Elektrisches Verkehrskonzept:Diese Zauberboxen sollen Autos und Bahnen ersetzen

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Die Next-Module sollen entweder einzeln oder im Verbund fahren können. (Foto: Next)

Keine Vision mit selbstfahrenden Elektroautos geht so weit wie diese aus Italien. Fahren die Menschen der Zukunft in elektrischen Quadern - und bekommen dort gleich Kaffee serviert?

Von Thomas Harloff

Tommaso Gecchelin gestaltet Lampen, Möbelstücke, auch mal USB-Sticks und Türklinken. Das tut er nicht nur der schönen Formen wegen. Die Kreationen des italienischen Designers haben stets einen Hintergedanken, sie sollen praktischer und sicherer sein als die der anderen.

Zum Beispiel der Möbius, ein Auto, das Gecchelin 2010 gestaltet hat. Es zeichnet sich durch etwas aus, das die meisten Autodesigner heute eher vernachlässigen: die Rundumsicht. Dank der Form seines Aluminiumrahmens verlaufen die Fensterflächen fast rund um den Wagen herum. Zusätzlich sollen strategisch positionierte OLED-Kameras und -bildschirme dafür sorgen, dass die Möbius-Karosserie völlig frei von toten Winkeln ist - ein großer Sicherheitsgewinn.

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Damit endet Gecchelins Vision des zukünftigen Straßenverkehrs nicht. Sein aktuelles Konzept geht sogar weit über diesen Ansatz hinaus. Er nennt es unbescheiden " Next - The Future of Transportation". Wieder geht es um ein Fortbewegungsmittel mit hervorragender Rundumsicht. Trotzdem ist Next ganz anders als der zwar futuristische, aber doch noch klar als Auto zu erkennende Möbius.

Autonom fahrender Quader mit Elektroantrieb

Wie andere Verkehrskonzepte basiert der Ansatz des Teams um Gecchelin auf elektrisch betriebenen, sich automatisch bewegenden Fahrzeugen, die auf regulären Straßen rollen. Der Italiener stellt sie sich als eine Art Quader vor, rundum verglast, identisch groß. Sie sollen so kurz sein wie ein Smart, aber doppelt so hoch. In einem dieser Quader könnten in der normalen Konfiguration bis zu sechs Passagiere sitzend mitfahren, weitere vier im Stehen. Sie sollen aber auch als Transporter genutzt werden, mit denen Paketdienste ihre Sendungen ausliefern, oder als Speisewagen mit Kaffeetheke und Bar-Ambiente.

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Allein das wäre wohl noch keine große Idee, um die zunehmend verstopften Straßen in den Metropolen der Welt von Staus zu befreien. Deshalb geht Next einen Schritt weiter als etwa Google mit seinem selbstfahrenden Elektroauto. Gecchelins Quader sind modular aufgebaut. Sie können sich miteinander verbinden und während der Fahrt auch wieder lösen, wenn einzelne Passagiere abbiegen müssen. Der Rest dieser Baustein-Fahrgemeinschaft fährt weiter auf der eingeschlagenen Route.

Türen am Heck jedes Moduls ermöglichen es den Passagieren, wie zwischen Eisenbahnwaggons von einem Quader in den anderen zu laufen. Das kann nicht nur nötig sein, um zur Toilette zu gehen, die in einem anderen Quader eingebaut ist, sondern auch, um rechtzeitig in genau dem Quader zu sitzen, der sich als nächstes ausklinkt, um weiterzufahren.

Natürlich soll das Ganze digitalisiert funktionieren. Zum Konzept gehört die Next-App, mit der sich Nutzer nicht nur die nächstgelegene Box rufen sollen, um sich abholen zu lassen. Gecchelins Vision zufolge lässt sich per App auch das Ziel bestimmen, die Geschwindigkeit festlegen oder angeben, wie die Elemente kombiniert werden - etwa, ob ein Kaffee-Modul im Verbund enthalten sein soll.

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Startet Next schon 2020?

Darin soll der entscheidende Vorteil gegenüber konventionellem Öffentlichen Nahverkehr mit Bus und Bahn: Fahrgäste müssen sich nicht zu einer Haltestelle bewegen, Fahrpläne werden überflüssig. Zudem nutzt Next die bereits vorhandene Infrastruktur, die Quader soll im Verbund wenig Verkehrsraum gemessen an der Zahl transportierter Passagiere.

Schon 2020 soll sich das Next-Konzept umsetzen lassen, sagt Gecchelin. Da wird die Vision unrealistisch. Für seine Szenarien prognostiziert der Designer, dass Strom immer günstiger wird, die Reichweite von Elektroautos kontinuierlich steigen und ihre Ladezeiten immer weiter sinken. Außerdem soll die Technik autonomer Fahrzeuge schon bald so zuverlässig arbeiten, dass die Menschen ihr auch vertrauen. Natürlich müssen selbstfahrende Autos dafür auch bezahlbar und legal sein.

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Es gibt noch viele Probleme zu lösen

Aber all das sind Aspekte, an denen Politik, Justiz und Industrie derzeit noch arbeiten. Experten gehen inzwischen davon aus, dass alle Probleme rund um das autonome und elektrische Fahren allerfrühestens in zehn Jahren gelöst sind. Noch deutlich länger dürfte es dauern, bis die Mehrheit der Menschen wirklich hoch- oder sogar vollautomatisierte Fahrzeuge nutzt. Software-Entwickler stehen vor großen Herausforderungen, wenn sie die vielen benötigten Next-Modulen virtuell über die App und die Cloud miteinander harmonisieren wollen. Ebenso fraglich ist zum jetzigen Zeitpunkt, was die Nutzung der Next-Gondeln kosten wird. Und wie sich die Koexistenz zwischen den Next-Zügen und dem restlichen Straßenverkehr entwickeln würde.

Next existiert bislang lediglich auf Papier, Festplatten, in den Köpfen des Erfinders und seines Teams sowie als stark verkleinertes Modell. Aber als Vision einer Mischung aus individuellem und öffentlichem Verkehr für die ferne Zukunft hat Gecchelins Konzept eine Daseinsberechtigung. Vielleicht setzt es sich ja sogar durch. Dem Möbius-Auto ist das nämlich leider noch nicht gelungen. Trotz Panoramablick.

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