Süddeutsche Zeitung

Elektroautos Stella Lux und E0711-5:Von null auf hundert in 1,8 Sekunden

  • Niederländische Studenten haben ein Elektroauto gebaut, das mit Solarenergie betrieben wird und bis zu 1000 Kilometer weit kommen soll.
  • Der Elektro-Rennwagen eines Stuttgarter Studententeams beschleunigt in 1,779 Sekunden von null auf 100 km/h - Weltrekord.
  • Beide Konzepte sind interessant und zeigen, was mit der Technik möglich ist. Dennoch sind die Serienchancen derzeit gering - aus guten Gründen.

Von Thomas Harloff

Nein, eine Schönheit ist der Stella Lux nicht. Im Gegenteil, er dürfte mit fast jedem ästhetischen Grundsatz brechen. Aber das Elektroauto stammt ja auch nicht von Designstudenten, sondern von den angehenden Technikern des Solar Teams Eindhoven (STE), die an der Technischen Universität Eindhoven ausgebildet werden.

Der Name der Truppe gibt bereits einen Hinweis darauf, um welche Art Fahrzeug es sich beim Stella Lux handelt. Das skurrile Gefährt bewegt sich mithilfe von Solarenergie vorwärts. Und zwar bei Bedarf so weit, wie es nicht einmal das derzeit reichweitenstärkste Elektroauto vermag: Nach dem europäischen Fahrzyklus sollen an einem sonnigen Tag in den Niederlanden 1000 Kilometer am Stück möglich sein. In der Nacht oder bei Regen schrumpft die Reichweite den Studenten zufolge auf 650 Kilometer. Das ist immer noch deutlich mehr, als das Tesla Model S schafft, der Reichweiten-Champion unter den Elektroautos. Bei dessen effizientester Version sind maximal 500 Kilometer drin.

Das fragwürdige Design ist das Ergebnis des technischen Konzeptes, das die Studenten innerhalb von 18 Monaten zum fertigen Auto mit Sonnenantrieb entwickelt haben. Um genug Energie von der Sonne abzuzapfen, braucht der Stella Lux ein großes Dach, auf dem die insgesamt 5,8 Quadratmeter großen Solarzellen untergebracht werden können. Den Studenten zufolge soll das Auto damit auf das ganze Jahr gerechnet mehr Energie erzeugen als verbrauchen. Mit dem Überschuss, so die Niederländer, soll es beispielsweise einen Haushalt mit Strom versorgen können.

Härtetest im australischen Outback

Im Oktober muss das sonnenbetriebene Elektroauto erst einmal unter Beweis stellen, dass es tatsächlich so weit kommt, wie die Eindhovener versprechen. Sie treten wieder bei der Bridgestone World Solar Challenge im australischen Outback an, bei der es gilt, eine 3000-Kilometer-Distanz ausschließlich per Sonnenenergie zu absolvieren und den Titel in der "Cruiser-Klasse" zu verteidigen. Ein Schlüssel dazu ist neben der Batterie mit einer Kapazität von 15 Kilowattstunden und dem extrem geringen Leergewicht von 375 Kilogramm seine windschlüpfrige Formgebung. Aerodynamische Gründe hat auch der Tunnel in der Mitte, der das niederländische Elektromobil zu einer Art Auto-Katamaran macht. Und schließlich soll der Stella Lux vier Personen Platz bieten, was die langgezogenen Proportionen erklärt.

So alltagstauglich ist der E0711-5, gebaut vom Greenteam der Universität Stuttgart, nicht. Dieses Elektroauto hat nur einen Sitz, die Räder stehen frei, ein Dach gibt es nicht und den riesigen Heckflügel trägt garantiert kein Prüfingenieur von TÜV oder Dekra in die Papiere ein. Dennoch dürfte auch dieser Bolide einige Entscheider der Autobranche aufhorchen lassen, denn er hält einen Weltrekord: In 1,779 Sekunden beschleunigt er von null auf 100 km/h. So schnell war bislang kein anderes Elektroauto.

Dass die Mitglieder des studentischen Motorsportteams Unterstützung aus der Industrie haben, zeigen schon die vielen Sponsorenaufkleber. Doch die Nachwuchs-Ingenieure konstruieren, überarbeiten und fertigen ihre Boliden selbst. Jahr für Jahr, seit 2010, ihrer Debütsaison in der Formula Student. In der Rennserie, in der sich internationale Studententeams mit ihren selbstgebauten Rennwagen messen, sind die Schwaben von Beginn an erfolgreich dabei. Kein Wunder bei all der Hightech, die auch den E0711-5 auszeichnet: Chassis aus Carbonfaser, Fahrwerksteile aus Aluminium und Titan, ein ausgeklügeltes Aerodynamikkonzept mit Front- und Heckflügel, glattem Unterboden sowie einem Diffusor, der die unter dem Auto entlang strömende Luft kanalisiert und so für mehr Anpressdruck sorgt. Das alles macht das Auto nicht nur leicht, sondern auch windschlüpfrig.

Allerdings nicht windschlüpfrig genug, um einen Beschleunigungs-Weltrekord aufzustellen. Deshalb montierten die Stuttgarter Studenten den Heckspoiler beim Rekordversuch ab. Den Rest erledigten die vier jeweils an den Rädern platzierten Elektromotoren, die auf eine Gesamtleistung von mehr als 100 kW (136 PS) kommen und den Einsitzer zum Allradler machen. Fahrerin Prisca Schmidt hatte das enorme Drehmoment von 1200 Newtonmetern so gut im Griff, dass sich das Greenteam nun im Guinness Buch der Weltrekorde verewigt sieht.

Eine enorme Reichweite hier, eine wahnsinnige Beschleunigung da: Liest man von solchen Superlativen, kommt einmal mehr die Frage auf, warum die Autoindustrie nicht in der Lage ist, Produkte mit ähnlichen technischen Kennzahlen auf den Markt zu bringen. Letztlich krankt es an der Wirtschaftlichkeit. Was technisch machbar ist, lässt sich noch lange nicht in Massen und günstig genug herstellen, um es für den Kunden bezahlbar und so rentabel zu machen.

Nur BMW setzt Carbon im großen Stil ein

Beispiel Carbon: Sowohl der Stella Lux als auch der Rekordrenner des Greenteams bestehen in weiten Teilen aus dem Kohlefaser-Verbundwerkstoff, der sowohl deutlich widerstandsfähiger als Aluminium oder Stahl ist als auch deutlich leichter. Aber er lässt sich nur sehr aufwändig herstellen, ist deshalb sehr teuer und auch schwierig zu recyclen. Bislang wagt es nur BMW, das Material im großen Stil einzusetzen. Allerdings kommen das in weiten Teilen aus Carbon gefertigte Elektroauto i3 und der Plug-in-Hybridsportwagen i8 noch längst nicht auf die nötigen Stückzahlen, die den Einsatz des Werkstoffes auch aus wirtschaftlicher Sicht rechtfertigen.

Vom Design einmal ganz abgesehen: Nicht einmal die Münchner, die beim i3 bewiesen haben, dass sie nicht vor ungewöhnlichen Formen zurückschrecken, würden sich trauen, ein Modell wie den Stella Lux auf den Markt zu bringen. Zudem dürfte das niederländische Solarauto trotz Touchscreen, Becherhaltern und einem Gebläse kaum Fahrkomfort bieten. Allein die Schalensitze sehen so aus, als würden die Rücken der Studenten auf der 3000-Kilometer-Tour durch Australien ziemlich leiden müssen. Es wäre außerdem verwunderlich, wenn die extrem schmalen Räder den Stella Lux in puncto Fahrdynamik nicht stark limitieren würden.

Keine Chance auf eine Straßenzulassung

Und der E0711-5 aus Stuttgart? Das Beschleunigungswunder ist ähnlich weit von einer Straßenzulassung entfernt wie ein Rennwagen aus der Formel 1. Zudem hat der Akku lediglich eine Kapazität von 6,62 Kilowattstunden - nicht mal ein Zehntel eines Tesla Model S, dessen Batterie entweder 70 oder 85 Kilowattstunden speichern kann.

Dennoch sollten sich die Manager der großen Autofirmen die studentischen Rekordautos ganz genau anschauen - um hoffentlich bald selbst für positive Schlagzeilen in Sachen Elektromobilität zu sorgen.

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