Süddeutsche Zeitung

Einstieg in die Elektromobilität:Deutsche Autobauer spielen auf Zeit

Fuchs und Hase: Französische und japanische Autobauer haben bei Elektroautos die Nase vorn. Die deutschen Hersteller warten erst einmal ab. Sie spielen auf Zeit. Ihr Kalkül: Elektromobilität im großen Stil ist ein Thema von übermorgen.

Von Thomas Fromm

Wer in den vergangenen zwei, drei Jahren über Automessen lief, wunderte sich. Waren das noch die Shows der alten, stinkigen Autobranche? Oder waren all diese Wohlfühl-Lounges, japanischen Naturimpressionen und Elektroauto-Visionen auf Computerwänden schon die Vorboten einer neuen, grünen Mobilität? Irgendwie fühlte sich das alles ganz gut an. Aber es waren doch vor allem nicht mehr als: Visionen.

Detroit in diesen Tagen: Wieder eine Automesse, Elektroautos stehen diesmal in der dritten Reihe. Keine grünen Visionen mehr, dafür fette Acht-Zylinder-Motoren und eine Menge Luxus. Bei weißen Sitzen aus Nappaleder und 450 PS weiß man, was man hat. Bei Elektroautos weiß man das nicht.

Die Elektromobilität wird kommen

Man muss nicht gleich den Tod des Elektroautos proklamieren, wie dies einige Branchenexperten tun. Die Elektromobilität wird kommen. Allein schon, weil den Menschen auf kurz oder lang das Öl ausgeht. Nur: Pläne wie die der Bundesregierung, bis zum Jahr 2020 eine Million Fahrzeuge mit elektrischen Antrieben auf die hiesigen Straßen zu bekommen, kann man wohl erst einmal abhaken.

Es ist nicht wie früher - ein Auto, ein Tank, eine Tankstelle. Die Dinge sind diesmal komplexer. Experten meinen: Da es keine flächendeckende Auflade-Infrastruktur für die Batterien der Elektroautos gibt, werden auch keine Elektroautos verkauft. Und da keine verkauft werden, wird auch nicht in die Infrastruktur investiert. Also würde es genügen, wenn eine Seite anfängt, zu investieren. Ob es aber reicht, Europa mit einem Stromtankstellennetz zu überziehen? Kaum. Denn mit der ständigen Verfügbarkeit von Energie wäre nur eines der Probleme gelöst. Andere wären noch immer da.

Es fängt schon mit dem Strom an. Kommt er aus regenerativen Energie-Quellen? Nur dann wären E-Autos auch wirklich CO2-neutral. Kommt die Energie für Elektroautos aber zum größten Teil aus Kohlekraftwerken wie in China, wäre die Geschichte vom sauberen Elektroauto eine Illusion. Die Emissionen würden nur von den Innenstädten in die Vorstädte mit ihren Kraftwerkparks verlagert.

Und, das derzeit triftigste Argument gegen ein Elektroauto: Die Stromer sind wegen ihrer großen Batterien teuer, sehr teuer. Manchmal doppelt so teuer wie ein vergleichbarer Benziner. Und fahren dazu höchstens 150 Kilometer am Stück, bei 130 Km/h mit starkem Gegenwind und aufgedrehter Heizung auch einiges weniger. Wer gibt 30.000 Euro für einen elektrisch angetriebenen Kleinwagen aus, bei dem er Angst haben muss, es nicht einmal vom Mittleren Ring in München bis zum nächstbesten Berg und zurück zu schaffen?

Die Lösung heißt vorerst: Hybridautos. Es gab Zeiten, da lachte man über die Großversuche von Toyota, Verbrennungs- und Elektromotoren zu kombinieren. Hybrid - wie das schon klang. Inzwischen haben die meisten begriffen, dass es beim Thema Hybrid nicht unbedingt um botanische Experimente geht. Hybridantriebe sind so etwas wie die Brückentechnologie auf dem Weg hin zur reinen Elektromobilität. Der Übergang von der alten zur neuen Welt. Die Batterie für kurze Stadttrips, der Benzinmotor für den längeren Rutsch runter zum Gardasee.

In Zahlen: Im vergangenen Jahr wurden laut Kraftfahrtbundesamt in Deutschland 21.483 Hybridfahrzeuge neu zugelassen - gegenüber 2956 reinen Elektroautos. Zwar fährt noch immer nur ein Bruchteil der deutschen Autos mit alternativen Antrieben, aber der Trend ist eindeutig. Deshalb kooperiert Renault mit dem japanischen Autohersteller Nissan; Milliarden stecken die beiden in neue Technologien. BMW hat sich mit Toyota zusammengetan, um zu lernen, wie man am besten Hybridantriebe baut.

Es ist eine Glaubensfrage. Die deutsche Industrie setzt nach langem Zögern auf Hybridautos und ein bisschen auf Elektrofahrzeuge. Selbst Porsche macht mit und bietet für 768.000 Euro einen Porsche 918 an. Es geht zögerlich los. Opel hat seinen Ampera, BMW will in einigen Monaten den deutschen Markt mit seiner neuen Marke BMW i aufmischen: Ein Auto mit Elektroantrieb aus leichtem Carbon. VW hat den VW e-up auf dem Plan. Bei reinen E-Autos liegen die französischen Hersteller Peugeot und Renault - eigentlich von der Euro-Krise schwer gebeutelt - heute vor den Deutschen. Ihr Kalkül: Rechtzeitig einsteigen - und dann morgen den europäischen Markt beherrschen.

Erste Zahlen sind ernüchternd

Strom-Modelle wie der Peugeot iOn oder die Renault-Modelle Fluence, Kangoo, Twizy und Zoe sind alles andere als Verkaufsschlager. Paris hilft nach: Wer sich in Frankreich für ein Elektroauto entscheidet, bekommt eine Prämie von 5000 Euro. Die großen Staatskonzerne des Landes machen mit und stellen sich reihenweise französische Elektroautos in ihre Fuhrparks. Die Deutschen schauen erst einmal zu. Es geht nicht darum, als Erstes loszufahren, sondern als Erster anzukommen, sagen die Manager. Und bis dahin werde es eh noch dauern.

Solange viele Fragen ungeklärt und Elektroautos zu teuer sind, fährt man also langsam und auf Sicht. Und doch investieren alle längst ihre Milliarden in die neuen Technologien: zum Beispiel Zulieferer wie Bosch, Hersteller wie VW, Daimler und BMW. Es sind Investitionen in die Zukunft, die sich rentieren. Vielleicht in einigen Jahren. Oder Jahrzehnten.

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SZ vom 26.01.2013/goro
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