E-Scooter:Mit dem Roller-Boom kommt auch der Ärger

E-Tretroller sind schick, schnell - und in vielen Ländern schon ziemlich angesagt. Wie haben die Flitzer andere Städte verändert?

Von SZ-Korrespondenten

1 / 8
(Foto: REUTERS)

Elektro-Tretroller gehören in Paris oder Tel Aviv mittlerweile zum Stadtbild. In Deutschland könnte dies auch bald so sein, eine Verordnung soll den Scootern den Weg ebnen. Am 17. Mai stimmt der Bundesrat darüber ab, dann könnten schon im Sommer die ersten Scooter in deutschen Metropolen rollen. SZ-Korrespondenten berichten aus Städten, in den die kleinen Elektro-Flitzer schon länger erlaubt sind: Wie also fahren sich die Roller? Welche Regeln gelten? Und was haben sie in anderen Ländern bewirkt?

Madrid

2 / 8
(Foto: dpa)

Die linksalternative Stadtregierung von Madrid hat die Parole ausgegeben: Grün und lebenswert soll die Stadt werden. Elektrofahrzeuge aller Art werden gefördert, also auch E-Tretroller. Sie werden als "besonders nachhaltiges Verkehrsmittel" angepriesen. 2018 haben 25 Verleihfirmen, die insgesamt über mehr als 100 000 Roller verfügen, sich in Madrid um eine Lizenz bemüht. 18 bekamen schließlich den Zuschlag für insgesamt 8600 Roller, verteilt auf das gesamte Stadtgebiet. Mit dabei ist auch Jump, die E-Roller-Marke von Uber, das als Taxiunternehmen in Madrid indes nicht landen konnte. Die Scooter dürfen auf 350 Kilometer Fahrradwegen sowie auf den Busspuren unterwegs sein; Fahrer unter 16 Jahren haben einen Helm zu tragen. Für die normalen Straßen sind sie nur zugelassen, wenn für diese eine Geschwindigkeitsbegrenzung von 30 Stundenkilometern gilt. Durchgangsstraßen sind ebenso wie Fußwege für die kleinen Stromer tabu. Immerhin dürfen sie in den öffentlichen Parks fahren, aber nur mit fünf Stundenkilometern, was offenkundig kaum eingehalten wird. All die Lobpreisungen des E-Rollers lassen allerdings die Unfallzahlen in den Hintergrund treten, wie ein Sprecher der Nationalen Polizei in Madrid bedauert. Im vergangenen Jahr wurden aus ganz Spanien etwa 300 Unfälle mit Personenschaden gemeldet, bei gut zwei Drittel hat die Polizei die Rollerfahrer als Schuldige ermittelt. Doch eine breite Debatte über die Gefährlichkeit dieses Verkehrsmittels ist bislang ausgeblieben. (Thomas Urban)

Wien

3 / 8
(Foto: Robert Haas)

Österreichs Hauptstadt ist bekannt für ihre Winde, die meist kräftig von Nordwest her wehen. Als Fußgänger wird man jedoch in jüngerer Zeit auch immer häufiger von einem Lufthauch gestreift, der stets von hinten kommt - und ausgelöst wird von verwegenen Fahrern schneller E-Tretroller, die den Bürgersteig de facto als Parcours für Slalomfahrten nutzen. Das führt recht häufig zu Wortgefechten und nicht selten sogar zu Kollisionen. Von 200 Unfällen mit E-Scootern allein im ersten Quartal 2019 berichtet Österreichs Kuratorium für Verkehrssicherheit. Neben den Zusammenstößen auf Gehsteigen sind da auch die Karambolagen von Rollern mit Autos einberechnet. Die Folgen sind oft dramatisch: Brüche und schwere Kopfverletzungen. Die Beliebtheit des neuen Verkehrsmittels hat viele in der Stadt schlicht überrollt. Die Geschäfte sprechen von einer teils "dramatischen" Nachfrage, vor allem aber tummeln sich inzwischen bereits sechs Verleihfirmen für E-Scooter mit zusammen etwa 6000 Geräten in Wien. Auch von Touristen werden die Tretroller gerne genutzt, es muss ja nicht immer ein Fiaker sein. Der Boom verlangt mittlerweile nach gesetzlichen Neuregelungen, die in Österreich vom 1. Juni an in Kraft treten sollen. Von da an gelten für E-Roller die gleichen Regeln wie für Fahrräder. Auf Gehsteigen dürfen sie dann also nicht mehr fahren. Auf Radwegen und Straßen ist die Höchstgeschwindigkeit auf 25 Stundenkilometer beschränkt. (Peter Münch)

San Francisco

4 / 8
(Foto: AP)

Sie hatten ihre großen Vorbilder genau studiert. Also stellten Anfang 2018 einige Start-ups ihre E-Tretroller in die Stadt - einfach so, ohne vorher zu fragen. Schließlich hatten Airbnb und Uber vorgeführt, wie das geht, eine Firma sehr schnell sehr groß werden zu lassen: einfach machen, blitzschnell. Dafür, dass man dabei gegen alle möglichen Regeln verstößt, kann man sich später immer noch entschuldigen. Dann nämlich, wenn es zu spät für die Politiker ist, das neue Angebot zu verbieten, weil die Menschen es so sehr lieben. Mit den Rollern aber kam es anders. So aggressiv hatten die Firmen sie verteilt, so genervt waren viele Menschen von den Dingern, dass sie in San Francisco bald überall lagen: Auf den Straßen, auf Bürgersteigen, in Hauseingängen, in Vorgärten. Im Sommer 2018 zog die Stadt daher die Notbremse und verbot von einem Tag auf den anderen sämtliche Miet-Scooter. Ebenfalls einfach so und ohne große Diskussionen. Ein Bewerbungsverfahren später durften im vergangenen Herbst zwei Anbieter ihre Scooter wieder verteilen: Scoot und Skip, ausgewählt ausdrücklich auch, weil sie zuvor nicht allzu dreist gegen Regeln verstoßen hatten. Ein Jahr lang soll nun getestet werden, wie sich das verträgt, San Francisco und die schnellen Roller. Bislang zeigen sich alle Beteiligten zufrieden mit dem Test, vor allem seit die beiden Firmen ihre Roller mit Kabelschlössern ausgestattet haben, die das Chaos aus dem vergangenen Jahr verhindern: kaum noch Diebstahl, weniger Vandalismus und weniger Roller in Vorgärten und auf Bäumen. Eine Umfrage zeigte vor einigen Wochen, dass mehr als 40 Prozent der Nutzer ohne die Roller ein Auto genommen hätten. Nun soll den Unternehmen bald erlaubt werden, die Zahl ihrer Fahrzeuge in der Stadt zu erhöhen. (Malte Conradi)

Rom

5 / 8
(Foto: dpa)

Offenbar erleben die "Monopattini", wie die Italiener zu den elektrisch angetriebenen Tretrollern sagen, derzeit einen beispiellosen Boom: 230 000 davon sollen allein 2018 verkauft worden sein. In Rom aber sieht man höchstens Touristen auf elektrischen Stehgefährten, vor allem auf Segways natürlich, in engen Gassen. Oft sind sie viel zu schnell unterwegs und haben wenig Sinn fürs Timing, was den Einheimischen nicht unwesentlich auf den Geist geht. Regeln gab es bisher fast keine. Im Sommer soll sich nun alles ändern, überall im Land. Das Transportministerium in Rom hat ein Dekret für den Gebrauch von E-Tretrollern, von Segways und Gefährten wie Monowheels und Hoverboards erlassen. Die Gemeinden müssen nun entscheiden, in welchen Straßen und auf welchen Piazze es zulässig sein soll, "mikromobil" herumzufahren. In Fußgängerzonen soll das Höchsttempo bei sechs Stundenkilometern liegen, auf Straßen bei 20. In der Nacht und bei starkem Regen ist die Benutzung verboten. Ein halbes Dutzend Firmen wartet nun auf das Okay, um Roller-Sharingdienste in die italienischen Städte zu bringen. In Rom fragt man sich aber, ob den Unternehmen großer Erfolg beschieden sein wird: Schon die vielen Motorradfahrer kämpfen um etwas Platz für sich - und gegen die Schlaglöcher in den Straßen. (Oliver Meiler)

Paris

6 / 8
(Foto: picture alliance/AP Images)

Wer in Paris einen Elektroroller ausleihen möchte, kann zwischen zehn verschiedenen Anbietern wählen. Der Markt ist genauso unübersichtlich geworden wie die Situation auf den Bürgersteigen, dort drängeln sich die geparkten Gefährte. Selten stehen sie brav in Reih und Glied, meistens sieht es aus, als habe gerade eine Verfolgungsjagd stattgefunden und der Flüchtende hatte gerade genug Zeit, seinen E-Scooter auf einen Rollerhaufen zu werfen, um dann weiter zu rennen. Seit April versucht die Stadt Paris die Roller-Anarchie ein wenig in den Griff zu bekommen. So sollen 2500 Stellplätze geschaffen werden (ein eher bescheidener Versuch, bis Jahresende sollen 40 000 Exemplare in Paris unterwegs sein). Wer das geliehene Gefährt dennoch so im Weg stehen lässt, dass Rollstuhlfahrer oder Menschen mit Kinderwagen die Gehwege nicht mehr benutzen können, muss 35 Euro Strafe zahlen. Vorausgesetzt, er oder sie wird erwischt, sonst muss der Roller-Anbieter für die Strafe aufkommen. Auch das Fahren auf dem Bürgersteig wird künftig geahndet: 135 Euro pro Verstoß. Noch gibt es keine genauen Zahlen darüber wie viele Unfälle durch E-Roller verursacht wurden. Doch bereits 2017, vor Einführung der Leihsysteme, waren in Frankreich 284 Menschen bei Unfällen mit Elektrorollern verletzt und fünf getötet worden. Für 2018 und 2019 liegen noch keine Zahlen vor. Ein Unfall im April erregte jedoch Aufsehen: Ein 81-Jähriger starb, als er bei Grün eine Fußgängerampel überquerte und von einem 21-jährigen Rollerfahrer erfasst wurde. (Nadia Pantel)

Tel Aviv

7 / 8
(Foto: dpa)

Die elektrischen Tretroller boomen in Israel. Immer mehr Menschen nutzen die Flitzer als Alternative zum Auto und zum schlecht ausgebauten öffentlichen Nahverkehr. Gleichzeitig steigt die Zahl der Unfälle und der Toten, die auf elektrisch betriebenen Flitzern im Straßenverkehr unterwegs waren. Allein in diesem Jahr gab es bereits fünf Tote, 19 waren es im Vorjahr. Die israelische Regierung hat zum 1. Januar 2019 ein Gesetz erlassen, das strengere Regeln vorsieht. E-Scooter und E-Bikes werden gleich behandelt: Wer jünger als 16 Jahre ist, darf weder E-Rad noch -Roller nutzen. Wer dennoch damit unterwegs ist, muss mit einer Beschlagnahme rechnen. Jugendliche zwischen 16 und 18 müssen einen Kurs absolvieren, um eine Fahrerlaubnis zu erhalten. Bei Verstößen kann diese Genehmigung für bis zu zwölf Monate entzogen werden. Strengere Strafen gibt es auch für die Manipulation der fahrbaren Untersätze, wenn die erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 25 Kilometer pro Stunde überschritten wird. Laut Verkehrsministerium gibt es mittlerweile mehr als 250 000 E-Bikes und E-Scooter im Land, bei etwa acht Millionen Einwohnern. Große Geschäfte in Tel Aviv verkaufen bis zu tausend Stück pro Monat. Dazu kommen noch die Scooter von Verleihdiensten wie Bird und Lime, die sich in Israel über sehr gute Geschäfte freuen. (Alexandra Föderl-Schmid)

Athen

8 / 8
(Foto: dpa)

Auf ein Gesetz hat man in Griechenland nicht gewartet. In Athen durfte das US-Unternehmen Lime im Januar die ersten E-Tretroller abstellen, inzwischen ist auch die Konkurrenz da: Hive von der Daimler-Tochter Mytaxi. Radwege gibt es in Athen nicht, es soll auf den Gehsteigen gefahren werden und in den wenigen Fußgängerzonen. Wagemutige Trittbrettflitzer nutzen auch die engen Gassen zu Füßen der Akropolis und blockieren so die schmalen Fahrbahnen, zum Ärger von Taxifahrern, die ihren Unmut in ausgiebigem Hupen äußern. Gleich am Anfang gab es einen schweren Unfall, erzählt ein Lime-Mitarbeiter, der die überall abgestellten Scooter zum Aufladen einsammelt. "Das war aber ein Kind." Jetzt steht auf der Lenkstange, dass man über 18 sein muss, um zu rollern, und das Höchsttempo wurde auf 20 km/h gedrosselt. Am Anfang wurden die Roller noch "für jedes Alter" angepriesen. Vor allem Touristen nutzen das Angebot, und stecken im Zentrum schnell in den Menschenmengen fest. Hive empfiehlt seinen Nutzern, einen Helm zu tragen. Aber in Athen wäre das auch per Gesetz wohl kaum durchsetzbar, werden doch sogar kopfbedeckungsfreie Fahrer schwerer Motorräder nicht von der Polizei gestoppt. Von Lime ist zu hören, dass viele Roller geklaut oder beschädigt wurden, aber aufgeben will der Anbieter nicht. Die Touristensaison 2019 hat ja gerade erst begonnen. (Christiane Schlötzer)

© SZ.de - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: