Süddeutsche Zeitung

Elektromobilität:Die fehlenden Ladesäulen sind ein politisches Versäumnis

Die besten Elektroautos nützen nichts, wenn es keine Infrastruktur zum Stromtanken gibt. Doch warum soll sie nur an Autobahnen entstehen?

Kommentar von Peter Fahrenholz

Manche Nachrichten klingen besser, als sie sind. Wenn jetzt von einem Netz an Schnellladestationen für Elektroautos entlang den Autobahnen die Rede ist und Autokonzerne diesen Aufbau möglicherweise unterstützen wollen, hört sich das zunächst gut an. Um zu verstehen, warum das trotzdem noch kein Grund zum Jubeln ist, muss man weit zurückblättern. Im Mai 2010 wurde bei einem Spitzentreffen der Industrie mit Bundeskanzlerin Angela Merkel die "Nationale Plattform Elektromobilität" ins Leben gerufen. Damals wurden hochtrabende Ziele verkündet. Deutschland solle zum Leitmarkt für Elektroautos werden. Bis 2020 sollten eine Million E-Fahrzeuge auf den Straßen unterwegs sein.

Heute, mehr als sechs Jahre später, kann vom Leitmarkt Deutschland in Sachen Elektromobilität keine Rede sein, und an die eine Million E-Autos bis 2020 glaubt kein Mensch mehr. Dafür gibt es mehrere Gründe. Schon beim ersten Autogipfel 2016 sah sich die Autoindustrie dem Vorwurf ausgesetzt, die Entwicklung verschlafen zu haben. Mittlerweile hat sich hier einiges getan, die Auswahl an Elektrofahrzeugen ist größer geworden. In den nächsten Jahren werden weitere Modelle folgen.

Die fehlende Infrastruktur ist vor allem ein politisches Versäumnis

Keine Frage, das hätte alles schneller gehen müssen und auch schneller gehen können. Aber immerhin scheint die Autoindustrie, auch unter dem Schock des VW-Dieselskandals, aufgewacht zu sein. Auch am zweiten Problem, der mangelnden Reichweite sowie dem hohen Gewicht der Batterien, wird intensiv gearbeitet.

Der Hauptgrund für die fehlende Akzeptanz von Elektroautos bei den Kunden aber ist geblieben: die fehlende Infrastruktur, um die Batterien wieder aufzuladen. Und das ist vor allem ein politisches Versäumnis. Denn Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur sind vor allem eine staatliche Aufgabe. So wie der Staat Geld in den Bau von Flughäfen, Straßen und Schienennetzen gesteckt hat, hätte er auch den Aufbau eines leistungsfähigen Netzes an Ladestationen massiv unterstützen müssen - oder sollte dies nun endlich tun.

Ohne Infrastruktur nützen die besten Produkte nichts

Von Anfang an hätte die Lade-Infrastruktur der Dreh- und Angelpunkt der politischen Strategie sein müssen, um der Elektromobilität zum Durchbruch zu verhelfen. Autos zu akzeptablen Preisen zu entwickeln und eine leistungsfähige Batterietechnologie anzubieten - das ist Sache der Industrie. Aber ohne Infrastruktur nützen die besten Produkte nichts.

Denn warum sollte sich jemand ein Elektroauto kaufen, und sei es noch so preiswert, wenn er im Internet erst mal mühsam nach der nächsten Ladestation suchen muss, die im Zweifel dann schon von anderen Nutzern belegt ist? Und der Hinweis, dass man sein E-Auto ja auch zu Hause an der Steckdose aufladen kann, ist schön für den Eigenheimbesitzer mit Garage, nützt dem Laternenparker in der Innenstadt allerdings herzlich wenig. Abgesehen davon, dass es ewig dauert.

Ladeplätze in den Städten wären wichtiger als die Schnellladesäulen

Zu einer schlüssigen politischen Strategie würde auch gehören, Prioritäten zu setzen. So richtig Schnellladesäulen an der Autobahn sind, um den E-Autobesitzern die Angst zu nehmen, bei einer längeren Fahrt im Nirgendwo zu stranden - wichtiger wären viele, viele Ladesäulen in den Städten. Denn bis auf Weiteres werden Elektrofahrzeuge angesichts der geringen Reichweiten vor allem im Kurzstreckenverkehr unterwegs sein. Und wenn der überwiegend elektrisch wäre, würde das die Umweltprobleme der Städte deutlich entschärfen.

Das alles wird viel Geld kosten, und dafür müssen auch andere Partner gewonnen werden: die großen Wohnungsbauunternehmen mit ihren Tiefgaragen; Firmen mit großen Parkplätzen. Und nicht zuletzt die bislang passiven Energieversorger, die mit den Stromzapfsäulen irgendwann richtig Geld verdienen werden.

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Quelle:
SZ vom 16.11.2016/harl
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