Elektroautos Mute und BOmobil:Die heimlichen Stars der IAA

In den kleineren Hallen der IAA zeigen Hochschulen und Universitäten Projekte mit Zukunft. Anders als bei Fahrzeugherstellern steht hier die Technik und nicht die Hostess im Vordergrund.

Mit Bildern.

Ob in München oder in Bochum: An den deutschen Hochschulen und Universitäten wird fleißig an der fahrenden Zukunft gefeilt. Dass die finanziellen Mittel wesentlich geringer sind als bei den großen Fahrzeugherstellern, ist auf der Internationalen Automobil-Ausstellung in Frankfurt nicht nur an den fehlenden Messegirls zu erkennen.

Der tageslichtarme Keller-Standplatz der Hochschule Bochum zum Beispiel befindet sich mitten in Halle Vier und ist Teil eines Gemeinschaftsstands des Bundeslandes Nordrhein-Westfalen. Das Forschungsprojekt BOmobil, ein Fahrzeug noch ohne Chassis und mit zwei Europaletten auf der imaginären Ladefläche, lädt scheinbar nur Fachleute zum näheren Betrachten ein. Dabei hätte die Hochschule einen Platz an der Sonne verdient: Immerhin wird hier noch ohne große Show die Fahrzeugtechnik von morgen präsentiert.

Das BOmobil ist ein 4,2 Meter langer Elektrokleintransporter, den die Hochschule Bochum - mit Partnern - selbst entwickelt. Für die Fahrzeugsicherheit und die angepeilte Straßenzulassung ist der TÜV Nord verantwortlich.

Das 25-köpfige Entwicklerteam darf das Fahrwerk und auch Interieurbauteile aus der Opel Zafira-Produktion nutzen, so dass es sich auf die technische Umsetzung des Elektroantriebs konzentrieren kann. Damit die Teile nicht erst vom Werk in die Hochschule transportiert werden müssen, wurde der Forschungsbereich auch gleich auf dem Opel-Gelände eingerichtet.

Der nur 1000 Kilogramm schwere Kleintransporter mit einer Aluminium-Leichtbau-Karosserie darf 500 Kilogramm zuladen und ist könnte so für Kleinunternehmer besonders interessant sein. "Wenn man erreichen möchte, dass ein Fahrzeug wirklich mal auf den Markt kommt, muss man sich von den übrigen Forschungsprojekten differenzieren", weiß Projektleiter Heinz Zöllner.

Für den 53-jährigen Duisburger bietet das Projekt BOmobil einen ganz persönlichen Reiz: "Nach zehn Jahren Formel-1-Erfahrung als Aerodynamiker bei Toyota, wo es gegen das Ende hin nur noch um minimale Veränderungen ging, kann man hier mal wieder richtig was bewegen. Wir haben auf einem weißen Blatt Papier angefangen."

Angetrieben wird der über 120 km/h schnelle Zweisitzer von bis zu sieben Lithium-Ionen-Batterieblocks, die für ein Dauerantriebsmoment von 1200 Newtonmetern und eine Reichweite von mehr als 150 Kilometern sorgen. Insgesamt verfügt der Bochumer Stromer über 52 kW / 70 PS und lässt sich an jeder Haushaltssteckdose innerhalb von zehn Stunden wiederaufladen.

Irgendwie sind die großen Hersteller doch mit im Boot

Das Besondere beim BOmobil ist das dezentrale Antriebssystem: Die Motoren stecken in den Radnaben. Neben der guten Gewichtsverteilung und den erweiterten Möglichkeiten der Innenraumgestaltung bietet dies gleichzeitig den Vorteil, dass jedes Rad einzeln ansteuerbar und das Fahrzeug wendiger ist. Die ersten Testfahrten werden im November dieses Jahres in Schweden durchgeführt, wo die Batterien sich den ersten realen Kältebedingungen stellen müssen.

Diese Testfahrten hat der "Mute" aus München bereits hinter sich. Der Prototyp der Technischen Universität München stromert im Revier der E-Leichtgewichte. Mit seiner Kürze von 3,55 Metern und dem Gewicht von nur 500 Kilogramm würde der Zweisitzer fast auf die Ladefläche des Bochumer Stromers passen - aber eben nur fast.

Der Vorteil des bayrischen Leichtbauautos mit einer Leistung von 15 kW / 20 PS liegt in der schnellen Ladezeit. Nach nur drei Stunden an einer 230-Volt-Steckdose ist der Hecktriebler wieder zu 100 Prozent aufgeladen. "Ob bei Vollgas oder im Stadtverkehr, wir garantieren eine Reichweite von mindestens 100 Kilometern", schwärmt Projektmitarbeiter Stephan Fuchs.

Für den Fall, dass der Strom während der Fahrt vielleicht doch mal ausgeht, haben die Münchner dem 120 km/h flotten Mute ein austauschbares Notstrompaket verpasst. Der sogenannte Range Extender verfügt über sechs Module, die für zusätzliche 40 Kilometer sorgen. Allerdings müssen sie nach Benutzung ausgetauscht werden - Notfallpacks eben.

Das maximale Drehmoment von 60 Newtonmetern hört sich im ersten Moment und im Vergleich mit den astronomischen Daten der E-Konkurrenz zwar sehr gering an, sorgt aber dennoch für eine den Stadtfahrten angemessenen Beschleunigung von null auf 60 km/h in 6,8 Sekunden.

Anders als in Bochum sind die mehr als 200 Mitarbeiter des Münchner Projekts stolz darauf, auch den Innenraum und das Chassis selbst entwickelt zu haben. Wobei erwähnt werden soll, dass beim ersten Platznehmen im Cockpit der fahrenden Zukunft Audi-Teile am Lenkrad ins Auge fallen und auf Nachfrage auch einige Fahrwerkskteile den guten Draht nach Ingolstadt offenbaren.

Bei der Frage nach den Preisen übt man sich sowohl in Bochum als auch in München im Schweigen. Der Mute soll immerhin im Monat inklusive aller Kosten nur mit 350 Euro zu Buche schlagen, was ihn auf Augenhöhe mit aktuellen Kleinstwagen wie dem Smart oder Toyota Aygo rollen lässt.

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