E-Autos im Fahrbericht:Dem Elektro-Golf fehlt nichts - außer Reichweite

Der neue VW E-Golf

Der VW E-Golf kostet mindestens 35 900 Euro. Der Plug-in-Hybrid ist 1000 Euro teurer.

(Foto: Volkswagen AG)

Nach ihrer Auffrischung machen die Golf-Varianten mit E-Motoren Lust auf Elektromobilität. Allerdings täuschen die Verbrauchsangaben.

Von Thomas Harloff

"Der Golf - das Update" heißt es aus Wolfsburg. Um zu erkennen, was neu ist beim Top-Seller, muss man schon sehr genau hinsehen. Etwas Chrom hier, eine kleine Strebe da und LED- statt Xenon-Scheinwerfer, fertig ist die aufgefrischte Front. Ähnlich subtile Retuschen am Heck, andere Felgendesigns und neue Lackfarben müssen genügen als Unterscheidungsmerkmal zum bisherigen Siebener-Golf.

Spannender sind die Innovationen im Motorraum. Etwa der neue 1,5-Liter-Vierzylinder-Benziner, den VW in zwei Leistungsstufen - 96 kW (130 PS) und 110 kW (150 PS) - anbietet. VW mag stolz auf dessen polymerbeschichtete Kurbelwellen-Hauptlager, die APS-beschichteten Zylinderlaufbahnen und das angeblich optimale Thermomanagement sein: Es bleibt dennoch ein Verbrennungsmotor, der Kraftstoff konsumiert und Abgase emittiert. Was VW als Hightech verkauft, dürfte mancher angesichts der aktuellen Abgas-Diskussionen als altmodisch empfinden.

Der Golf wäre nicht der Golf, wenn er es nicht allen recht machen wollte. Und so gibt es ihn weiterhin mit Elektroantrieb: als Plug-in-Hybrid mit Benziner einerseits und als reines Batterieauto andererseits. Beide lassen sich an der Steckdose oder Ladesäule betanken. E-Golf und Golf GTE nennen sich die beiden Varianten, und Ersterer soll in vielerlei Hinsicht besser sein als zuvor. Sein Lithium-Ionen-Akku speichert nun bis zu 35,8 statt 24,2 Kilowattstunden elektrische Energie, was die Reichweite von 190 auf 300 Kilometer vergrößern soll. Nach dem Neuen Europäischen Fahrzyklus wohlgemerkt.

Wie nah diese Angabe an der Realität liegt, ist nach einer Runde über hügelige, streng tempolimitierte mallorquinische Landstraßen schwer einzuschätzen. Der Bordcomputer liefert nicht mehr als einen groben Hinweis: Von ursprünglich angegebenen 292 Kilometern Reichweite blieben am Ende der Fahrt 128 übrig. Dabei war die Strecke nur 95 Kilometer lang.

Dafür verleiht die zusätzliche Kraft - der Elektromotor leistet jetzt 100 kW (136 PS) statt 85 kW (115 PS) - der E-Maschine einen sportlicheren Charakter. Trotz des kräftigen Antritts ist fast nichts zu hören, was zum komfortabel-entspannten Charakter dieses Elektrogleiters passt. Kurven kann der E-Golf auch, aber die etwas gefühllose Lenkung und das im Vergleich zum Standard-Golf etwa 300 Kilogramm höhere Gewicht wirken als eingebaute Spaßbremse.

Die Technik ist spannender als die Optik

Genau wie beim Exterieur so ist auch innen die Technik spannender als die Optik. Trotz der neuen Dekorelemente und Sitzbezüge hat sich der typische Golf-Look kaum verändert. Ein merkliches "Update" (um beim VW-Sprech zu bleiben) ist bei den Infotainmentsystemen erfahrbar. Die Kernelemente des Top-Modells "Discover Pro" sind zwei Bildschirme. Die 12,3 Zoll große Mattscheibe hinter dem Lenkrad rückt jetzt stärker die Informationen ins Zentrum, die den Fahrer am meisten interessieren. Navigationshinweise zum Beispiel, der aktuelle Verbrauch, oder was die Fahrassistenten so treiben. Hinzu kommt das 9,2-Zoll-Display in der Mittelkonsole, das sämtliche Tasten aus diesem Bereich verbannt. Was auch immer eingestellt werden soll, wird über den Touchscreen geregelt. Wobei Berühren nur eine der beiden Eingabemöglichkeiten ist: In bestimmten Menüs sollen Wischgesten reichen, um die Funktionen zu kommandieren. Was aber nicht sonderlich gut funktioniert.

Im Gegensatz zum E-Golf bietet der GTE die Kraft von zwei Motoren: Die Gesamtleistung des 1,4-Liter-Vierzylinder-Benziners und des Elektro-Aggregats summiert sich wie beim Vorgänger auf 150 kW (204 PS). Die elektrische Reichweite soll 50 Kilometer betragen, der Normverbrauch 1,6 Liter auf 100 Kilometer. Doch auch bei diesem Modell klaffen Versprechen und Realität auseinander. Mehr als 40 Kilometer schafft die Batterie im Landstraßenbetrieb nicht, der Bordcomputer gibt nach der Testfahrt einen Durchschnittsverbrauch von 5,6 Litern an.

Die E-Varianten sind ähnlich teuer wie die Sportversionen

Wer seinen Verbrauch optimieren möchte, kann mit den Fahrmodi spielen. Der GTE fährt entweder nur mit Strom, nutzt den Elektromotor, um den Verbrenner beim Beschleunigen zu unterstützen, oder hat im Charge-Modus weitgehend Sendepause, damit der Benziner während der Fahrt die Batterie aufladen kann. Welcher davon am besten passt, muss der Fahrer mit der Zeit herausfinden. Einfach reinsetzen und losfahren funktioniert aber auch, denn im voreingestellten Hybridmodus ergänzen sich die Motoren zu einem harmonischen Kompromiss, der für fast jedes Fahrprofil passt.

Zum Schluss die Qual der Wahl: Welchen nimmt man nun? Wer auf alles vorbereitet sein möchte, greift zum GTE. Wer aber bereit ist, selbst mit energieeffizienter Fahrweise maximal 200 Kilometer weit zu kommen und die entsprechenden Lademöglichkeiten hat, fährt mit dem E-Golf ein flottes und umgängliches Elektroauto, das für die meisten Herausforderungen des Alltags gerüstet ist. Aber wie die Entscheidung auch ausfällt, billig wird es nicht: 35 900 Euro kostet der E-Golf, der GTE ist noch einmal 1000 Euro teurer. Damit liegen sie zwischen den Sportversionen GTI und R. Schade, dass ein reines Umweltgewissen ähnlich teuer erkauft werden muss wie der spritvernichtende Fahrspaß.

Die Reisekosten zur Präsentation des VW E-Golf und Golf GTE auf Mallorca wurden teilweise vom Hersteller übernommen.

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