Eine Ausfahrt im Rolls-Royce Ghost:Was ist schon Geld?

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Es gibt keine schnöde Ausfahrt in einem Rolls-Royce. Vielmehr schwebt der Fahrer in dieser britischen Luxuskarosse über die Straße und irgendwie auch über den Dingen. Der Rolls-Royce Ghost entspannt die Insassen und ist dabei stets souverän. Unterwegs in der Schweiz.

Jörg Reichle

Es ist Jahrzehnte her, so Ende der 60er, da fuhren die tollsten Kerle auf dieser Welt Rolls-Royce. John Lennon, zum Beispiel. Oder der zerzauste Keith Richards. Der von Lennon war später in psychedelischen Farben lackiert, mit bunten Blümchen und Kringeln und so. Sehr imposant. Und alle diese Rolls-Royce schienen uns so souverän und abgehoben wie das Inselreich selbst: Ihr chromblitzender Kühler stand im Wind wie eine Galeone von Sir Francis Drake, die Kotflügel strömten ausladend entlang der Flanken und einsteigen konnte man fast ohne sich zu bücken. Keiner hätte es gewagt, so ein Auto kumpelhaft Rolli zu nennen. Es war eine Majestät.

Die Kühlerfigur Emily taucht auf oder verschwindet, je nachdem, ob die Zündung an- oder ausgeschaltet wird. (Foto: AFP)

Heute ist es anders. Nicht nur, weil Lennon tot ist und es keinen Rolls-Royce mehr gibt, der mit Blümchen bemalt ist. Die Herrschaften mischen sich jetzt, formal und farblich, unters Volk, ein Phantom oder der geringfügig kompaktere Ghost geben sich dezent. Eigentlich ist nur die Größe überragend. Mit seinen 5,40 Meter Länge verweigert sich der Ghost auch heute noch kleinbürgerlichen Garagen, er schöpft mit fast zwei Metern Breite jede genormte Fahrspur selbstbewusst aus. Und mit seinen 1,55 Meter Höhe hat er keine Mühe, den Strom der umgebenden Normalos weit zu überragen, SUVs ausgenommen.

Warum es trotzdem noch immer etwas Besonderes ist, einen Rolls-Royce zu fahren? Allein schon, weil die Lektüre der Farbkarte sozusagen auf der Zunge zergeht. Oder wie klingt das: Adriatic Blue, Darkest Tungsten, Jubilee Silver oder Metropolitan Blue, vielleicht kombiniert mit Leder in Moccasin und Holzfurnier Dark Wenge? Und genauso fühlt man sich, wenn man einmal Platz genommen hat.

Längst hat sich die noble Marke Rolls-Royce ja unter den rettenden Schirm von BMW begeben, entsprechend vertraut ist einem das eine oder andere Detail, ansonsten bettet man sich in ein ausladendes Ambiente aus Lambswool, Milchglas und schwerem Chrom, atmet Lederduft ein, erschauert ein bisschen vor Respekt, wenn man weit vor sich, am Ende der Haube die Emily im Blick hat, die auftaucht oder verschwindet, je nachdem, ob die Zündung an- oder ausgeschaltet wird.

Rolls-Royce Ghost
:Geisterstunde

In wirtschaftlich schweren Zeiten heißt es für Jedermann sparen - das hat sich sogar bis zu Rolls-Royce herumgesprochen. Deshalb gibt es den neuen Ghost bereits ab einer Viertel Million Euro.

Stefan Grundhoff

Nimmt der 6,6-Liter-V12 säuselnd die Arbeit auf, so erledigt er das ohne jedes Zeichen von Unwillen, selbst wenn man ihm, was unwahrscheinlich ist, seine volle Leistung vom immerhin 570 PS abverlangen sollte. Damit ließen sich theoretisch 100 km/h aus dem Stand in 4,9 Sekunden erreichen. Aber wer will das schon in einem Rolls-Royce, der allein deshalb so heißen könnte, weil man mit ihm lieber rollt als fährt. Entspannt, souverän und tolerant aller Welt gegenüber. Kein Zweifel: Dieses Auto macht einen besseren Menschen aus dir - jedenfalls dann, wenn man zuvor nicht das Geld verdienen musste, um ihn sich leisten zu können.

Wir durften in ihm die Schweiz durchmessen, Wunsch- und Wahlheimat aller Vermögenden Europas, passenderweise streng tempolimitiert und auch sonst sehr unaufgeregt. Natürlich weiß man sich im Ghost stets beschützt vom guten Geist des modernen Automobilbaus, von allerlei Assistenten, einer dynamischen Bremssteuerung und ebensolcher Stabilitäts-, Traktions- und Kurvenkontrolle. Ja, man ertappt sich sogar dabei, dann und wann, die weiche Urgewalt der 780 Newtonmeter Drehmoment auszukosten.

Am Ende aber überlässt man sich lieber der exquisiten Luftfederung, schwebt durch Wälder und überwindet flüsternd Höhenzüge, man lässt sich befächeln von der Vierzonen-Klimaanlage und vernimmt doch nur die Klänge aus den 16 Lautsprechern der 600 Watt-Anlage.

So quittiert man am Ende die meistgestellte Frage, wenn man mit diesem Wagen unterwegs ist, die nach dem Preis, mit einem feinen Lächeln und zuckt kaum wahrnehmbar mit den Schultern. Was ist schon Geld.

© SZ vom 30.07.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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