Süddeutsche Zeitung

Elektromobilität:Gleiten statt hetzen

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Das Angebot an kleineren Elektroautos wächst, dank der Umweltprämie werden sie zunehmend attraktiv. Ein Test zeigt, dass die Hersteller im mittleren Preissegment unterschiedliche Akzente setzen.

Von Peter Fahrenholz

Wer als Autolaie einen Verbrenner, ganz gleich ob Diesel oder Benziner, gekauft hat, konnte sich stets an relativ wenigen Parametern orientieren: PS-Zahl, Durchschnittsverbrauch, Preis. Auch die Größe des Kofferraums gehörte zu den Vergleichskriterien. Wie weit man mit dem Auto fahren konnte, spielte dagegen kaum eine Rolle. Spätestens wenn die Tankanzeige auf Reserve ging, hat man halt die nächste Tankstelle angesteuert.

Bei Elektroautos ist das ganz anders. Hier spielt die Reichweite für die meisten Interessenten die entscheidende Rolle. Wie weit kommt man mit dem Auto, bis es an die nächste Ladesäule muss? Wie muss man das Auto fahren, um die Reichweite zu schonen, welche Faktoren führen dazu, dass sie dahinschmilzt? Denn mit dem Ladestopp ist es etwas anderes als mit dem Tankstopp. Nicht nur, weil es noch immer viel zu wenige Ladesäulen gibt. Sondern auch, weil das Laden dauert. Wahlweise sehr lang (an der heimischen Steckdose), immer noch stundenlang (an einer privaten Wallbox oder normalen öffentlichen Ladesäule) oder eine ausgedehnte Kaffeepause lang (an einer Schnellladesäule).

Ungeachtet dessen wächst das Angebot an Elektroautos beständig, und zwar endlich auch in Preisregionen, die sich das Gros der potenziellen Kunden auch leisten können. Dazu trägt natürlich auch die staatliche Umweltprämie bei, manchmal noch ergänzt um Extrarabatte des Herstellers. Das drückt die Preise in die Nähe vergleichbarer Verbrenner und erhöht so die Bereitschaft auf den Systemwechsel hin zum E-Auto. Die meisten, die diesen Wechsel einmal gewagt haben, wollen danach nie mehr zurück. Darin liegt die größte Chance, dass sich die Elektromobilität am Ende doch durchsetzt.

Die SZ hat zuletzt zwei neue, kleinere Elektroautos getestet, die sich dank der Fördermöglichkeiten in der Preisregion zwischen 20 000 und 30 000 Euro bewegen: den Opel Corsa-e und den Mazda MX-30. Und dabei das Hauptaugenmerk auf die Reichweite gelegt. Wie groß ist sie tatsächlich? Wie zuverlässig stimmt die angezeigte Reichweite mit den tatsächlichen Kilometern überein? Wie stark schwankt der Stromverbrauch? Was ist die kürzeste mögliche Ladezeit?

Klar, dass ein kleineres E-Auto nicht mit den Reichweiten der großen, schweren und sündteuren Stromern der Luxusklasse mithalten kann. Ein vergleichbar großer Akku würde schlicht nicht hineinpassen und zudem viel zu schwer sein.

Der Opel Corsa-e hat einen 50 kWh Akku an Bord und der soll laut Werksangaben für eine maximale kombinierte Reichweite von 334 Kilometern nach dem neuen WLTP-Prüfzyklus gut sein. Im innerstädtischen Betrieb, wo viel Stop-an-Go-Verkehr für mehr Rekuperation sorgt, soll das Auto sogar 414 Kilometer weit kommen. Das hört sich für einen 4,06 Meter langen Kleinwagen sehr gut an. In der Praxis kommt man an diese Werte jedoch nicht heran. Der Reichweitenanzeiger des SZ-Testwagens zeigte auch bei Vollladung nie mehr als 290 Kilometer. Umso wichtiger ist es, wie zuverlässig die Reichweitenanzeige ist, inwieweit also der vom Bordcomputer angezeigte Kilometerverbrauch mit der tatsächlich gefahrenen Strecke übereinstimmt. Der Opel macht es seinem Fahrer hier im zweifacher Hinsicht nicht ganz leicht. Zum einen schwankt die Reichweitenanzeige, wie bei vielen anderen E-Autos, je nach aktueller Fahrweise stark hin und her. Zum anderen zeigt der Corsa die Reichweite nur in Zehnerschritten an. Dafür bietet er dem Fahrer die Möglichkeit, seinen Verbrauch selber zu beeinflussen, und zwar über drei unterschiedliche Fahrmodi, die erfreulich weit gespreizt sind. Im Eco-Modus spürt man eine deutliche Leistungsreduktion, man glaubt kaum, in einem Elektroauto zu sitzen. Im Normalmodus ist der Wagen deutlich spritziger unterwegs und im Sportmodus wird aus dem Kleinwagen plötzlich ein straff abgestimmter Flitzer, der auch in engen Wechselkurven Spaß macht. Für den Kolonnenverkehr auf der Autobahn oder das gleichmäßige Fahren auf der Landstraße reicht der Eco-Modus völlig aus, bei einem Überholvorgang schaltet man einfach in einen der höheren Modi. Im Eco-Modus war der angezeigte Kilometerschwund nur wenig höher als die tatsächliche Strecke, auch bei Stadtfahrten im Normalmodus war die Abweichung gering. Lediglich bei einer längeren Vollgasfahrt auf der Autobahn im Sportmodus lag die laut Display verbrauchte Reichweite deutlich über den tatsächlich gefahrenen Kilometern.

Den von Opel angegebenen Stromverbrauch von 16,6 kWh/100 Kilometer konnte der SZ-Testwagen nicht erreichen, im Schnitt lag der Verbrauch bei knapp über 20 kWh/100 Kilometer. Sowohl äußerlich wie auch im Innenraum verzichtet Opel auf jeden Schnickschnack, der Corsa-e unterscheidet sich hier kaum von seinen Verbrennerbrüdern.

Mazda geht mit dem MX-30 ganz bewusst einen anderen Weg. Das fängt schon beim Design an. Der E-Mazda ist unterscheidet sich hier klar vom Rest der Modellpalette. Er kommt mit sogenannten Portaltüren daher, so wie der BMW i 3, die hintere Tür öffnet sich in Gegenrichtung, aber erst, wenn die Vordertür offen ist. Und wie beim i3 sieht das zwar schick aus, ist aber äußerst unpraktisch. Schon hinten einzusteigen ist wegen der hohen Einstiegsleiste mühsam, sich aus dem Auto wieder herauszuwinden, ist für größere Passagiere eher ein Fall fürs goldene Sportabzeichen. Und die sehr kleinen hinteren Fenster verstärken das leicht klaustrophobische Gefühl auf der Rücksitzbank. Im Innenraum setzt der Mazda gegenüber dem konventionellen Opel attraktive Akzente mit hochwertigen Materialien. Noch deutlicher sind die Unterschiede beim Antriebskonzept. Denn Mazda setzt mit voller Absicht auf einen kleinen Akku mit 35,5 kwH. Das führt zu einer Reichweite von lediglich 200 Kilometer laut WLTP. "Rightsitzing" nennen die Japaner das Konzept, ein kleinerer und damit leichterer Akku sei mit Blick auf die CO₂-Bilanz günstiger.

Das mag in der Theorie stimmen, in der Praxis zeigte der Bordcomputer auch vollgeladen lediglich maximal 188 Kilometer an. Da kann selbst ein Tagesausflug schon zum Problem werden . Anders als der Opel verzichtet Mazda auf unterschiedliche Fahrmodi, der Wagen ist aber mit völlig ausreichender Dynamik unterwegs. Dafür bietet der Mazda seinem Fahrer über Lenkradpaddel vier Rekuperationsstärken an (der Opel verfügt nur über eine zusätzliche). Damit beantwortet Mazda die Frage, ob möglichst viel Rekuperation oder möglichst viel Segeln die energiesparendere Fahrweise ist: Der MX-30 kann beides.

Auch beim Stromverbrauch konnte der Testwagen überzeugen. Auf unterschiedlichen Teststrecken bei moderater Fahrweise zeigte das Display zwischen 17 und 21 kWh/100 km an, Mazda nennt als Durchschnittsverbrauch 19,0 kWh/100 km. Was für längere Fahrten jenseits der heimischen Lademöglichkeiten wichtig ist: Beide Autos verfügen über einen CCS-Schnellladeanschluss und können so in gut 30 Minuten zu 80 Prozent geladen werden.

Nichts für Autobahnraser

Notorischen Autobahnrasern werden beide Autos nicht gefallen. Denn um den Akku zu schonen und möglichst viel Reichweite zu ermöglichen, wird die Höchstgeschwindigkeit limitiert, beim Opel auf 150 km/h, beim Mazda auf 140 km/h. Wer elektrisch unterwegs ist, fährt nach dem Motto, das in Österreich vor vielen Jahren plakatiert war: gleiten statt hetzen.

Preislich liegen Mazda und Opel nicht weit auseinander. Die First Edition des MX-30 mit zusätzlicher Ausstattung ist mit den Boni von Staat und Hersteller sowie der gesenkten Mehrwertsteuer für 23 654 Euro zu haben. Und laut Mazda gibt es derzeit bei den Händlern auch keine nennenswerten Wartezeiten. Der Corsa-e kostet inklusive Förderung ab 20 000 Euro. Wer ihn jetzt bestellt, muss etwa zwei Monate warten, es gibt bei den Händlern aber auch vorkonfigurierte Fahrzeuge.

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Quelle:
SZ vom 21.11.2020
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