Süddeutsche Zeitung

Elektro-Mobile der Zukunft:So verstromt sich die Auto-Industrie

Wird 2013 als Jahr der Elektro-Wende in die Autogeschichte eingehen? Noch sind die Kosten hoch, die Reichweite gering, die Technik zickt - aber nun macht das Fahren Spaß.

Von Joachim Becker

Unser Auto des Jahres 2013 ist ein schlanker Kleinwagen mit dünnen Reifen: Der BMW i3 sieht zwar nicht aus wie ein typischer BMW. Beim Ampelspurt hängt er aber locker die Armada von pseudosportlichen Anabolika-Autos ab. Während sie Wagenlänge um Wagenlänge zurückfallen, hat man Zeit, über antiquierte Fortbewegungsmittel nachzusinnen: Warum fahren wir in der Stadt noch mit Verbrennungsmotoren, die einen Großteil der eingesetzten Energie einfach verheizen? Die Antwort ist in den Wintermonaten ziemlich simpel: Weil Elektroautos vieles können - nur nicht die Passagiere unterwegs mollig wärmen.

Also Schal und Wintermantel festgezurrt und in die Zukunft gestartet: Geringes Gewicht und Heckantrieb mit dem vollen Drehmoment aus dem Stand - im Citysprint ist der BMW i3 kaum zu schlagen. Auch beim Stop-and-go geht er unglaublich effizient mit seiner gespeicherten Energie um. Nach einer halben Stunde im Berufsverkehr verharrt die Anzeige noch wie festgenagelt auf der Startreichweite. Bei Richttempo auf der Autobahn kann man allerdings zuschauen, wie die gespeicherte Energie im Zeitraffer schmilzt. Im Durchschnitt kamen wir mit dem kleinen Adrenalin-Kickstarter gut 120 Kilometer weit. Im Eco-Plus-Modus waren es 20 Kilometer mehr, aber dann sank der Wärmekomfort endgültig unter die Wahrnehmungsschwelle.

Leise, souverän und sauber

Fazit der Testfahrten: Hinter dem Steuer neuer Elektroautos wie dem BMW i3, dem VW E-up und dem Tesla Model S fühlt man sich den Otto-Normalfahrern weit überlegen. So leise, souverän und sauber müssen alle Autos werden. Wenn nur nicht der bange Blick auf die Reichweitenanzeige wäre. "Momentan sagen uns die Zulieferer, dass die Lithium-Ionen-Batterie ihre Energiedichte in fünf Jahren verdoppeln wird - das wäre beim BMW i3 dann eine Reichweite von mehr als 300 Kilometer", verspricht BMW-Chef Norbert Reithofer. Vorher wird es mit der elektrischen Massenmobilität wohl nichts werden, auch weil die Stromer im Verhältnis noch zu teuer sind.

Sicher ist aber auch, dass dieses Jahr eine Zeitenwende bei den heimischen Herstellern bedeutet. BMW, Daimler und Volkswagen haben etliche Milliarden Euro in alternative Antriebe gesteckt, um die Konkurrenz nicht noch einmal wie beim Hybridfahrzeug davonziehen zu lassen. Zudem sind die lokal abgasfreien Stromer ein Rettungsring für künftige CO₂-Limits: "Vielleicht schaffen wir mit konventionellen Technologien ein Flottenziel von 120 Gramm CO₂ pro Kilometer. Aber dann ist Schluss, dann ist technisch alles ausgereizt", erklärt Norbert Reithofer, "um bis 2021 auf die für BMW vorgeschriebenen 101 Gramm in der EU zu kommen, brauchen wir eine fünfstellige Zahl von Elektroautos pro Jahr. Andernfalls könnten wir in Europa nur noch kleine Autos verkaufen."

E-Mobile bleiben wohl Kurzstrecken- und Pendlerfahrzeuge

Auch Volkswagen hat 2013 zum Jahr der Elektromobilität ausgerufen. Um den Absatz des neuen VW E-Up und E-Golf zu fördern, sollen 100 Händlerbetriebe mit Schnellladestationen ausgestattet werden. Die Elektrotankstellen verkürzen die Ladezeit von mehreren Stunden auf 30 Minuten, um 80 Prozent der Batteriekapazität nachzufüllen. Doch auch die 50 Schnellladestationen, die Tesla bis Ende nächsten Jahres in Deutschland einrichten will, sind nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Die japanische Regierung hat eine dreiviertel Milliarde Euro für den Ausbau der Ladeinfrastruktur ausgelobt: Die bestehenden 1700 öffentlichen Schnellladestationen sollen demnächst auf fast 6000 Stück erweitert werden. Toyota, Honda, Nissan und Mitsubishi wollen sich an der Netzentwicklung beteiligen, um Elektrofahrzeuge auch für Überlandfahrten attraktiv zu machen.

Doch eine einfache Rechnung zeigt, wie ambitioniert dieses Projekt ist: Eine Benzinzapfsäule produziert bei Fahrzeugen mit 6,0 Liter/100 km Durchschnittsverbrauch rund 240.000 Kilometer Reichweite pro Tag - vorausgesetzt, sie wird die Hälfte der Zeit frequentiert. Unter denselben Rahmenbedingungen sieht die Rechnung auf der Stromseite ganz anders aus: Selbst mit einer ultrastarken Ladeleistung von 50 bis 120 kW produziert eine Schnellladestation nur zwischen 2400 und 5800 Kilometer Reichweite pro Tag - den Verbrauchsvorteil des batterieelektrischen Fahrens schon eingerechnet. Für dieselbe Tankleistung sind also fast 100 Mal so viele Stromzapfsäulen erforderlich. Daher bleiben die meisten E-Mobile wohl Kurzstrecken- und Pendlerfahrzeuge, die zu Hause oder am Arbeitsplatz geladen werden.

Tesla zeigt aber doch, wie es geht, wird sich mancher denken. Mit einem versprochenen Radius von fast 500 Kilometer und mehr als 300 Kilometer in Praxistests scheinen die Kalifornier das Problem der Reichweitenangst bereits gelöst zu haben. Erste Absatzerfolge der Elektrolimousine dürfen aber nicht über die Probleme dieser speziellen Systemarchitektur hinwegtäuschen: Das Model S hat den gesamten Fahrzeugunterboden mit Akkus gepflastert. Fahrzeugbrände nach Unfällen zeigen, dass diese Anordnung und vor allem die eingesetzte Batterie-Chemie trotz aufwendig gekühlten Batteriekäfigen anfällig für thermische Kettenreaktionen sind. Die Bilder von brennenden Elektrolimousinen wirken wie ein Fanal: Da fackelte nicht nur ein Tesla ab, sondern das Batterieauto an sich. Das wirklich dicke Ende könnte aber in Bezug auf die Lebensdauer der Akkus erst noch kommen.

"Tesla verwendet die Rundzelle, die jeder aus elektrischen Geräten im Haushalt kennt. Mit einer Nickel-Kobalt-Aluminium-Kathode und Grafit auf der Anode und mit ein bisschen Silizium versetzt. Da ist die Lebensdauer nicht sehr hoch", sagt Batterie-Experte Sven Bauer im Interview mit dem ADAC Elektro-Blog. Weit mehr hält der Chef von Europas größtem Batteriehersteller BMZ von neueren Entwicklungen: "Renault nimmt eine NCM-Pouch-Zelle. Die ist schon besser. Pouch-Zellen sind flach und haben eine Aluminiumfolie als Außenhaut. Der Nachteil ist, dass sie sich irgendwann aufblähen, das begrenzt die Lebenszeit. State oft the Art sind die Zellen, die im BMW i3 verwendet werden. Eine Nickel-Kobalt-Mangan-Zelle mit Festkern. Das heißt, mit einem festen Aluminiumgehäuse, laserverschweißt. Die ist so aufgebaut, dass sie 20 Jahre Lebenszeit hat."

Noch haben die 16.000 reinen E-Mobile und 65.000 Hybridmodelle in der deutschen Zulassungsstatistik Exotenstatus. Doch das könnte sich auch durch die sogenannten Plug-in-Hybride ändern. Die Kombination von Verbrennungsmotor und Traktionsbatterie erlaubt rein elektrisches Fahren in der City plus die gewohnte Reichweite auf Langstrecken.

China: Motor für Elektroautos

Bei der ersten Probefahrt hinterlässt der Audi A3 E-tron, der 2014 auf den Markt kommen wird, einen angenehmen Eindruck. 204 PS Systemleistung kaschieren geschickt das Zusatzgewicht des Elektroantriebs von gut 200 Kilogramm. Damit soll der E-tron idealerweise 50 Kilometer rein elektrisch fahren und dank des Elektrobonus im Durchschnitt nur 1,5 Liter pro 100 km verbrauchen. Doch der Normwert im Neuen Europäischen Fahrzyklus täuscht, wie bei allen Plug-in-Hybriden, über die Realitäten der meisten Kunden hinweg. Audi-Testfahrer haben im Durchschnitt zwischen drei und fünf Liter pro 100 km verbraucht, wenn sie den Wagen nicht ständig an einer Ladesäule nachtanken konnten.

Vor allem China könnte ein Motor sein, um die Doppelantriebe - und die Produktion von automobiltauglichen Lithium-Ionen-Batterien - auf Stückzahlen zu bringen. Die Autozulassungen in Metropolen wie Peking und Shanghai werden immer weiter limitiert. Nur (teil-)elektrische Fahrzeuge sind von den Beschränkungen ausgenommen. Wohlhabende Chinesen könnten nur zu gern bereit sein, den Aufpreis von rund 10 000 Euro gegenüber einem konventionellen Modell zu bezahlen, um eine Fahrzeugzulassung zu bekommen. Auf der IAA in Frankfurt war in diesem Jahr auch eine leichte und vor allem kostensparende Form der Hybridisierung zu bewundern. Zulieferer wie Bosch, Getrag und Continental haben die Serienentwicklung für 48-Volt-Bordnetze gestartet. In spätestens drei Jahren werden auch Benziner in der Mittelklasse damit zu Dreiliterautos.

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Quelle:
SZ vom 28.12.2013/goro
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