Elektromobilität:Dem Wasserstoffantrieb gehört die Zukunft

Der neue Toyota Mirai.

Der Toyota Mirai ist eines der ersten Wasserstoffautos, das in Serie angeboten wird.

(Foto: HARALD DAWO; Toyota)

Die Technologie ist ausgereift, der Treibstoff lässt sich ohne großen Aufwand herstellen. Ob sich der Antrieb durchsetzt, hängt von anderen Faktoren ab.

Analyse von Ralph Diermann

Keine Frage, die Idee war clever: Bei den Olympischen Spielen 2000 in Sydney schickte General Motors einen Opel mit Brennstoffzellen als Vorausfahrzeug auf die Marathonstrecke. Statt mit schmutzigem Benzin wies das Auto den Läufern mit Wasserstoff den Weg; statt stinkenden Abgasen kam nur Wasserdampf heraus.

Brennstoffzellen-Antriebe stehen kurz vor der Serienreife, hieß es damals. Doch dann wurde es plötzlich still um die Technik - zu teuer, zu komplex, zu risikoreich war den Konzernen das Antriebskonzept. Doch jetzt wagt die Branche einen neuen Anlauf. Und viele Forscher meinen: Wenn die Energiewende im Verkehr gelingen soll, wird man nicht um Wasserstoff herumkommen, wie auch immer man ihn einsetzt.

Toyota und Hyundai haben kürzlich erste Modelle mit Brennstoffzellen auf den Markt gebracht; Daimler und Honda wollen folgen. Die Autos sind mit einem Elektromotor ausgestattet. Auch für solche Modelle wird daher künftig die am Mittwoch verabschiedete Kaufprämie von 4000 Euro gezahlt. Die Energie kommt aber nicht aus einer Batterie, sondern wird an Bord in Brennstoffzellen erzeugt, wo Wasserstoff aus dem Tank mit Sauerstoff aus der Luft reagiert. Dabei fließt Strom. Als Abfallprodukt entsteht nur Wasserdampf, kein Kohlendioxid und keine anderen Schadstoffe.

Jetzt müssen die Kosten runter

Bislang ist der Verkehr der blinde Fleck beim Klimaschutz: Während Energiewirtschaft, Industrie und Haushalte ihre CO₂-Emissionen in den vergangenen Jahren reduziert haben, sind sie laut Umweltbundesamt im Verkehr leicht gestiegen. "Wir brauchen den Wasserstoff-Antrieb für die Langstrecken. Denn die Reichweite von Autos mit Brennstoffzellen ist um ein Vielfaches größer als die der Batterie-Fahrzeuge", sagt Thomas von Unwerth, der den Lehrstuhl für alternative Fahrzeugantriebe der TU Chemnitz leitet.

Technologisch seien die Brennstoffzellen-Fahrzeuge bereits ausgereift. Jetzt müssten die Kosten reduziert werden. Zudem müsse eine Zulieferer-Landschaft entstehen. "Wenn das geschehen ist, wird sich dieses Antriebskonzept schnell durchsetzen", sagt von Unwerth. Auch die Zahl der bislang deutschlandweit erst 32 Zapfstellen soll bald wachsen: Ein Konsortium um Linde und Shell will bis 2023 insgesamt 400 Wasserstoff-Tankstellen einrichten.

Wie umweltfreundlich ein Brennstoffzellen-Fahrzeug ist, hängt davon ab, auf welche Weise der Wasserstoff produziert wird. Bislang wird er meist unter Druck aus Erdgas und Wasserdampf erzeugt. Klimaneutral wird der Energieträger erst, wenn er mit dem "Power to Gas"-Verfahren erzeugt wird - einer Elektrolyse, bei der Wasser mit Strom aus erneuerbaren Quellen in Wasser- und Sauerstoff zerlegt wird. Die Betreiber solcher Anlagen könnten dafür überschüssigen Ökostrom nutzen. Das soll helfen, Solar- und Windstrom besser ins Energiesystem zu integrieren. Das Verfahren wird derzeit in Deutschland in rund dreißig Anlagen erprobt.

Wasserstoff kann vielfältig als Kraftstoff genutzt werden

Wasserstoff liefert jedoch nicht nur Strom für Brennstoffzellen-Fahrzeuge. Mit Hilfe von Kohlenstoff lassen sich aus Wasserstoff auch flüssige Kohlenwasserstoffe herstellen, die chemisch weitgehend identisch sind mit konventionellem Benzin, Diesel oder Kerosin. Für solche Kraftstoffe wird keine neue Lade-Infrastruktur benötigt. Und sie könnten auch in Luftverkehr oder in der Schifffahrt eingesetzt werden, wo ein klassischer Elektroantrieb nicht oder nur in Ausnahmefällen möglich ist. Laut einer noch unveröffentlichten Studie im Auftrag des Umweltbundesamtes sollen im Jahr 2050 bis zu 80 Prozent des Endenergieverbrauchs im Verkehr durch solche Strom-Kraftstoffe gedeckt werden.

Eine andere Möglichkeit ist, aus Wasserstoff Methanol herzustellen, wie es etwa das isländische Unternehmen Carbon Recycling International schon seit 2012 bei Reykjavik tut. Die nötige Energie liefert ein benachbartes Geothermiekraftwerk. "Wir produzieren dort derzeit 4500 Tonnen Methanol im Jahr", sagt Geschäftsführer Benedikt Stefánsson. Der Kraftstoff wird konventionellem Benzin und Diesel beigemischt. Fahrzeugmotoren vertragen das problemlos. Mit ihrer Technologie deckt Carbon Recycling International fast zwei Prozent des isländischen Treibstoffbedarfs. Das Unternehmen will nun zusammen mit Partnern auch in Lünen bei Dortmund eine solche Anlage bauen.

Meerwasser als CO₂-Spender

Auch wenn der Sprit auf Wasserstoff-Basis klimaneutral ist, benötigt man doch CO₂, um ihn herzustellen - das Molekül liefert den nötigen Kohlenstoff. Mögliche Quellen sind vor allem Biogas- und Industrieanlagen, wo Kohlendioxid als Abfallprodukt anfällt. Allerdings wird das langfristig nicht ausreichen, meint Andreas Borgschulte vom Schweizer Forschungsinstitut Empa. "Wenn wir eines Tages Benzin, Diesel und Kerosin durch Kraftstoffe auf Basis erneuerbarer Energien ersetzen wollen, brauchen wir dazu gewaltige Mengen an Kohlenstoff", sagt der Wissenschaftler.

Scheitern wird die Energiewende im Verkehr daran jedoch nicht. "Man könnte das Kohlendioxid zum Beispiel aus der Luft herausfiltern. Technisch ist das schon heute möglich." Allerdings sei dafür derzeit noch viel Energie nötig. "Doch das wird man in absehbarer Zeit in den Griff bekommen", meint Borgschulte. Auch Meerwasser könne auf lange Sicht als CO₂-Quelle dienen. Dort ist die Kohlendioxidkonzentration bis zu 140-mal größer als in der Luft.

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