Elektromobilität:Das Übertrumpfen geht schon los

Illustration Audi e-tron

Erste Einblicke in den Audi e-tron: Die Batterie mit 95 Kilowattstunden wiegt 700 Kilogramm.

(Foto: Audi)

Schneller! Stärker! Sparsamer! Wie üblich versuchen die Hersteller, sich auch mit ihren neuen E-Motoren gegenseitig auszustechen. Dabei wissen sie noch gar nicht, wie gut die Konkurrenz überhaupt ist.

Von Joachim Becker

Nicht nur Kinder spielen gerne Autoquartett. Auch die 1000 Experten auf dem Wiener Motorensymposium stechen einander mit Wonne aus: Schneller! Stärker! Sparsamer! Zum alljährlichen Auftrumpfen gehören auch Bestwerte bei der Abgasreinigung. Aber es hilft ja nichts. Seit dem Diesel-Skandal ist Feuer im Maschinenraum. Die Absatzzahlen der Selbstzünder fallen immer weiter und die CO₂-Flottenwerte steigen, statt zu sinken.

In besseren Tagen dröhnte Heavy Metal durch die Hofburg. Brüllend lauter Vollgas-Sound ließ die Lüster leise klirren und das Publikum wohlig schaudern. Die Zeit der basslastigen Tonkonserven ist wohl vorbei. Lokal abgasfreie Elektroautos spielen in der Zunft der Motorenentwickler eine immer wichtigere Rolle. Aber wer will schon das hochfrequente Straßenbahn-Surren eines Elektromotors hören?

"Der Weg bei der Antriebsentwicklung wird in den nächsten zehn bis 15 Jahren steinig", schwant es Ola Källenius, "wir glauben, dass es einen Wandel im Markt geben wird." Wie viele Elektroautos die Marke mit dem Stern wann verkaufen wird, weiß der Entwicklungsvorstand von Mercedes noch nicht zu sagen. Also macht er sich auf dem Vortragspodium Gedanken über den emotionalen Mehrwert von Premiumautos: "Die Marke muss sexy sein. Elektrisch Fahren und Fun kann man in einem Fahrzeug unterbringen!" Technische Details der Serien-Stromer wollte Källenius in Wien aber noch nicht nennen.

Auch Audi und BMW geben lieber noch nicht zu viel preis, weil sie sich im Vorteil gegenüber den Wettbewerbern wähnen. "Die nächste Generation unserer E-Maschine braucht sich vor einem Achtzylinder nicht zu verstecken", preist Stefan Juraschek den Spaßfaktor künftiger Stromer. Was der BMW-Chefentwickler für E-Antriebe nicht sagt: Beim Motorsound liegen die deutschen Marken ziemlich weit vorne. Bei geräumigen Elektroautos fahren sie Tesla dagegen hinterher. Trotz aller Qualitäts- und Produktionsprobleme: Keine Marke ist mit alternativen Antrieben so sexy geworden wie die das Start-up aus Kalifornien.

Nach dem Diesel-Skandal geht es darum, dass die "alten" Marken in Zukunftsfragen überhaupt einen Stich machen. BMW hat auf der Peking Motor Show gerade das seriennahe Concept iX3 vorgestellt. Nächstes Jahr folgt die Serienversion ausschließlich für den chinesischen Markt, die auch in China hergestellt wird. Zwischen die Achsen des adaptierten SUV-Modells X3 passt eine Batterie mit einer Netto-Kapazität von über 70 Kilowattstunden (kWh). Nach Nischenmodellen wie dem i3 und i8 kommt die Elektromobilität in der weißblauen Kernmarke an. Aufholen heißt aber nicht überholen: Mit etwas mehr als 400 Kilometer Reichweite im neuen WLTP-Zyklus liegt der erste große BMW-Stromer auf mittleren Tesla-Niveau.

Audi bringt im e-tron 95 kWh brutto zwischen den Achsen unter - abzüglich zehn Prozent, um auf den real nutzbaren Energieinhalt zu kommen. Der Speicher wiegt 700 Kilogramm, ungefähr das Zehnfache eines Benzintanks. In der Fahrpraxis wird die Reichweite nicht viel größer als im BMW iX3 sein, weil die Ingolstädter Asynchronmotoren einsetzen. Die Maschinen mit einer Leistungsspreizung von 90 kW bis 140 kW haben ein höheres Gewicht und einen etwas schlechteren Wirkungsgrad als die teurere Synchronmaschine des BMW iX3. Sie sitzt auf der Hinterachse und soll im Serienmodell mehr als 200 kW leisten.

"Wir wurden von den Seltene-Erden-Preisen sehr gebeutelt"

Was das für die "Freude am Fahren" genau bedeutet, können die Zuhörer auf dem Wiener Kongress nur ahnen. Momentan entwickeln und bauen die deutschen Autohersteller ihre Elektromaschinen noch selbst, weil sie sich davon strategische Vorteile versprechen. Metallverarbeitung gehört zu ihren traditionellen Stärken. Doch die Materialexpertise, das Produktions-Knowhow, die etablierten Lieferketten und die Recycling-Kreisläufe für Verbrennungsmotoren lassen sich nur bedingt auf Elektroantriebe übertragen. Am ehesten gilt das noch für Kupfer, das für die elektrischen Maschinen und Hochvolt-Leitungen gebraucht wird. Bei Magnetwerkstoffen wie Seltenen Erden liegt die Recyclingquote aber nur bei rund einem Prozent; die Preise schwanken daher bedenklich.

Diese Erfahrung musste BMW 2013/14 machen. "Wir wurden von den Seltene-Erden-Preisen sehr gebeutelt", berichtet Stefan Juraschek: "Bei der nächsten Generation der E-Maschinen reden wir über 500 000 bis 600 000 Einheiten. Jeder Euro, den wir in das Antriebssystem packen, ist also richtig viel Geld", so der BMW-Hauptbereichsleiter: "Angesichts des Risikos haben wir uns bei der fünften Generation für Elektroantriebe entschieden, die völlig frei von seltenen Erden sind." Die Entwicklungssprünge sind größer als bei den ausgereiften Verbrennern: Leistung und Drehmomentdichte der E-Maschinen stiegen gegenüber der vierten Generation um 40 Prozent, das Gewicht sank dank der hochintegrierten Bauweise um 20 Prozent und die Kosten schrumpften sogar um 30 Prozent.

Es fehlt an Schnelllade-Stationen

"Mit der fünften Generation unseres Elektroantriebs sind wir führend bei Energiedichte und Effizienz", stellt Juraschek in Wien selbstbewusst fest. Doch vergleichbare Kennzahlen der deutschen Wettbewerber sind noch gar nicht bekannt. Am ehesten lassen sich allgemeine Daten wie der Anschluss an Schnellladestationen im Autoquartett abfragen: Der Audi e-tron auf Basis des Q5 und der BMW iX3 lassen sich an Schnellladestationen mit bis zu 150 kW Ladeleistung innerhalb von 30 Minuten auftanken. Ein Tesla mit maximal 120 kW Ladeleistung braucht ungefähr dieselbe Zeit für den Hub von 20 auf 80 Prozent. Für den Kunden wirklich spürbar ist aber etwas ganz anderes: Die Kalifornier verfügen schon heute über knapp 10 000 Supercharger rund um den Globus. Dagegen gibt es erst 200 Schnelllade-Stationen mit dem CCS-Standard, den die deutschen Marken verwenden.

Teslas Supercharger sind für die Deutschen bisher tabu. Mit der Ionity-Initiative wollen sie bis 2020 immerhin 400 eigene Superlader aufbauen. Selbst dann wird sich das Blitztanken mit einem Stromer von Audi, BMW oder Mercedes auf ein dünnes Netz entlang der Autobahnen beschränken.

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