Elektroautos:Was nach dem Brrrrruuumm kommt

BMW i3

Wie sollte ein Elektroauto wie der BMW i 3 klingen? Jedenfalls nicht wie eines mit Verbrennungsmotor, meint BMW.

(Foto: BMW Group)

Klingt ein Auto bald wie ein Synthie-Akkord von Pink Floyd? Oder wie ein röhrender Hirsch? Wie Sounddesigner Elektroautos eine Stimme geben.

Von Thomas Fromm

Es kommt vor, dass er ein Geräusch im Kopf hat, wenn er an die Autos der Zukunft denkt. Es fängt ganz leise an, klingt ein bisschen wie ein leiser Synthesizer, der immer kräftiger wird. Es summt und hallt und schnurrt ganz leicht und macht "Ooouuppffhhhh". Das ist schon mal etwas ganz anderes als in all den Jahren, als Autos noch Benzinmotoren und vier Zylinder hatten und "Brrrrruuumm" machten. Demnächst also: nur noch ein leises, aufsteigendes "Ooouuppffhhhh", das gegen Ende ein bisschen klingt wie ein gestreckter Synthie-Akkord aus dem Frühwerk von Pink Floyd.

Emar Vegt muss solche Dinge hören, wenn er an Autos denkt. Er hat einen Job, den man so vielleicht nicht bei einem Autohersteller verorten würde: Vegt ist Sounddesigner bei BMW. Und weil Elektroautos nicht mehr "Brrrrruuumm", sondern eigentlich gar nichts mehr machen, außer eben mit ihren Gummireifen über den Asphalt zu rollen und ein bisschen mit der Batterie zu summen, muss der Niederländer jetzt zusehen, dass auch Elektroautos nach irgendetwas klingen. Im Grunde wolle man ja, "dass diese Autos leiser klingen als ihre Vorgänger", sagt er. Und, ja, die Städte würden "automatisch leiser". Aber: So ganz still wird es eben doch nicht im schönen neuen Zeitalter der Elektromobilität.

Leise Autos können zu Killermaschinen werden

Noch können Kunden in Europa wählen, ob ihr Elektroauto Geräusche macht. Den BMW-Elektrowagen i 3 zum Beispiel kann man auch ganz geräuschlos fahren, was vor allem diejenigen glücklich macht, die schon seit Langem hoffen, dass mit dem Ende der Verbrennungsmotoren, der Abgase und Auspuffe, endlich mal Ruhe einkehrt in die Städte. Aber so einfach bleibt es nicht.

Lange haben sich die Menschen im Straßenverkehr nicht nur auf ihre Augen verlassen. Fußgänger, Radler, aber auch blinde Menschen - sie haben gut zugehört, was passiert. Denn wenn ein Auto, ein Laster oder Motorrad um die Ecke biegt, dann ist das kaum zu überhören. Mit Elektroautos ist das schwierig. Leise Autos sind zwar angenehm, aber sie können zu Killermaschinen werden - wenn sie denn keiner mehr hört.

Deshalb wird es Regeln für die sogenannte Beschallung der E-Autos geben. Eine Richtlinie sieht für die Europäische Union die Einführung eines, wie es heißt, "Akustischen Fahrzeugwarnsystems" (Acoustic Vehicle Alerting System, kurz Avas) für Neuwagen vor, beginnend im Juli 2019. Bis zu einer Geschwindigkeit von 20 Kilometern pro Stunde müssen die Autos dann klingen wie etwas, das irgendwie an die Geräusche eines Autos erinnert. Fahrzeuge, die schneller fahren, so die Experten, erzeugten mit ihren Rollgeräuschen schon so viel Lärm, dass man keine Sonder-Sounds mehr brauche.

Wie ein Lamborghini? Oder ein röhrender Hirsch?

Europa folgt hier den USA, wo die Verkehrsaufsichtsbehörde National Highway Traffic Safety Administration (NHTSA) von 2019 an künstliche Autogeräusche für neue Elektro- und Hybridautos vorschreibt. Die Frage ist allerdings: Wie soll so ein Auto klingen?

Kann man, nur mal so zum Beispiel, dem kleinen Elektroauto i 3 von BMW das Gebrüll eines Zehn-Zylinder-Lamborghinis aufspielen? Noch vor ein paar Jahren gab es Menschen, die glaubten sogar, sie könnten jetzt einfach ihre Lieblingsmusik durch den kleinen Auto-Lautsprecher schicken. Vielleicht "Highway to Hell" von AC/DC oder so etwas. Oder Charlie Parkers Saxofon, oder, liegt vielleicht auch irgendwie nahe, das Röhren eines Hirschen. Oder sie könnten sich wie beim Handy gleich einen ganzen Rington-Katalog anlegen.

Lautsprecher hinter der Frontschürze

Dann entschieden die Sicherheitsexperten: Die künstlichen Geräusche müssen diskret sein, und sie müssen sich in festgelegten Frequenzen bewegen. "Es muss harmonisch sein, muss zum Auto passen und darf nicht nach Spielzeug klingen", sagt Sounddesigner Vegt. Auch deshalb soll ein Elektroauto nur ja nicht so klingen wie ein Benziner. "Der i 3 und der i 8 sehen futuristisch aus", sagt der Sounddesigner. "Da ergibt es keinen Sinn, denen beim elektrischen Fahren das Geräusch eines Verbrennungsmotors zu verpassen." Für den künstlichen Elektroauto-Sound hat BMW übrigens einen Lautsprecher hinter die Frontschürze gebaut und ihn nach unten hin ausgerichtet. Wenn kein Auspuff mehr da ist, der den Ton vorgibt, muss man erfinderisch sein.

Emar Vegt ist Musiker, er spielt Klavier und Schlagzeug, und er mag elektronische Musik. Neulich hat er Komponisten ins BMW-Studio auf dem Werksgelände in München geholt, zur Inspiration. "Mood-Music" nennt er das, was da gespielt wurde. Ambient, sphärische Klänge, solche Dinge. Man brauche eben auch mal "echte Musik, um die Stimmung eines Autos zu ergründen, nur mit Folien und Power-Point" gehe das nicht.

Bei BMW beschäftigen sich 300 Leute mit dem richtigen Sound

Ein Soundstudio mit blau-grauen Vorhängen ist ein ungewöhnlicher Ort neben einer Autofabrik. Kopfhörer, ein Keyboard auf dem Tisch, Musikboxen - hier, nicht weit weg von den großen Produktionsbändern, wurde schon eine Menge komponiert: schrille Auffahrwarntöne, akustische Gurtsignale, bei denen, wie im Rolls Royce, auch schon mal eine Harfe im Innenraum vibriert - so ein Auto macht ja ständig und überall Geräusche. Erst wenn man darauf achtet, merkt man, wie viel hier eigentlich klingt.

An die 300 Leute hat der Konzern angestellt, die sich ausschließlich mit Dingen wie dem richtigen Sound und den angenehmsten Schwingungen beschäftigen. Das geht vom Motorengeräusch bis zu der Frage, wie ein Kofferraumdeckel oder eine Tür klingen soll. 14 von diesen Schwingungsexperten sind reine Sounddesigner wie Emar Vegt - am Ende eine kleine Gruppe, die diesen Riesenkonzern klingen lässt.

Wie klingt ein E-Audi? Wie ein elektrischer Mercedes?

Und wie es aussieht, werden sie demnächst noch viel zu tun haben. BMW will im nächsten Jahr insgesamt 100 000 elektrifizierte Autos verkaufen. Bisher ging es vor allem um Fahrzeuge der Elektroauto-Serie i, bald aber sollen auch einige der klassischen Modelle eine große Batterie bekommen. Bei jedem Auto, das dann geräuschlos auf die Straße kommen soll, wird es wieder von vorne losgehen: rein ins Tonstudio, fahrenden Autos auf Bildschirmen zuschauen - und an Töne denken. Ooouuhhhh...

"Wir müssen uns immer wieder neu fragen", sagt Vegt, "wie klingt zum Beispiel ein Mini, wenn er keinen Verbrennungsmotor mehr hat und elektrisch fährt? Gibt es einen Mini-typischen Sound, den wir nachbilden müssen?" Es sind Fragen, wie sie sich in den nächsten Jahren wohl alle Autohersteller stellen müssen. Wie klingt ein E-Audi? Wie ein elektrischer Mercedes? Die Frage ist dann, ob die verschiedenen Automarken am Ende ganz unterschiedliche Töne machen werden. Und wenn ja - wird das außer den Experten dann überhaupt irgendjemand wirklich noch heraushören?

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