stellt in seinem Plan "Automotive Industry Promotion Policy Coordination" umgerechnet zehn Milliarden Euro für die Förderung der Elektromobiltät bereit.

Deutschland kümmert sich um E-Busse. Das ist doch auch etwas.

Selbst private Unternehmen wie zum Beispiel "Better Place" (gegründet vom Ex-SAP-Manager Shai Agassi) mit Pilotprojekten in Israel, Japan und Dänemark führen inzwischen vor, wie Akkutauschtechnik und der Aufbau von Infrastruktur vor sich gehen kann. Für den Bau der entsprechenden Elektroautos hat sich Better Place schon lange den Autokonzern Renault-Nissan als Partner beteiligt.

Batteriekapazitäten werden derzeit vor allem außerhalb Deutschlands aufgebaut. Und das in hohem Tempo. Die Automotive Energy Supply Corporation (AESC), ein Joint Venture zwischen dem japanischen NEC-Konzern und Nissan, weitet gerade seine Kapazitäten auf rund 500.000 Hochleistungsbatterien aus. Sie werden in Japan, USA, Großbritannien, Frankreich und Portugal hergestellt.

Die Firma Primearth EV Energy Co. wiederum, eine Verbindung von Toyota und Panasonic, hat bereits mehr als drei Millionen Hochleistungs-Batteriepacks produziert und stockt seine Kapazitäten ebenfalls zügig auf. Und das sind nur zwei Beispiele von vielen.

2015 werden weltweit neue Produktionskapazitäten für mehr als 2,5 Millionen Batteriesets aufgebaut sein, erläutert die Car-Center-Studie. Deutschland wird daran mit rund 50.000 Sets beteiligt sein - also mit weniger als zwei Prozent. Und die werden fast ausschließlich vom Essener Evonik-Konzern und seinem Ableger im sächsischen Kamenz kommen.

Und was macht Deutschland sonst noch? Es forscht vor sich hin, ein bisschen hier, ein bisschen da, mit bescheidenem Budget, brav dem föderalen Prinzip folgend.

Eines der "Musterprojekte" sind acht über Deutschland verstreute Modellregionen, die unter der Federführung des Bundesverkehrsministeriums mit einem Budget von matten 115 Millionen Euro im Rahmen des Konjunkturpakets II finanziert werden.

Ein Beispiel: In der Modellregion Rhein-Main soll die Elektromobilität entlang der "Buslinie 103" demonstriert werden. Ferdinand Dudenhöffers ätzender Kommentar: "Während in den USA der Bau von Hochleistungsbatterien unterstützt wird, konzentriert sich die Elektromobilität in dieser Modellregion auf die Buslinie 103 ... Krasser kann ein Gegensatz nicht ausfallen."

Anderswo in Deutschland sieht es nicht viel besser aus.

Das wenige Fördergeld kommt zudem nicht einzelnen, wirklich wichtigen Projekten zugute, sondern wird breit gestreut - was Doppelt- und Dreifachforschungen zur Folge hat. Da bekommt die Hochschule Bochum eine Förderung von 1,7 Millionen Euro für die Entwicklung eines Elektrotransporters, während Ford ein solches Modell schon längst gebaut und in der Serienerprobung hat.

An der TU München wiederum werkeln etliche Professoren an der Entwicklung eines eigenen Elektroautos - immerhin ohne staatliche Gelder. Dennoch stellt sich auch hier die Frage: Warum nicht mit vereinten Kräften? Immerhin haben BMW und Mercedes solche Vehikel längst in der Erprobung.

Ein Großteil der Projekte befasst sich außerdem mit der Entwicklung und dem Einsatz von Elektrorollern und Elektrofahrrädern. Solche Produkte können allerdings längst als China-Export in fast jedem Baumarkt gekauft werden.

Wird die Elektrorevolution also überhaupt kommen, wird es eine Abwrackprämie für Verbrennungsmotoren geben? Sicherlich, in Deutschland aber eher später.

Martin Winterkorn, Chef des Volkswagen-Konzerns, verkündet ohnehin seit geraumer Zeit stets: "Wie die automobile Welt in zehn Jahren aussieht, ist offen", so der große Skeptiker aus Wolfsburg. "Das rasante Veränderungstempo unserer Branche und der Weltwirtschaft macht seriöse Vorhersagen nahezu unmöglich."

Elektroautos, Batterietechnik, Infrastruktur und Ladestationen sowie Ökostrom: In allen, wirklich allen Bereichen ist die Bundesrepublik ins Hintertreffen geraten.

Die von der Regierung so ehrgeizig vorgegebenen Ziele sind, das ist jetzt schon klar, bis 2020 nicht mehr zu schaffen. Die Chancen, auch was Arbeitsplätze und mögliche Unternehmensgewinne betrifft, werden leichtfertig preisgegeben, der Zug in die Zukunft fährt im Ausland ab. Das Land ist dabei, seine zweite industrielle Revolution zu verspielen.

Es sprühen keine Funken.

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