Elektrifizierte Zweiräder:Spaßmobile mit Schönheitsfehlern

Wann setzt sich bei schweren Motorrädern und großen Motorrollern der Elektroantrieb durch? Noch haben die Kunden Vorbehalte. Aber das könnte sich bald ändern.

Von Peter Fahrenholz und Marco Völklein

Wer an Elektromobilität auf zwei Rädern denkt, dem fallen als erstes die boomenden Pedelecs und E-Bikes ein. Auch Pizzaboten sind oft schon auf kleinen Elektrorollern oder -mopeds unterwegs. Aber bei Motorrädern oder Großrollern hat der E-Antrieb noch immer Exotenstatus. Für Motorradfahrer spielt dabei nicht nur die Batteriereichweite eine Rolle. Sondern auch die Angst, dass mit so einem leise surrenden Gefährt der Fahrspaß auf der Strecke bleibt, so ganz ohne Motorengeräusch und Auspuffsound. Doch diese Sorge ist völlig unbegründet, wie ein SZ-Test gezeigt hat. Im Einsatz waren zwei Elektromotorräder des kalifornischen Herstellers Zero sowie der Elektroroller C evolution von BMW.

Zero gibt es erst seit 2007, doch seither hat der US-Hersteller seine Maschinen stetig verbessert. Die beiden SZ-Testmaschinen, die Zero SR und die Zero DSR Black Forest, decken bei gleichem Motorenkonzept unterschiedliche Segmente ab. Die SR ist ein Straßenmotorrad für den urbanen Einsatz oder kürzere Touren, mit der Black Forest, einer Enduro, die mit Koffern und Sturzbügeln angeboten wird, will Zero zeigen, dass auch längere Touren oder Reisen mit einer Elektromaschine möglich sind.

Herzstück der Zero-Motorräder ist ein eigenständig entwickelter Elektromotor und eine leistungsstarke Lithium-Ionen-Batterie, die in zwei Größen angeboten wird. Trotz der nominell "nur" 69 PS (oder 60 PS bei der Black Forest) ist die Kraft, die dieses Paket entfaltet, atemberaubend und lässt die meisten konventionellen Motorräder alt aussehen. Von der ersten Sekunde steht das volle Drehmoment zur Verfügung. Kein Kuppeln, kein Schalten, keine Verzögerung durch ein Automatikgetriebe, sondern enormer Vortrieb, den man durch drei unterschiedliche Fahrmodi regulieren kann. In keiner Sekunde vermisst man einen röhrenden Auspuff oder das Pulsieren eines Verbrennungsmotors, sondern genießt ein gleitendes, ruck- und vibrationsfreies Fahrerlebnis. Zumal sich beide Maschinen sehr leicht fahren lassen.

Bleibt die Gretchenfrage nach der Reichweite. Bei der SR wird die maximale Reichweite mit 359 Kilometern angegeben, bei der Black Forest liegt sie bei 262 Kilometern. Allerdings sind dies theoretische Werte bei Idealbedingungen. Die Reichweite für einen kombinierten Verkehr aus Stadt, Landstraße und Autobahn liegt bei 242 Kilometern (SR) und 169 Kilometern (Black Forest). Das ist genug für den Kurzstreckenverkehr, denn wer das Motorrad an eine normale Haushaltssteckdose hängen kann, lädt es über Nacht wieder auf. Das dauert allerdings gut zehn Stunden. Für die Black Forest, die ja auch für größere Touren geeignet sein soll, ist eine solche Ladezeit natürlich indiskutabel. Hier sollte man unbedingt für zusätzlich knapp 2700 Euro einen Charge-Tank ordern, mit dem sich die Ladezeit an Level-2-Ladestationen deutlich verkürzen lässt, Mit einer Stunde Ladezeit sollen so bis zu 150 zusätzliche Kilometer möglich sein.

Viele kritisieren den Lärm der Motorräder - mit dem E-Antrieb wäre dieser Streit beigelegt

Haupthindernis für einen Umstieg ist allerdings der Preis, denn der ist happig. Für eine SR mit großer Batterie werden knapp 16 000 Euro fällig, die DSR Black Forest mit Charge Tank kostet gar mehr als 24 000 Euro. Damit bewegt man sich im Motorrad-Luxussegment. Trotzdem wird der Elektroantrieb bei Motorrädern künftig einer immer wichtigere Rolle spielen, denn auch in der Motorradszene sorgen die immer wieder aufflammenden Diskussionen um Streckensperrungen wegen zu großer Lärmbelästigung für Unruhe.

Bei den Motorrollern könnte sich der E-Antrieb schneller durchsetzen. Im Segment der oft als Stadtflitzer eingesetzten Fahrzeuge sind bereits mehrere Hersteller aktiv. Zu den wenigen leistungsstärkeren E-Rollern zählt der BMW C evolution. Der mit 48 PS Maximalleistung ausgestattete Stromer fährt sich - ähnlich wie die Zero-Bikes - extrem agil. Von der Ampel fegt der Roller weg. Das Höchsttempo wurde auf 129 Stundenkilometer begrenzt. Getestet wurde die Long-Range-Version, die bei sommerlichen Temperaturen und der relativ ebenen Topografie in und um München auf 150 Kilometer Reichweite kam - und damit recht nah an den von BMW versprochenen 160 Kilometern lag.

Im Alltagsbetrieb fiel auf, dass der Roller etwas zu wenig Stauraum bietet. Ins relativ kleine Fach unter dem Sitz passt ein Integralhelm nur mit Mühe, der hohe Mitteltunnel frisst zudem viel Fußraum. Und wer das Ladekabel samt Stecker im dafür vorgesehenen Fach im Windschild verstauen will, muss viel Geduld und einiges an Origami-Künsten mitbringen. Als nützlich erwies sich der Rückwärtsgang, um das 275 Kilogramm schwere Zweirad zu rangieren. Der Preis ist auch hier happig: Knapp 14 000 Euro verlangt BMW für die Basisversion mit 100 Kilometer Reichweite, die Long-Range-Variante kostet 1500 Euro mehr. Viel Geld für einen Scooter, der zwar Spaß bereitet, im Alltag aber auch Defizite aufweist.

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