Elektromobilität:Geräuschlos, aber nur in China

Elektroauto Denza

Das Elektroauto Denza kommt in diesen Tagen in China auf den Markt.

(Foto: WGO)

China will die Elektromobilität ausbauen. Um zu profitieren, tun sich deutsche mit den einheimischen Autobauern zusammen. Dabei entstehen Autos wie der Denza - ein E-Mobil, das gut genug für Europa oder Amerika wäre.

Von Jürgen Zöllter

Das Ziel ist klar formuliert: Im Jahre 2020 sollen fünf Millionen Autos auf Chinas Straßen emissionsfrei fahren. Und schon 2016 sollen mindestens 30 Prozent aller Behördenfahrzeuge Stromer oder Benzin-Hybriden sein. Das wünscht die Pekinger Zentralregierung in der Hoffnung, den unter Dauersmog leidenden zahlreichen Millionenstädten Chinas eine lebenswerte Zukunft zu geben.

Dafür nimmt die Regierung aktuell umgerechnet zehn Milliarden Euro in die Hand, richtet Ladestationen ein und lockt Kunden mit Geldgeschenken bis zu 17 000 Euro, wenn sie sich zum Kauf eines Elektromobils entschließen. Der größte Anreiz jedoch besteht in der sofortigen Zuteilung eines Nummernschildes. Eine Rarität. In Shanghai etwa, wo jährlich nur wenige tausend Kennzeichen versteigert werden, verlangt man dafür bis zu umgerechnet 10 000 Euro.

Doch nicht jeder Elektromobilkäufer darf auf staatliche Unterstützung hoffen, denn die Regierung teilt ihr Fördergeld streng nach nationalistischen Kriterien zu. Folglich profitieren nur Kunden davon, die chinesische E-Mobile kaufen. Zumindest solche, die in China hergestellt werden.

Nicht einmal 20 Prozent der Elektromobile in China werden bislang von Privatleuten gefahren

Zwar sind Elektroautos schon seit Jahren in China unterwegs, doch meist als Taxen, Leihwagen oder Busse. Nur 16 Prozent der 27 400 Elektromobile auf Chinas Straßen wurden Ende 2012 von Privatkunden gefahren. Eine dramatische Steigerung gab es 2013 nicht. Eine jetzt initiierte Kampagne soll der Elektromobilität endlich zum Durchbruch verhelfen und China im weltweiten Vergleich zum Elektromobil-Pionier erheben. So darf es nicht verwundern, dass auch deutsche Premiumhersteller ihre Chancen wittern. Die Strategien sind freilich unterschiedlich.

Während Volkswagen die größte Elektromobil-Offensive des Landes ankündigt und dafür bestehende und in China hergestellte Modellreihen zu EVs umrüstet, bietet BMW einen modifizierten und auf Elektrobetrieb ausgelegten X1 als Zinero 1E leihweise an. Daimler zieht jetzt nach und möchte gleich an die Spitze der Bewegung durchstarten. Beim weltgrößten Hersteller von Smartphone-Akkus, von BYD in Shenzhen, lassen die Stuttgarter den Denza bauen, eine Art Mercedes B-Klasse mit Elektroantrieb. Kunden zahlen dafür umgerechnet 45 700 Euro. 14 900 Euro bekommen sie dann vom Staat zurückgezahlt.

Der erste nur im Ausland entwickelte Daimler

Der Denza wurde von Daimler entwickelt, den Elektroantrieb mit Batterietechnik steuert BYD bei. Dafür gründeten beide Firmen das 300 Millionen Euro schwere Joint-Venture-Unternehmen BDNT (BYD Daimler New Technology Co., Ltd.) in Shenzhen und riefen Denza als Markennamen aus. "Der Denza ist das erste Auto, das Daimler komplett außerhalb Deutschlands entwickelt hat", sagt der deutsche Denza-Chef Hubertus Troska. Zwar habe die Entwicklung mit der B-Klasse begonnen, räumt der fürs operative Geschäft verantwortliche Arno Röhringer ein, doch dann habe man sukzessive umkonstruiert.

So fährt mit dem Denza heute ein Fünfsitzer vom Band, der weniger als zehn Prozent Gleichteile mit der Mercedes B-Klasse aufweist, dennoch deren Produktstärken bietet: Er sei das sicherste Elektromobil im chinesischen Markt, behaupten seine Väter. Darüber hinaus bietet er bei 288 Millimeter Radstand innen die größte Bewegungsfreiheit, angeblich sogar mehr als die E-Klasse. Und mit 460 Liter Fassungsvermögen bietet der Denza den größten Kofferraum und einen Mercedes-typischen Fahrkomfort.

Zügig, aber nicht rasant

Das Denza Elektroauto

Der Denza hat eine Reichweite von etwa 300 Kilometern - deutlich mehr als bei den meisten Elektroautos.

(Foto: STG)

Mit einer Stromladung fahre er knapp mehr als 300 Kilometer weit, verspricht Chefentwickler Frank Schweickardt. Das ist ähnlich weit wie ein Tesla S rein elektrisch fahren kann, in jedem Fall aber weiter als jedes andere E-Mobil in diesem Preissegment.

Unsere erste Ausfahrt bestätigt, dass viele Versprechen eingelöst werden: Bei 120 Millimeter Bodenfreiheit fürs Fahren auf den Schlagloch-gespickten chinesischen Straßen und auf einem doppelten Unterboden entsprechend hoch sitzend, genießt man einen guten Überblick im Verkehr. Der Viertürer ist problemlos zu fahren: Wahlhebel des Einstufengetriebes auf N, Gas geben, und los geht's! Zügig, wenngleich nicht rasant, beschleunigt der Synchronmotor mit 290 Nm Drehmoment vom Stand weg wie eine Straßenbahn. 14 Sekunden vergehen, bis er 100 km/h erreicht - man fühlt sich angemessen motorisiert.

Wer länger auf dem E-Pedal bleibt, beschleunigt zwar bis 150 km/h, wird ab 120 km/h aber von einem immer lauteren Singen des 86 kW starken Elektromotors unterhalten. Insbesondere in Kurven spürt man den hohen Schwerpunkt des 4,64 Meter langen, aber 1,85 breiten und 1,64 Meter hohen E-Mobils. In Verbindung mit seinem beachtlichen Leergewicht von 2,09 Tonnen bleibt der Denza nicht frei von Wankbewegungen bei Richtungsänderungen. Die für europäische Verhältnisse recht indirekte Lenkung betont obendrein seinen etwas behäbigen Charakter.

Der Denza kann elektrisch so weit fahren wie ein Tesla S. In seinem Segment schlägt er alle

Die im Unterboden weitgehend geschützten Lithium-Eisen-Phosphat-Batterien verlangen wegen ihrer niedrigen Zellen-Spannung keine Extra-Kühlung oder Beheizung. Sie arbeiten problemlos zwischen -20 und +60 Grad Celsius Außentemperatur, wie zu hören ist. Dafür bringen sie stolze 550 Kilo auf die Waage und verfügen über einen Energiegehalt von 47,5 kWh. Geladen werden sie an der Haushaltssteckdose - bis zu 32 Stunden lang. Wer sich eine Wallbox für umgerechnet 2400 Euro leistet, kann mit 400 Volt in weniger als drei Stunden vollladen. Richtig alltagstauglich wird das Laden über einen demnächst erhältlichen 100-kW-Gleichstrom-Anschluss. Nach 30 Minuten gibt es dann schon vollen Saft.

Wer vorausschauend fährt, lernt recht schnell, weitgehend auf die mechanische Fußbremse zu verzichten. Geht der Fahrer vom E-Pedal, arbeitet der E-Motor als Dynamo und rekuperiert. Dabei verzögert der Denza spürbar. Effektiver wären zweifellos noch ein, zwei stärker verzögernde und rekuperierende Stufen, doch die Techniker wollten vermeiden, den chinesischen Kunden mit Wahlmöglichkeiten zu überfordern.

Auch wenn der Federungskomfort nicht ganz hält, was man von einem Mercedes erwartet: Unverständlich bleibt, warum der Denza nicht auch in Märkte außerhalb Chinas geliefert wird. "Vorerst nicht!", heißt es kategorisch. Eigentlich schade, denn technisch und qualitativ sollte das Elektromobil auch in westlichen Ballungsgebieten überzeugen. Funktionell ist der deutsch- chinesische Denza allemal.

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