Digitalisierung, autonomes Fahren, Elektromobilität - diese Herausforderungen gelten länder- wie branchenübergreifend. Trotzdem sind die Industrienationen von weltumspannenden konzertierten Aktionen weit entfernt. Während sich etwa die Chinesen per Dekret den im Endstadium flächendeckenden E-Antrieb verordnet haben, verzichten die völlig anders gepolten USA bewusst auf eine adäquate Besteuerung fossiler Kraftstoffe.
Was das bedeutet, kann man in Manhattan erleben: Staus, Abgase, Einheitstaxis mit Benzinmotor bis 2023, gerade mal 16 Schnellladestationen, ein paar Dutzend E-Busse. Und jede Menge großvolumige Achtzylinder, sowohl draußen im Straßenverkehr als auch drinnen im Jacob Javitz Center, wo die New York Auto Show den Traum vom American Way of Driving weiterträumt, mit bis zu 6,2 Liter Hubraum und über 700 PS.
Automobilindustrie:Darum haben US-Autos in Europa keine Chance
Trump liebäugelt mit Strafzöllen für deutsche Autos und will damit die eigenen Hersteller stärken. Doch US-Fahrzeuge und europäische Kunden, das sind zwei Welten.
Kein US-Hersteller profitiert von der ökofeindlichen Politik der Trump-Administration so nachhaltig wie FCA (Fiat Chrysler Automobile). Denn nur weil der Sprit viel zu billig ist, verkaufen sich die durstigen Jeep Off-Roader, die gewichtigen Ram Pick-ups und die brabbelnden Dodge Muscle-Cars unverändert gut. Das einzige grüne Feigenblatt auf der aktuellen FCA-Landkarte ist der Pacifica Plug-in-Hybrid, mit dem Chrysler vor allem in Kalifornien erfolgreich über seinen eigenen Imageschatten springt.
Weil der FCA-Chef Sergio Marchionne 2019 zu Ferrari wechseln und die einst marode Firma auf Hochglanz poliert übergeben will, wurden Investitionen drastisch zurückgefahren. Auf der Suche nach einem neuen vollelektrischen FCA-Produkt kommt man daher über den Maserati Alfieri bislang nicht hinaus, und selbst der ist noch ein Phantom. Marchionne hat zwar angekündigt, sich bis 2022 vom Diesel trennen zu wollen und die Hälfte des Portfolios zu elektrifizieren - aber damit sind möglicherweise ausschließlich Plug-in-Hybride gemeint.
Neue Plug-in-Hybride? Werden vor allem gestrichen
In Zusammenarbeit mit dem Zulieferer ZF haben die FCA-Ingenieure ein Plug-in-Modul konzipiert, das eine breite Palette abdeckt. Die Eckdaten für Leistung (53 kW) und Drehmoment (248 Newtonmeter) bleiben von Modell zu Modell nahezu unverändert, doch die Größe der Batterie (von zwölf bis 20 Kilowattstunden) orientiert sich am Fahrzeuggewicht. Auf der CES in Las Vegas hatte Chrysler die Elektrostudie Portal präsentiert. Zu den Kandidaten für die Doppelherz-Technik gehörten ursprünglich auch ein neuer Crossover (CUV) für Chrysler und Dodge (gestrichen), die neuen Jeep-Modelle Wagoneer und Grand Wagoneer (ebenfalls gestrichen) sowie die Nachfolger von Dodge Charger und Jeep Grand Cherokee (verschoben).
Die drohende Produktflaute wirft mittlerweile die Frage auf, wie es mit den US-Marken von FCA weitergehen soll. Gerüchteweise ist zu hören, dass Chrysler, Dodge und Ram langfristig nicht überleben können, und dass ein Verkauf von Jeep nach wie vor im Raum steht. Doch nachdem Gespräche mit VW, Great Wall und Hyundai (um nur einige zu nennen) bislang kein greifbares Ergebnis brachten, ist die Zukunft des Kleinsten der US-Big-Three ungewiss.
Ford plant 16 Elektroautos und 24 Hybridmodelle
Ford-Chef Jim Hackett hat vor kurzem in einer Grundsatzrede den Begriff Elektrifizierung für seine Marken präzisiert. Bis 2022 will Ford demzufolge 24 neue Hybridmodelle und 16 reine E-Autos bringen. Dafür nimmt Ford elf Milliarden Dollar in die Hand, schafft mit dem Team Edison eine eigene Task Force und stellt damit automatisch die etablierte Prozesskette infrage.
Während die gemeinsam mit Magna konzipierten Plug-in-Hybride im Mix mit weitgehend baugleichen Verbrennern vom Band laufen sollen, müssen die Anlagen für die Produktion der neu entwickelten Batterie-Fahrzeuge umgerüstet werden. Davon könnte auch das Kölner Werk betroffen sein, wo man eine skalierbare und entsprechend flexible Konvergenzplattform favorisiert, die mit unterschiedlichen Antriebsaggregaten individuell bestückt werden kann. Die Vorgaben für die Technikbausteine, deren Konfektionierung und die Abläufe werden von Detroit mitbestimmt.
Bei den Plug-in-Hybriden fungiert Magna als Systemlieferant. Die Bandbreite der Applikationen reicht dem Vernehmen nach vom Dreizylinder (plus E-Baustein mit 88 kW, 158 Newtonmetern und 7,6 Kilowattstunden) bis zum V6 (mehr als 100 kW, 250 Newtonmeter, 23 Kilowattstunden). Die Fertigung der E-Autos soll in Mexiko gebündelt werden.
Der erste komplett neue Ford ohne Tank und Kraftstoffpumpe ist das Model E mit dem Kürzel CX 727, das ab Frühsommer 2020 als Weltauto mit bis zu 500 Kilometer Reichweite verfügbar sein dürfte. Wenig später folgt mit dem Mach 1 der erste emissionsfreie Crossover der Marke. Bis 2022 sind auf gleicher Basis auch ein Schrägheck und ein SUV fix eingeplant.
US-Autoindustrie:Heute Pick-ups, morgen Elektroautos
Auf der Detroit Motor Show präsentieren sich General Motors, Fiat-Chrysler und Ford altmodisch. Doch im Hintergrund planen die Konzerne einige E-Mobile, die auch für Europa interessant sind.
Nach wie vor heiß diskutiert wird eine mögliche Zusammenarbeit mit VW. Als Aufhänger diente ursprünglich der auch als E-Version verfügbare Ford Ranger, der eine viel solidere Pick-up-Alternative wäre als die hauseigene MQB-Designstudie von der Messe in New York. O-Ton Wolfsburg: "Das sind vorläufig nur Sondierungsgespräche, nichts weiter. Aber wir unterhalten uns in diesem Rahmen natürlich auch über andere mögliche Schnittstellen."
Obwohl alle Zeichen auf Teilen stehen, will GM (General Motors) den Paradigmenwechsel nahezu im Alleingang stemmen. Bis 2026 soll die Elektroauto-Produktion des Marktführers die Eine-Million-Schallmauer knacken. Wichtigstes Mittel dafür ist ein neuer, nur auf das Elektroauto zugeschnittener Baukasten, dessen Abmessungen und Inhalte nahezu frei konfigurierbar sind. Diese im ersten Schritt eine Milliarde Dollar teure BEV 3.0-Matrix soll 2021/22 in den Null-Emission-Nachfolgern der Chevrolet-Modelle Volt und Bolt debütieren.
GM plant E-Autos in drei Fahrzeugklassen
Kernstück der BEV 3.0-Strategie ist die von 2021 an verfügbare EME 1.0 Batterie. Das Kürzel EME steht für Electric Mobility for Everyone. Der mit LG Chem entwickelte Akku halbiert den Anteil seltener Erden und senkt so die Kosten. Die Motoren und die Leistungselektronik werden im eigenen Technikzentrum konfektioniert, wobei das Gesamtpaket für das komplette Spektrum vom Kleinwagen bis zum Offroader geeignet sein soll.
Die E-Offensive von GM konzentriert sich auf drei Fahrzeugklassen: Kleinwagen und Budget Cars, Kompaktwagen und untere Mittelklasse, obere Mittelklasse und SUVs. Schon in knapp drei Jahren steht die erste Feuertaufe auf dem Programm, denn dann startet in China ein E-Auto für weniger als 10 000 Dollar, das später auch in Entwicklungsländern angeboten werden soll. Wie alle BEV 3.0-Derivate kann selbst die kleinste Plattform mit diversen Hüten vom Fünftürer über Limousine und Kombi bis zum Crossover versehen werden. In der nächsthöheren Klasse stehen zusätzlich ein Mehrzweckfahrzeug (MPV) und ein SUV auf der Wunschliste des Vertriebs. Analog zum Elektrobausatz von VW will GM in allen Kategorien messbar mehr Auto fürs Geld anbieten und gleichzeitig die Herstellungskosten um bis zu ein Drittel senken.
Der E-Hype klingt vielversprechend
Auch am oberen Ende der Prestige-Skala stehen diverse Karosserievarianten zur Auswahl. Buick plant etwa eine große E-Limousine, Cadillac denkt über ein luxuriöses Coupé nach und hatte mit dem Escala eine Studie einer künftigen Luxus-Limousine präsentiert. Auch eine Bonsai-Version des Escalade steht zur Diskussion. In allen Fällen funktioniert die Batterieschublade als tragendes Element, das von einem separaten Kreislauf gekühlt wird.
Der E-Hype klingt vielversprechend, dürfte aber im Land der unbegrenzten Möglichkeiten zunächst mal einen massiven Kulturschock auslösen. Ein autonom fahrender Pick-up mit E-Antrieb - für viele Amerikaner dürfte das außerhalb jeder Vorstellung liegen. Hinzu kommen die verbreitete Reichweitenangst und die fehlenden Lademöglichkeiten. Anders als in Peking, wo gerade im Akkord 600 000 Ladestationen aus dem Boden gestampft werden, plant New York bis 2025 gerade einmal 50 Power-Charger mit bis zu 20 Standplätzen. Wenn die alle besetzt sind, so behaupten zumindest böse Zungen, dürften ringsum die Lichter ausgehen.