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Elektro- statt Verbrennungsmotor:Ampere sticht Oktan

Elektroautos warten noch immer auf ihren Durchbruch, aber es gibt erste Anzeichen eines Umdenkens. Schon heute steht fest: Wenn die Rahmenbedingungen stimmen, kann die E-Mobilität ein Erfolgsmodell werden.

Von Patrick Illinger

Wie viele Zylinder sollte ein Auto haben, das mehr als 120 000 Euro kostet? Doch mindestens acht, vielleicht auch zehn oder zwölf, würden traditionell geprägte Autofans sagen. Und der Hubraum? Nun, weniger als drei Liter dürften es wohl kaum sein, eher vier oder fünf.

Was also ist los, wenn zu dem genannten Preis gerade Mal drei Zylinder und 1,5 Liter Hubraum angeboten werden? Geht es um einen vergoldeten Rasenmäher für Vorgärten in Dubai? Keineswegs. Es ist ein neuer Sportwagen von BMW, der i8, der in diesen Tagen in den Handel kommt, ein Zweisitzer mit Flügeltüren und 360 PS. Der klassische Verbrennungsmotor mit den drei Zylindern ist dabei nur die halbe Wahrheit. Die andere Hälfte ist ein Elektroantrieb. Der i8 ist ein Hybridauto und ein weiterer Schritt in einer erstaunlichen, nicht mehr aufzuhaltenden Entwicklung in der Automobiltechnik. Es geht um den Anfang vom Ende des Verbrennungsmotors.

Hybridautos - zu Blech gewordene Jutesäcke?

Hybridautos, das waren noch vor wenigen Jahren die weithin verlachten, besonders von der deutschen Autoindustrie lautstark als Fehlkonstruktion gebrandmarkten Ökomobile. Den Anfang machte seinerzeit der Toyota Prius, der das Image eines zu Blech gewordenen Jutesacks nie recht loswurde. Ganz zu schweigen von reinen Elektroautos, die in den Augen vieler Menschen allenfalls für Golfplätze oder die Altenpflege taugen.

Da hat die halbherzige Unterstützung der Politik nicht viel genutzt. Ebenso wie das eifrige Bemühen von Klimaschützern, die neue Antriebstechnik als Beitrag zur Weltrettung zu verkaufen. Nein, von Vernunft angetrieben kaufen Menschen Staubsauger mit Pollenfilter oder bandscheibenschonende Matratzen. Aber doch kein Auto. Und wenn die junge Familie Platz für einen Kinderwagen im Heck braucht, rüstet der Vater den Kombi möglichst mit 200 PS auf. Ein bisschen Spaß, ein bisschen Protz, ein bisschen Show muss sein. Das ist automobile Realität. Anders wäre ja auch nicht zu erklären, wieso sich Millionen Menschen mit wuchtigen SUVs durch Städte drängeln, die aussehen wie Geländewägen, aber keine sind.

Selbst "Top Gear" ist begeistert

Image entscheidet beim Thema Auto. Und genau hier lag bislang das Problem der Elektromobile. Insofern konnte man nur den Kopf schütteln, als BMW im vergangenen Jahr mit dem i3 einen ersten Elektroflitzer vorstellte, dessen Design alle Vorurteile über die Skurrilität von Elektrofahrzeugen bestätigte. Muss ein Elektroauto unbedingt aussehen wie eine von koreanischen Designern entworfene Playmobil-Ambulanz?

Ganz und gar nicht, wie der kalifornische Hersteller Tesla beweist. Die Firma setzt erst gar nicht auf magersüchtige Kleinwägen, sondern katapultiert eine schnittige, 400 PS starke, vollelektrische Rennmaschine in den Markt, die sich mit sämtlichen Oberklasse-Modellen traditioneller Hersteller messen kann. Wer das Gaspedal eines Model S von Tesla durchtritt, verliert innerhalb der vier Sekunden, die es von null auf hundert dauert, jedes Vorurteil über elektrische Antriebe. Noch vor wenigen Jahren hat die für radikalen PS-Fanatismus bekannte Redaktion des BBC-Automagazins Top Gear ein frühes Modell von Tesla lächerlich gemacht. Das neue Model S ließ die Redaktion kürzlich gegen einen Maserati antreten und bezeichnete es als das wichtigste Auto, das die Redaktion je getestet habe. Der Wagen drohe die traditionelle Autoindustrie ähnlich umzukrempeln wie Amazon einst den Einzelhandel oder iTunes die Musikindustrie.

Keine Frage, noch ist es - zumal in Europa - ein Nischenpublikum, das ein Elektroauto anschafft. Längst nicht befriedigend gelöst ist die Frage, wie der aus tausenden Laptop-Batterien bestehende Tank auf langen Strecken geladen wird. Doch muss man sich klarmachen, dass die Forschung auf dem Gebiet der Batterietechnik derzeit schwindelerregende Fortschritte macht. Es wird - und das ist keine gewagte Prognose, sondern im Labor Realität - bereits in wenigen Jahren drei bis fünf Mal so leistungsfähige Akkus geben wie heute. Damit sind dann Fahrstrecken von 1000 Kilometer kein Problem mehr. Gleichzeitig werden Ladezeiten kürzer. In den USA entsteht derzeit ein flächendeckendes Netz von Stromtankstellen.

Natürlich muss auch die Energie für Elektroautos erzeugt werden. Doch passt die Elektromobilität viel besser in eine Zukunft mit regenerativen Energien als der klassische Ottomotor. Fossile Brennstoffe sollte sich die Menschheit für Flugzeuge aufheben, wo Alternativen zum Kerosin schwer vorstellbar sind. Für die Autoindustrie wäre beispielsweise auch vorstellbar, dass in Zukunft an Tankstellen nicht Strom gezapft wird, sondern Akkus wie bei einem Boxenstopp ausgetauscht werden. Die leeren Akkus könnten an den Tankstellen geladen werden, genau dann, wenn Windräder und Solaranlagen wetterbedingt kräftig Strom liefern. Die Akkus von Elektroautos wären somit die Lösung der bislang offenen Frage, wie man die phasenweise überschüssige Leistung regenerativer Energiequellen abfedert.

In der Summe lassen sich Fahrspaß und Weltrettung womöglich kombinieren. Der offensichtliche Imagewandel von elektrischen und teilelektrischen Antrieben macht Hoffnung. Dazu trägt mittlerweile sogar der Motorsport bei. In der Formel 1, einst das Elysium ökologisch unkorrekter Benzinverschwendung, wird mittlerweile mit Hybridmotoren gefahren.

Dumpfer Konservatismus der Autoindustrie

Antiquiert wirkt dagegen das Beharrungsvermögen von Automanagern wie dem Volkswagen-Paten Ferdinand Piech. Elektroautos hätten in seiner Garage keinen Platz, "wir brauchen keine brennenden Autos" ätzte er kürzlich in Anspielung auf einen Unfall in den USA, bei dem ein Tesla in Brand geraten war. Als wäre Benzin nicht entflammbar.

Mit derart dumpfem Konservatismus läuft die für Deutschland so wichtige Autoindustrie Gefahr, eine gewaltige Entwicklung und entsprechende Chancen zu verpassen. Dass deutsche Hersteller derzeit kräftig nach China exportieren, sollte sie nicht blenden. Es ist doch absehbar, dass die Chinesen den Smog ihrer Metropolen satt haben und Elektroautos schon aus Selbstschutz willkommen heißen werden.

Damit einhergehen wird ein noch völlig unterschätzter Kulturwandel. Die Städte werden ruhig. Die Lebensqualität wird zunehmen. Das Brummen von Dieselmotoren, das Röhren von Sportauspuffen, das stete Rauschen auf Landstraßen und Autobahnen wird Vergangenheit sein. Und wenn es die deutsche Industrie richtig macht, wird sie noch jahrzehntelang Autos verkaufen. Auch wenn darin nicht mehr die sperrige und veraltete Technik aus dem 19. Jahrhundert knattert, bei der pausenlos Treibstoff explodiert, ölige Zylinder auf und ab rasen und Getriebe, Kurbelwellen und Achsen antreiben.

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Quelle:
SZ vom 12.04.2014/hart
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