Elektroauto im Fahrbericht:Das Model 3 ist Teslas neues Glanzstück

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Von Juli an sollen monatlich 20 000 Tesla Model 3 entstehen. Ob's klappt? (Foto: Tesla)

Die erste Testfahrt zeigt: Trotz aller Kinderkrankheiten ist das bezahlbare Elektroauto absolut empfehlenswert. Dabei lässt der Autopilot den Fahrer ganz schön schwitzen.

Von Georg Kacher

Etwa 185 000 Euro, plus Luftfracht, Steuer und Zoll. Für diesen Betrag hat sich ein deutscher Premiumhersteller Ende 2017 eines der ersten Tesla Model 3 gesichert. Zehn Tage lang durften diverse Führungskräfte den Wagen auf Herz und Nieren testen. Danach wurde das gute Stück gewogen, vermessen und in seine Einzelteile zerlegt. Jede Baugruppe kam auf den Prüfstand, doch vor allem bei der Leistungselektronik machten die Tester große Augen. Kompakt, ausbaufähig, voll integriert, modular, leicht zugänglich, gut geschützt, günstig und in vielen Details verblüffend clever gemacht - das war das Urteil der Experten, dem sich die Kollegen anderer Hersteller Zug um Zug anschlossen. Inzwischen haben Hersteller und Zulieferer landesweit rund ein Dutzend kompakte Teslas in der Mache.

Der Testwagen stammt aus der Entwicklungsabteilung eines Weltkonzerns, der darum kämpft, den Stromanschluss nicht zu verlieren. Tesla selbst stellt der Presse keine Autos zur Verfügung, weil man die angeblich etwa 600 000 Kunden, die langsam unruhig werden, bevorzugt bedienen will.

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Doch wer jetzt abspringt, verpasst etwas. Das Model 3 ist nämlich aller Kinderkrankheiten und Verzögerungen zum Trotz das neue Glanzstück der Marke. Warum? Weil dieser Tesla mit seinem Grundpreis von rund 39 000 Euro ein viel breiteres Publikum anspricht, weil man mit den kompakten Abmessungen in der Stadt deutlich besser zurecht kommt und weil selbst die kleinste Batterie mit 50 Kilowattstunden (kWh) kein lahmer Kriechstromer mit kurzatmiger Reichweite ist. Das zeigt die Testfahrt mit dem aktuellen Topmodell mit 75-kWh-Speicher, 192 Kilowatt starkem Motor und Vollausstattung - in Deutschland zu haben für 54 361 Euro.

Die Marke hat es fast auf Anhieb geschafft, seinen Produkten ein unverwechselbares Gesicht zu geben, und das ganz ohne Kühlergrill, Bling-Bling und Imponier-Proportionen. Das Model 3 ist ein Model S in kleiner, aber genauso gefällig, funktionell und technisch überzeugend. Es gibt allerdings ein paar wenige Schrullen, an die man sich nur schwer gewöhnt. So müssen die bündigen Außentürgriffe mit viel Fingerspitzengefühl aus der Versenkung herausgefummelt werden, das über Chipkarte oder Smartphone-App aktivierte Schließsystem nimmt immer wieder eine nicht autorisierte Auszeit, die Rückbank ist so tief montiert, dass große Passagiere nur dann eine Chance haben, wenn sie sich zusammenfalten wie ein Z. Die beiden Kofferräume - einer im Bug, der andere hinten - fassen in Summe unauffällige 425 Liter.

Tesla hat die Kunst des Weglassens perfektioniert

Fahrer und Beifahrer sitzen gut im Model 3, dessen Innenarchitektur an ein komplett ausgeräumtes, schwarz getünchtes Bauhaus-Wohnzimmer erinnert. Als wichtigster Bezugspunkt für Augen und Zeigefinger fungiert der exakt mittig montierte 15-Zoll-Touchscreen. Das Drumherum ist kahler, kühler Kunststoff, sparsam verziert mit offenporigen Holzleisten. Es gibt keine Instrumente, aber leider auch kein Head-up-Display; die übliche Hundertschaft der Knöpfe, Tasten, Rädchen und Hebel hat der Bannstrahl von Tesla-Chef Elon Musk getroffen; nur die Fenster öffnen und schließen noch nach alter Sitte per Zeigefingerkommando. Im Gegensatz dazu ist die Spiegelverstellung ein Elektronik-Sudoku der besonders kniffligen Art. Ein leichter Druck auf den Wählhebel genügt, um den Motor zu starten. Ein Doppelclick aktiviert in Folge den Autopilot. Keine Frage: die Kunst des Weglassens, Tesla hat sie perfektioniert.

Dieser Minimalismus zieht sich durch das gesamte Fahrzeug. Es gibt zunächst nur einen Motor, nur einen Vorwärts- und Rückwärtsgang, nur ein angetriebenes Radpaar, nur einen Kühlkreislauf für das gesamte System. Trotzdem ist Ampelvollgas auch im Model 3 ein Erlebnis. Das Getriebe packt 525 Newtonmeter und wuppt sie an die Hinterräder, die ohne durchzudrehen an die Schlupfgrenze heranjaulen. Selbst auf niedrigen Reibwerten wacht das nicht abwählbare Triumvirat aus ABS, ASR und ESP über das stets unkritische Eigenlenkverhalten. Tesla nennt für die Beschleunigung von null auf 100 Stundenkilometer einen Wert von 5,3 Sekunden. Der Wagen läuft zwar 225 Stundenkilometer Spitze, doch schon bei Tempo 160 kann man im Mäusekino dabei zusehen, wie Ladezustand und Reichweite schrumpfen. Unter idealen Bedingungen soll der Wagen mit einer Batteriefüllung 500 Kilometer weit fahren können.

Aufgeladen wird am Supercharger, wo die volle 40-Minuten-Dröhnung für das Model 3 im Gegensatz zu den großen Teslas nicht mehr kostenfrei ist. Zwei Rekuperationsmodi helfen beim Stromsparen. Überzeugte Null-Emissions-Jünger starten vermutlich im Standardprogramm, aber es dürfte nicht lange dauern, bis selbst Samtpfoten umschalten in die niedrigere Rückgewinnungsstufe. Der Grund: Die Bremswirkung ist sonst derart ausgeprägt, dass man in kurzen Intervallen immer wieder nachlegen muss, um nicht zuviel Tempo zu verlieren. Wer lange genug mit dem Gasfuß übt, findet irgendwann jene mittlere Position, die den Freilauf aktiviert. Defensive und vorausschauende Fahrer steigen im Model 3 deshalb nur noch in Ausnahmefällen auf die Bremse - das ist Entschleunigung pur.

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Mit einem cw-Wert von 0,23 ist das Schrägheck ohne Heckklappe ein Aerodynamik-Meisterstück. Das liegt nicht nur an der kleinen Stirnfläche und der glatt geföhnten Umströmung, sondern auch an der knapp bemessenen Bodenfreiheit, die Unterflur-Turbulenzen schon im Ansatz auflöst. Der Nachteil dieses Höhenstands sind die eingeschränkten Federwege, die in Verbindung mit den breiten Winterreifen den Fahrkomfort deutlich einschränken. Lange Bodenwellen und Spurrinnen sind weniger das Problem, aber auf Querfugen aller Art reagiert das Model 3 außerordentlich empfindlich. Teilweise Abhilfe verspricht die Luftfederung, die von diesem Sommer an in Verbindung mit Allradantrieb und dem stärkeren 90-kWh-Akku angeboten werden soll.

Hohe Richtungsstabilität samt Klettverschluss-Straßenlage

Der Kraftaufwand der Lenkung ist bei unveränderter Übersetzung in drei Stufen verstellbar. An Ansprechverhalten, Präzision und Rückmeldung gibt es wenig auszusetzen, aber wie andere Hersteller hat es auch Tesla nicht geschafft, aus der elektrisch unterstützten Lenkung eine gewissen Indifferenz heraus zu programmieren. Verzögert wird prompt und mit gutem Stehvermögen, aber das Pedalgefühl ist passiv und die Dosierbarkeit entsprechend hölzern. Auf der Habenseite bürgen der niedrige Schwerpunkt, die üppige Bereifung und die kompetent abgestimmte Radaufhängung für hohe Richtungsstabilität samt Klettverschluss-Straßenlage. Querneigungseskapaden in schnellen Kurven sind ebenso wenig ein Thema wie das Einknicken des Vorderwagens bei scharfen Bremsmanövern.

Am Autopilotsystem von Tesla scheiden sich seit jeher die Geister. Während die Gusseisernen jede Gelegenheit nutzen, das Lenkrad aus der Hand zu geben, hadern Kritiker mit der Verlässlichkeit des Systems. Nach Schwierigkeiten mit der ersten Hard- und Software-Generation kommt im Model 3 die angeblich stabilere Beta-Version zum Einsatz, die acht Kameras und zusätzliche Sensoren einsetzt und auf deutlich größere Datenmengen zugreifen kann.

Der Computer fährt, der Mensch kommt ins Schwitzen

Bei guten äußeren Bedingungen leistet Kollege Computer in der Tat Dienst nach Vorschrift, doch bei Regen, Schnee und Dunkelheit wächst die Wahrscheinlichkeit, dass der Autopilot ansatzlos aussteigt. Auch enge Kurven, hohes Tempo und fehlende Bodenmarkierungen bringen die Chips aus dem Konzept. Auf der I-75 nördlich von Detroit fuhr der virtuelle Chauffeur indes minutenlang ohne Lenkeingriff einen sauberen Strich und ließ sich weder von Fahrbahnteilern noch von Ab- und Auffahrten aus dem Konzept bringen. Der mit Verbrennern aufgewachsene Mensch am Volant kam dagegen sehr ins Schwitzen - von abschalten keine Spur.

Das größte Problem des Model 3 ist, dass es viel zu wenige davon gibt. Tesla nennt weder feste Liefertermine noch ein Zeitfenster für die Verfügbarkeit der günstigeren Einstiegsvariante. Aktuell wird ausschließlich die 75-kWh-Einheitsausführung mit Premiumpaket und Glasdach produziert. Der Kunde kann allenfalls zwischen zwei Radgrößen und sechs verschiedenen Lackfarben wählen. Ob von Juli an tatsächlich die versprochenen 20 000 Autos pro Monat vom Band rollen, ist völlig unklar. Absolut eindeutig ist dagegen unser Votum für das Model 3 als erste Wahl innerhalb der Tesla-Palette. Das 4,70 Meter kurze Schrägheck kostet schließlich mindestens 33 000 Euro weniger als die Rivalen aus dem eigenen Haus, ohne dass man dabei wesentliche Abstriche in Bezug auf Außenwirkung, Fahrspaß und Umweltverträglichkeit machen müsste.

Elektro-Auto, Tesla stellt "Model 3" vor (Video: Süddeutsche Zeitung/wochit)
© SZ vom 17.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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