Elektroauto-Hersteller:Tesla - eine Firma auf Speed

Tesla - first all-electric SUV Tesla Model X

Nicht nur die fehlerhaften Flügeltüren des Model X bereiten Tesla Sorgen. Bald soll ein kompakter Elektro-Viertürer die Zukunft des Unternehmens sichern.

(Foto: dpa)

Tesla funktioniert wie ein Dragster: Maximale Beschleunigung - nicht nur auf der Straße. Doch in jüngster Zeit häufen sich die Probleme. Wie lange geht das gut?

Report von Joachim Becker

Kann schon sein, dass das Autofahren in Deutschland erfunden wurde. Aber die USA haben als Leitmarkt wesentliche Autotrends geprägt. Das gilt nicht nur für die SUV-Mode, sondern auch für die Erfolgsgeschichte der japanischen Hybridmodelle - und den Durchbruch der reinen Stromer. "Wir machen Elektroautos sexy", sagt Diarmuid O'Connol, "und wir verstehen nicht, warum noch kein anderer Hersteller dieses Erfolgsrezept kopiert hat."

Teslas Direktor für Geschäftsentwicklung ist seit 2006 dabei: "Damals waren wir zehn Leute, heute sind es 14 000." O'Connol hat 2008 den Tesla Roadster eingeführt und 2012 das Model S - S wie Sedan, also Limousine. Anfang März wird das Model X seine Europa-Premiere auf dem Genfer Autosalon feiern. Wenn alles nach Plan läuft, geht es kurz danach hierzulande in den Verkauf. Aber was lief bei Tesla jemals genau nach Plan?

Flügeltüren bereiten Tesla Probleme

Tesla verleiht Flügel - zumindest für das Model X mit seinen nach oben öffnenden Fond-Türen scheint das zu stimmen. Der siebensitzige Crossover soll für umgerechnet 117 000 Euro in der Premieren-Version "Signature" nach Europa kommen. Der hohe Preis ist nicht die größte Hürde bei der Modelleinführung. Gravierender sind die Qualitätsprobleme bei den sogenannten "Falcon Wings". Die riesigen Falkenflügel sind an einem schmalen Rückgrat in der Mitte des Daches aufgehängt. Das sieht cool aus, wenn sie elektrisch hochfahren und das staunende Publikum durch das gesamte Fahrzeug blicken kann. Die Fondsitze scheinen auf filigranen Trägern fast zu schweben: Schöner Wohnen im Automobil-Interieur - so ästhetisch und modern hat man sich Elektroautos immer vorgestellt.

Doch der aufwendige Klappmechanismus ächzt im Vergleich zu konventionellen Türen unter deutlich mehr Gewicht. Die anfänglich vorgesehenen Hydraulikantriebe für die Flügeltüren verloren Öl, liefen heiß und quittierten den Dienst. Nach Angaben des Wall Street Journals hat Tesla deshalb den bayerischen Zulieferer Hoerbiger verklagt und auf Elektroantriebe umgestellt. Doch das waren nicht die einzigen Probleme. Auch die schnelle mechanische Alterung der Karosserieteile und Spannungsrisse im Weichmetall Aluminium verzögerten den Serienstart des Model X um mehr als ein Jahr.

Leichtgewichte sind die Tesla-Stromer ohnehin nicht. Schon das Model S ist mit 2108 kg ohne Fahrer schwerer als die S-Klasse von Mercedes. Beim Model X kommen noch einmal rund zehn Prozent Gewicht obendrauf. Allein das Akkupaket mit bis zu 90 kWh Kapazität schlägt mit mindestens 600 Kilogramm zu Buche. Ein Stahlkäfig zwischen den Achsen schützt nicht nur die empfindlichen (und feuergefährlichen) Zellen, sondern auch die Passagiere. Dagegen baut die Aluminiumkarosserie mit 362 kg relativ leicht. Aber gerade diese innovative Leichtbaukonstruktion macht nun Probleme, die Tesla mit härteren Aluminium-Legierungen in den Griff bekommen will. Auch die elegante Lagerung der Rücksitze auf einzelnen Monoposto-Trägern sorgt für jede Menge Ärger bei den Qualitätsprüfern.

Elon Musk rechnet mit weniger Fahrzeugen für 2016

Wie so oft wollte Tesla-Chef Elon Musk die Wettbewerber überflügeln. Er hält viele Autobosse für rückständige "Petrol Heads", Benzinköpfe. Doch die Manager mit Benzin im Blut können angesichts der Tesla-Eskapaden nur den Kopf schütteln: Vom Model X sieht man Anfang Januar nur wenige Rohkarosserien in der Tesla-Fabrik. Die Silberlinge wurden offensichtlich von Hand nachgearbeitet. Das ist typisch für eine Vorserienproduktion - aber für die Fertigung von Kundenmodellen alles andere als üblich. Eigentlich soll das Crossover-Modell vom gleichen Band laufen wie die Limousine. Doch der Anteil von Gleichteilen schrumpfte in der Entwicklung deutlich unter den Zielwert von 60 Prozent - und die Produktion stockt immer wieder: "Momentan produzieren wir 250 Model X pro Woche, geplant waren eigentlich 1000 Stück pro Woche", gibt Tesla-Kommunikations-Chef Ricardo Reyes zu.

Wenn kein Wunder geschieht, wird Tesla-Boss Elon Musk im Frühjahr wohl die bisherige Produktionsplanung von 50 000 Model X für dieses Jahr revidieren. Bei einem konventionellen Autobauer würden jetzt die Alarmglocken klingeln. Bisher haben die Investoren bei Tesla jedoch Nachsicht walten lassen. Schließlich sind sie Kummer gewohnt. Schon oft wurde das Start-up-Unternehmen als Pleitekandidat gehandelt.

Schwarze Zahlen schreiben die Kalifornier noch lange nicht. Deshalb ist Tesla ein Unternehmen auf Speed. Wie bei einem Internet-Start-up zählt weniger die Rendite, sondern allein die Wachstumsgeschwindigkeit. Schon bald sollen in Freemont 500 000 Autos pro Jahr gebaut werden. Doch dafür muss erst einmal das Model X mit seinen Flügeltüren abheben. Der Crossover muss Geld für den Kauf neuer Maschinen verdienen. Wenn sich der Hochlauf weiter verzögert, steckt Tesla in einem Teufelskreis.

Kompaktmodell entscheidet über Tesla-Zukunft

Richtig auf Stückzahlen will der US-Autobauer mit einem kompakten Elektro-Viertürer kommen. Das Model 3 entscheidet über die Zukunft von Tesla. Bei einem Werksbesuch in Fremont fällt sofort auf, dass noch keine einzige Anlage für die Produktion der dritten Modellreihe steht. Anfang April wird das rund vier Meter lange Elektrowägelchen voraussichtlich vorgestellt. Noch feilen die Designer in einem Hochsicherheitsstudio in Los Angeles am ersten Mittelklassemodell der Marke. Ende 2017 soll es für etwa 35 000 US-Dollar auf den US-Markt kommen. Für diesen Einstandspreis gibt es lediglich eine elektrische Reichweite von rund 300 Kilometern - was auch die meisten anderen Elektrofahrzeuge bis dahin erreichen werden.

Derweil wird das Werk weiter umgebaut. Vor zwei Jahren standen die relativ kurzen Fließbänder für das Model S ziemlich verlassen in der ehemaligen GM-Fabrik. Jetzt glänzt eine komplett neue Fertigungsstraße auf der Ostseite des Komplexes aus dem Jahr 1962. Hier sollen Limousine und Crossover künftig in größeren Stückzahlen hergestellt werden - wenn endlich alles fertig ist.

Neues Batteriewerk in Nevada ermöglicht günstigeren Preis

Entscheidender für den relativ günstigen Preis des Volks-Tesla ist allerdings ein eigenes Batteriewerk in Nevada. Zusammen mit dem lang gedienten Partner Panasonic wollen die Kalifornier neue Energiespeicher herstellen, die trotz höherer Energiedichte rund 30 Prozent günstiger sein sollen. "Viele Experten haben einen derartigen Fortschritt erst für die Zeit nach 2025 prognostiziert", gibt sich Diarmuid O'Connol selbstbewusst. Doch Teslas Vorsprung in Sachen Leistungsdichte schmilzt zusehends. Andere Batteriehersteller holen mit einer weniger feuergefährlichen Zellchemie auf.

In der sogenannten Gigafactory, rund 350 Kilometer entfernt von San Francisco, läuft bereits die Produktion von Energiespeichern für den Hausgebrauch. Panasonic hat 1,5 Milliarden US-Dollar in die Anlage investiert, die komplett mit Öko-Strom betrieben wird. Das ist ein wesentlicher Fortschritt, denn bisher stand die Tesla-Attitüde als Klimaretter auf tönernen Füßen: In den wenigsten Vergleichstests zwischen elektrisch und konventionell angetriebenen Autos wird der ökologische Fußabdruck bei der Herstellung von Lithium-Ionen Batterien eingerechnet. Bei der Produktion eines Energiespeichers mit 20 Kilowattstunden (kWh) fallen im Schnitt rund 2,5 Tonnen CO₂ an. Ein Elektroauto muss also erst einmal 20 000 Kilometer fahren, bevor eine "schwarze Umwelt-Null" herauskommt. Beim Tesla Model S und X mit ihren Riesen-Batterien von bis zu 90 kWh sind es viermal so viele Kilometer. Erst mit Öko-Strom in der Fertigungs- und Nutzungsphase sieht die Energiebilanz der Stromer wirklich besser aus als bei konventionellen Autos.

Tesla ist Technologieführer und Trendsetter

Tesla-Kunden hat die Milchmädchen-Rechnung in der Ökobilanz bisher nicht gestört. Sie haben die Spurtstärke des Elektro-Sportlers ebenso genossen wie das Gefühl, Trendsetter zu sein. Erst belächelt, dann gefürchtet hat sich Tesla in zehn Jahren zu einem Technologieführer hochgearbeitet. Das gilt nicht nur für die E-Antriebsarchitekturen, sondern auch beim Updatefähigen Elektronik-Bordnetz und den großformatigen digitalen Anzeigesystemen im Auto.

Schon erstaunlich, dass die Kalifornier selbst beim automatisierten Fahren in der ersten Startreihe stehen: Der Autopilot im Model S kann vieles, was auch der BMW Siebener und die neue Mercedes E-Klasse mit dem Drive Pilot an teilautonomen Chauffeurs-Dienstleistungen bieten. Alles im grünen Bereich also? Mit schnellen Innovationszyklen ist Tesla den IT-Unternehmen im Silicon Valley ähnlicher als den etablierten Autoherstellern in Detroit. Mit nostalgischen Muscle Cars und Pick-up-Trucks lässt sich derzeit allerdings prima Geld verdienen. Auch wenn Tesla bei der eigenen Ladeinfrastuktur bisher auf staatliche Subventionen verzichtet hat: Ohne Kaufprämie haben Elektroautos noch keine Chance. Der Weg zum Massenmarkt für die Stromer ist kein Sprint, sondern ein Langstreckenrennen. Diese Ausdauer müssen Elon Musk und seine Truppe erst noch beweisen.

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