Duftzäune und Reflektoren:Neuer Schutz vor Wildunfällen

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Deutlich mehr als 200.000 Autofahrer müssen ihr Auto pro Jahr wegen eines Wildunfalls in die Werkstatt bringen. (Foto: obs)

20 Tote im Jahr und 3000 Verletzte, dazu ein finanzieller Schaden in dreistelliger Millionenhöhe und unzählige tote Tiere: Wildunfälle haben stark zugenommen. Jagdverband und ADAC wollen nun Mittel gefunden haben, um Zusammenstöße zu verhindern. Auch für den Fall einer Kollision geben die Fachleute Tipps.

Wildunfälle sind eine ständige Bedrohung auf Deutschlands Straßen - und sie nehmen zu: Neueste Erhebungen des Deutschen Jagdverbandes (DJV) zeigen, dass ihre Zahl zuletzt in die Höhe geschnellt ist. Demnach wurden in der Jagdsaison 2012/13 bundesweit knapp 210.000 Wildunfälle gezählt - sieben Prozent mehr als in der Saison davor. Die Dunkelziffer ist nach Einschätzung von DJV-Präsident Hartwig Fischer noch deutlich höher. "Wir gehen von einer Zahl aus, die mit Sicherheit drei- bis fünfmal so hoch ist", sagt er.

Denn es werden nur Unfälle mit den sogenannten Paarhufern wie Reh, Hirsch und Wildschwein gezählt. Überfährt ein Autofahrer einen toten Fuchs oder weicht er einer Wildkatze aus, erfasst das keine Statistik.

Das soll sich ändern, meinen die Jäger. Sie fordern von den Innenministerien bessere Statistiken - auch um Wanderrouten der Tiere besser vorhersagen zu können. Nach Einschätzung des Verbandes enden beispielsweise fast 50 Prozent der Luchse und Otter, die in einem Jagdgebiet sterben, plattgefahren auf der Straße.

Ein Hirsch wird zum Elefanten

"Wenn Sie mit 60 Stundenkilometern gegen ein Wildschwein fahren, dann haben Sie ein Aufprallgewicht von 3,5 Tonnen", sagt ADAC-Präsident Peter Meyer. Das entspricht etwa einem ausgewachsenen Nashorn. Beim Rothirsch sind es sogar fünf Tonnen - so viel wiegt ein Elefant.

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Jagdverband und ADAC wollen jetzt gemeinsam die Gefahr eindämme und haben das Institut für Wildbiologie in Göttingen beauftragt. Es soll herausfinden, was denn nun hilft gegen Wildschweine, die ohne Vorwarnung auf die Straße flitzen und Rehe, die im Lichtkegel stehen bleiben. Am Mittwoch stellten die Verbände die Halbzeitbilanz des auf vier Jahre angesetzten Projektes vor.

Die besten Mittel gegen Zusammenstöße mit Tieren, da sind Jäger und Forscher sich einig, sind Duftzäune und Reflektoren. Das Forschungsprojekt soll nun in erster Linie klären, was auf welchen Strecken am besten funktioniert.

Erstes Ergebnis: Auf den 25 Teststrecken in Schleswig-Holstein ging die Zahl der Wildunfälle um bis zu 80 Prozent zurück - im Idealfall. Auf manchen Strecken tat sich aber auch gar nichts, wie Christian Trothe vom Göttinger Institut einräumt. Die Duftzäune nutzen die Angst vor dem Feind. "Der Zaun soll nach dem Fressfeind riechen, nach allem, was für Reh und Hirsch eine Bedrohung darstellt."

Rehe und Hirsche brauchen spezielle Lichtreflexe

Die Lichtreflektoren senden bei Gefahr durch ein nahendes Auto einen blauen Lichtreflex aus, für den das Rehauge besonders empfindlich sein soll. Jahrelang waren die Reflektoren rot. Aber Rehe und Hirsche sind rotblind - und rotes Licht ist für sie nicht viel mehr ist als eine weitere unauffällige Grau-Schattierung. Ziel des 2011 gestarteten Projektes ist es nun, einen Katalog zu erstellen nach dem Muster: Eine Straße mit Wald links und Feld rechts erfordert einen Duftzaun, eine Straße durch einen Wald braucht eher Reflektoren.

Die detailierten Empfehlungen stehen nach Angaben Trothes noch aus. Denn es soll eine Tabelle für Jäger geben, die Mensch, Tier und Auto in ihrem Zuständigkeitsgebiet voreinander schützen und dafür auch Geld in die Hand nehmen wollen. Ganz billig ist das nicht, betont Jagdverbandspräsident Fischer, der dafür auch die Autoversicherer in die Pflicht nehmen will: Bei Schäden von mindestens einer halben Milliarde Euro im Jahr durch Wildunfälle sollten die doch ein gesteigertes Interesse daran haben, ihre Zahl einzudämmen. ADAC-Chef Meyer findet die Idee auch gut, ist aber skeptisch, ob die Versicherungen das wirklich zahlen wollen.

So reagieren Sie bei Wildunfällen richtig

Wenn der Crash nicht zu vermeiden ist, empfiehlt der ADAC, das Tier frontal zu treffen. So werde durch den Aufprallwinkel das Risiko verringert, dass das Tier in die Windschutzscheibe geschleudert wird.

Bei kleinen Tieren gilt, so hart es auch klingt: Platt machen statt ausweichen. Das Risiko, die Kontrolle über das Auto zu verlieren oder in den Gegenverkehr zu geraten, steht in keinem Verhältnis zu dem möglichen Schaden, den ein Wiesel am Stoßfänger anrichtet.

Nach einem Wildtier-Crash muss man sofort die Unfallstelle absichern, das tote Tier von der Fahrbahn entfernen und die Polizei alarmieren. Tierhaare und Blut am Auto sollte man nicht entfernen, da sie für die Versicherungsexperten als Beweismittel dienen. Übrigens darf man das tote Tier nicht mitnehmen, auch wenn sich ein Zwölfender vielleicht gut über dem Kamin macht. "Die Aneignung von angefahrenem Wild wird als Jagwilderei strafrechtlich verfolgt", warnt der ADAC vor nachträglichem Jagdeifer.

© Süddeutsche.de/dpa/goro - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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