Echtzeit-Datendienst Park Now:BMWs suchen sich künftig selber eine Parklücke

Der neue BMW 5er als Erlkönig.

Testen im Tarnkleid: Der neue BMW 5er (Werkskürzel G30) in Wales.

(Foto: BMW)

Der Echtzeit-Datendienst "Park Now" debütiert im neuen 5er. Damit kommen die Münchner anderen Herstellern zuvor - sie streben nicht weniger als die Marktherrschaft an.

Analyse von Joachim Becker

Verliert der weiß-blaue Propeller an Schwung? BMW hat viele Jahre lang die Riege der Premium-Hersteller angeführt, dem Verbrennungsmotor das Saufen abgewöhnt und mit BMW i ganz neue Stromer-Architekturen gewagt. Ausruhen können sich die erfolgsverwöhnten Münchner auf den Pioniertaten nicht: Mercedes wechselt bei den Verkaufszahlen auf die Überholspur und Tesla fährt mit Elektrofahrzeugen voraus.

Als gäbe es nicht Baustellen genug, will BMW völlig neue Geschäftsfelder entwickeln: "Wir sind mit Park Now gerade dabei, durch Kooperationen oder Akquisitionen eine kritische Masse zu erreichen - wir wollen der größte Marktplatz für Parken werden", betont BMW-Entwicklungsvorstand Klaus Fröhlich.

Ein Drittel des städtischen Verkehrs sind Parkplatzsuchende

Mit Online-Diensten hat BMW das vernetzte Fahrzeug schon seit mehr als zehn Jahren vorangetrieben. Nach der aktuellen Stauwarnung soll jetzt auch die Echtzeit-Parkplatzsuche zum Erfolg werden. Übernimmt sich der relativ kleine Autohersteller mit solchen Ausflügen in die IT-Welt? Fakt ist, dass der Bedarf riesig ist, vor allem Stellplätze am Straßenrand müssen bisher offline auf gut Glück gesucht werden. Parkgebühren stellen zwar die zweithöchste Einnahmequelle der Kommunen dar, doch die Stellplätze gehen auch ohne Daten-Service weg wie warme Semmeln.

Apps, die mehr als statische Informationen zu den Öffnungszeiten, Gebühren oder Einfahrten von Parkhäusern liefern, sind Mangelware. Dank ihres Beschleunigungssensors können Mobiltelefone zwar einen Parkvorgang erkennen. Mit welcher Wahrscheinlichkeit die Lücke auch in fünf Minuten noch frei ist, wissen sie jedoch nicht: Ein Drittel des städtischen Verkehrs speist sich aus Parkplatzsuchenden, die wie Geier um die Blocks kreisen. Wer zu einem vermeintlich freien Parkplatz fährt, muss sich auf die Prognose verlassen können.

Der Aufwand für eine dynamische Echtzeitkarte ist hoch

Laut dem Statistik-Portal Statista sind 87 Prozent der Autofahrer an Lösungen für eine einfachere Parkplatzsuche interessiert. Doch der Aufwand für eine dynamische Echtzeitkarte ist hoch. Die Kunst besteht darin, aus den Rohdaten der Mobiltelefone, dem aktuellen Verkehrsaufkommen und vielen anderen, statischen Karten-Informationen eine hohe Treffergenauigkeit vorherzusagen. "Die Qualitätsanforderungen sind enorm. Wir glauben, dass wir einen deutlichen Vorsprung vor den Wettbewerbern haben", sagt Andreas Hecht, Geschäftsführer des Automotive-Bereichs von Inrix.

Als einer der führenden Anbieter von Echtzeitverkehrsinformationen hat Inrix gerade eine Partnerschaft mit der Navigations-App Waze bekannt gegeben. Auch die Mercedes E-Klasse und künftig weitere Modelle haben Zugang zur weltweiten Inrix-Parkplatz-Datenbank, die mehr als 29 Millionen Stellplätze an rund 90 000 Standorten in 4000 Städten und 64 Ländern umfasst.

Park Now feiert im neuen 5er Premiere

Dynamische Parkdaten vom Straßenrand kann aber weder die Mercedes-Lösung noch die App der Google-Tochter Waze liefern. Genau so eine vollständige Live-Karte wünschen sich aber 40 Prozent der Autofahrer. Gerade bei Vielfahrern, die geschäftlich unterwegs sind, dürfte die Begehrlichkeit besonders hoch sein. Was liegt da näher, als eine neue Business-Limousine mit diesem exklusiven Extra auf den Markt zu bringen? Mit dem Start des neuen BMW 5er Anfang des nächsten Jahres werden die Münchner ihren cloudbasierten Datendienst BMW Connected um das Echtzeitangebot Park Now erweitern.

Bereits 2015 hatten sie das Forschungsprojekt "Dynamische Parkwahrscheinlichkeitsprognose" zusammen mit Inrix in 23 Städten weltweit gestartet. Wird die Parkplatzsuche im Auto aktiviert, erscheinen farbige Randstreifen an den Straßen auf dem Display. Nach dem Ampelschema Rot-Gelb-Grün zeigt die Kartendarstellung auf dem Zentralbildschirm (als App auch auf dem Handy, der Smartwatch oder dem Computer), wo die Chancen auf einen Parkplatz am größten sind. Wie bei der Stauinformation Real Time Traffic wird die Anzeige im Fünfminutentakt aktualisiert und bietet eine Zielführung an. Außerdem organisiert das System den Bezahlvorgang anhand aktueller Informationen über Preise, Einlassbeschränkungen und Bestimmungen wie kostenlose versus kostenpflichtige Zeiten.

Ein erstes Konkurrenz-Angebot kommt frühestens 2018

Die intelligente Such- und Bezahlmaschine ist eine echte Marktlücke. Deshalb haben Bosch und Daimler gerade ein konkurrierendes Pilotprojekt angeschoben. Der Serienstart des "Community-based-Parking" ist jedoch nicht vor 2018 geplant. Anders als BMW und Inrix nutzen die schwäbischen Technologiepartner die ohnehin im Auto vorhandenen Ultraschallsensoren zur aktiven Parkplatzsuche: Bei Fahrten mit bis zu 55 km/h wird der Straßenrand kontinuierlich gescannt.

Doch auch hier genügt es nicht, die Daten einfach im Daimler-Vehicle-Backend zu sammeln. Im nächsten Schritt müssen sie in der Bosch-Cloud mit Methoden des Data-Mining und Machine Learning weiterverarbeitet werden. Bleibt etwa eine Lücke an einer viel befahrenen Straße ständig unbesetzt, ist dies mit hoher Wahrscheinlichkeit kein verfügbarer Stellplatz, sondern eher eine Ausfahrt. Im nächsten Schritt sollen auch die Abmessungen von freien Parkplätzen am Straßenrand in Echtzeit angezeigt werden.

Es braucht genügend vernetzte Autos

Die Lösung mit den Fahrzeugsensoren klingt raffiniert, hat aber einen Haken: Das Community-based-Parking setzt eine kritische Menge an vernetzten Autos voraus, die Lücken am Straßenrand vermessen und melden können. Bosch hat dazu zusammen mit der Technischen Universität München eine Studie durchgeführt.

Zentrale Frage: Wie viele Fahrzeuge müssen durch eine Straße fahren und Informationen zu Lücken am Straßenrand liefern, damit überhaupt eine digitale Parkplatzkarte erstellt werden kann? Ergebnis: Je nach Kategorie der Straße - Hauptverkehrsstraße, Nebenstraße oder ähnliches - reichen bereits etwas mehr als ein Prozent aller Fahrzeuge aus. Das klingt wenig, ist aber allein durch Wagen mit dem Stern auf dem Kühler nicht sicher zu gewährleisten. Um den Service deutschlandweit in einer guten Qualität anbieten zu können, ist die Zusammenarbeit mit mehreren Fahrzeugherstellern nötig.

Der Nutzer bezahlt mit den Daten aus seinem Auto

"Wir haben das Community-based-Parking ganz bewusst als offene Service-Plattform angelegt", sagt Dirk Hoheisel, "dadurch können sich mehrere Fahrzeughersteller gleichzeitig daran beteiligen", so das Mitglied der Bosch-Geschäftsführung. Auf die Idee mit der offenen Parkplatz-Plattform ist auch schon BMW gekommen - allerdings im internationalen Maßstab: "Das Angebot von etlichen Millionen offenen Parkplätzen wollen wir nicht nur unseren eigenen Kunden, sondern auch den Kunden von anderen Automarken machen", verrät BMW-Entwicklungsvorstand Fröhlich.

Jeder Anbieter will an die Gesamtheit der Nutzer ran. Denn der Kunde zahlt für die digitale Parkplatzkarte auch mit den Daten aus seinem eigenen Auto. Wer den Dienst auf die breiteste Basis stellt, garantiert so die beste Qualität seines Echtzeitangebots: Ein selbstverstärkender Prozess, der am Ende nur wenige Gewinner übrig lässt.

Gefragt ist ein Service, der die Kunden rundum glücklich macht

Wie bei den Internet-Plattformen gelte das Prinzip "the winner takes it all", der zweite Sieger sei schon der erste Verlierer, ist sich Klaus Fröhlich sicher. Beispiele sind die Mitwohnzentrale Airbnb oder der Taxidienst Uber: Ihr Raketenstart habe gezeigt, dass es um aggressives Wachstum und eine marktbeherrschende Größe gehe. "Bei all diesen Services ist der Kunde nicht bereit, sich verschiedene Apps auf das Handy zu holen und dann alle durchzuprobieren", fürchtet der BMW-Entwicklungsvorstand: "Die Kunden sind da gnadenlos. Die nehmen nur den Service, der sie rundum glücklich macht."

Wer am schnellsten wächst, schafft einen De-facto-Standard und kann den Wettbewerbern dann seine Geschäftsbedingungen diktieren. Gut möglich, dass solche Datendienste mittelfristig die Spielregeln in der Autobranche ändern werden.

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