Elektroautos:Sirren wie ein Bienenschwarm

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Es gibt elektrisch betriebene Vehikel schon seit über 100 Jahren, aber sie kommen noch immer nicht weit und sind wenig komfortabel.

Joachim Becker

Elektroautos scheinen überall zu sein, zumindest der Strom an Neuigkeiten schwillt ständig an. Fast täglich werden Modelle angekündigt. Auf den Straßen muss man dagegen lange suchen, wenn man nach den verheißungsvollen Stromern fahndet. Das Zentrale Fahrzeugregister hat 725 Krafträder, 1436 Pkws und 92 Omnibusse mit Elektroantrieb erfasst. Das sind nicht einmal 0,2 Promille von 50 Millionen Autos. Selten wurden mehr Bilder, Zahlen und Fakten über etwas publiziert, das man nur als Phantom des Straßenverkehrs bezeichnen kann.

Nach etlichen Verzögerungen rollen die ersten Exemplare des kalifornischen "Tesla" auf den Straßen. (Foto: Foto: oh)

Je nach Umfrage wollen mehr als ein Drittel der Deutschen umweltverträglicher fahren und können sich dafür auch ein Batterieauto vorstellen. Erfahrung mit E-Mobilen hat allerdings keiner der Befragten, deshalb strahlt die ölfreie Zukunft in den schillerndsten Farben. Ein abgasfreier Sportwagen wie der Tesla Roadster scheint die Öko-Träume zu bestätigen. Der 1,2 Tonnen leichte Zweisitzer aus Kalifornien beschleunigt in vier Sekunden von null auf 100 Kilometer pro Stunde, obwohl aus dem Motorraum nur das hohe Sirren eines aufgescheuchten Bienenschwarms zu hören ist. Statt eines Benzintanks liefern knapp 7000 Lithium-Ionen-Zellen die Energie für einen 285 PS starken Elektromotor. Mit einem Kaufpreis von 99.000 Euro kommt die grüne Zukunft allerdings teuer.

Schon 1899 hängte Camille Jenatzy mit seinem nahezu lautlosen und mehr als 100 km/h schnellen Elektromobil die knatternden und stinkenden Spritschlucker seiner Zeit ab. Ein Jahr später entwickelte Ferdinand Porsche das erste benzin-elektrische Hybridfahrzeug mit Radnabenmotoren. Das Auto wog 980 Kilogramm, wovon allein 410 Kilogramm auf den Akku-Satz entfielen.

Auch der Audi A4 Avant duo, der 1997 als erstes europäisches Hybridfahrzeug in Serie ging, schleppte schwer an den elektrischen Speichern. Neben einem 90-PS-Turbodiesel, sorgte ein wassergekühlter Drehstrommotor mit 29 PS für Vortrieb. 320 Kilo Blei-Gel-Batterien im Heck reduzierten aber den Laderaum und bremsten das Temperament erheblich. Vollends zum Flop wurde der Audi Duo aufgrund seines hohen Preises von 60.000 Mark. Nach nur einem Jahr und nur 100 verkauften Exemplaren stellten die Ingolstädter das Projekt ein.

Jetzt wird die nächste Epoche des Elektro-Fortschritts eingeläutet. Der Tesla Roadster soll 350 Kilometer weit kommen. "Mit dem Tesla fahren Sie in einer ganz eigenen Liga", berichtet Karl-Thomas Neumann. Die versprochene Reichweite kann der Leiter der Continental Automobilsparte allerdings nicht bestätigen: "Wenn man sportlich unterwegs ist, sind die Akkus nach gut 100 Kilometern leer."

Tesla Roadster
:Der Ausverkaufte

Die Mischung aus Sportlichkeit, Fahrspaß und Elektroantrieb ist längst keine Illusion mehr: Die ersten Modelle des Tesla Roadster sind verkauft und ausgeliefert.

Viel weiter kommen auch die 100 handgemachten Smart-Prototypen nicht, die momentan in London unterwegs sind. Bei einer ersten Probefahrt im Elektro-Smart scheint die grüne Zukunft zum Greifen nah zu sein. Wie das Wägelchen mit 30 kW/41 PS elektrischer Leistung losspurtet und durch verwinkelte Gassen wieselt, hat etwas von einem Haken schlagenden Kaninchen. Die gefühlte Beschleunigung muss sich hinter keinem Sportwagen verstecken.

Ausschließlich per Batterie werden sich künftig wohl nur Kleinwagen bewegen wie der Ze-O von der englischen Firma Nice: Ab September will sie den elektrisch betriebenen Viertürer von 17.800 Euro aufwärts ausliefern. Eine Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h und 105 Kilometern Reichweite kennzeichnen das Wägelchen als City-Flitzer.

Für längere Strecken braucht man ein Auto mit einem zusätzlichen benzingetriebenen "Notstromaggregat" wie im Golf TwinDrive. Zum Test in Berlin tritt der mit einem Elektromotor auf der Vorderachse und mit zwei Radnabenmotoren an den Hinterrädern an. Zusammen mit einem 75 kW-Benziner steigen nicht nur die Systemleistung auf 130 kW (177 PS) und die Reichweite auf 1000 Kilometer, sondern auch die technische Komplexität des Antriebs.

Das Auto und das Öl
:Wie geht's weiter?

Die drastische Verteuerung des Kraftstoffs in jüngster Zeit wirft die Frage auf, wie sich die Menschen in Zukunft bewegen - und die weltweite Autoindustrie fragt sich noch, wie der Antrieb der Zukunft aussieht.

Neue Antriebskomponenten machen Autos weder leichter noch billiger. Deshalb wird beim TwinDrive möglichst viel Hardware durch eine Softwaresteuerung ersetzt: "Der klassische Fehler bei Hybrid-Fahrzeugen ist es, eine normale Motor-Getriebe-Kombination mit einem zusätzlichen E-System zu koppeln", sagt Wolfgang Steiger, Leiter der Volkswagen Antriebsforschung. Die Wolfsburger Versuchsfahrzeuge verzichten auf ein konventionelles Getriebe und beschleunigen bis 60 km/h rein elektrisch: Die Raddrehzahlen werden stufenlos über die Umdrehungen der Wechselstrommotoren gesteuert. Erst bei höherem Tempo kann der Benziner zugeschaltet werden - mit einer Getriebeuntersetzung, die dem fünften bis sechsten Gang entspricht.

In deutschen Autohäusern steht noch keines der Modelle. Auch der Tesla Roadster ist nur ein Forschungsfahrzeug, das von Hand in kleinsten Stückzahlen gebaut wird. Detaillierte Auskünfte über Crash-Tests, in denen Elektrofahrzeuge und Batterien extremen mechanischen und thermischen Belastungen ausgesetzt wurden, kann auch Tesla nicht liefern. Außerdem werden die Kunden nach den ersten Praxistests den gewohnten Komfort in den kleinen Stromern vermissen. Wer erlebt hat, wie schnell die Batterie in einem stehenden Hybridfahrzeug von der Klimaanlage leer gesaugt wird, ahnt, welche Herausforderungen auf die Ingenieure zukommen.

© SZ vom 20.8.2008/gf - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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