Ende gut, alles gut? Inbrünstig begrüßte Düsseldorfs Oberbürgermeister Thomas Geisel am Mittwoch die Nachricht, dass seine Stadt einen lang geplanten Verkehrsversuch starten kann. Busse, Radler und Fahrgemeinschaften dürfen auf "Umweltspuren" künftig vorbei an manchen Staus durch die NRW-Landeshauptstadt rollen. Das sei, so Geisel zur Süddeutschen Zeitung, "ein Beitrag zur Verkehrswende".
Vorfahrt für Fahrgemeinschaften - auf diese Idee kamen die Düsseldorfer, weil sie wie viele deutsche Städte wegen hoher Stickoxidwerte Fahrverbote für Dieselautos befürchten. Die Rheinländer beschlossen zu Jahresbeginn ein Experiment: die Umweltspur. Auf drei Einfallstraßen sollte je eine Fahrspur reserviert werden für alle, die weniger Dreck pro Passagier ausstoßen: Busse und Taxis, Elektrofahrzeuge und Radler - und eben Autos mit mindestens drei Insassen. Solche Privilegien für Fahrgemeinschaften, egal, ob sie mit Diesel oder Benzin unterwegs sind, gibt es auf US-Highways schon lange.
Verkehr:Weniger Platz für Autos
Der Deutsche Städtetag will weniger Kohlendioxid in der Luft und setzt sich für klimaschonende Mobilität ein. Fußgänger, Radler und Busse sollen mehr Raum erhalten.
In Deutschland hingegen befährt Düsseldorf mit der Idee Neuland. Also musste OB Geisel (SPD) brav eine Sondergenehmigung für seinen "Verkehrsversuch Umweltspur" beantragen. Zuständig ist Andreas Scheuer, der Bundesverkehrsminister. Die föderale Ordnung verlangt, dass Geisels Gesuch über den Tisch von Hendrik Wüst (CDU) ging, dem NRW-Landesminister für Verkehr. Es sollte eine Reise ins bürokratische Absurdistan werden.
Am 25. Januar schickte Geisel "in dringlicher Angelegenheit" einen Brief an Landesminister Wüst. In dessen Ministerium blieb der Schriftsatz einen Monat liegen, erst am 25. Februar erreichte die Umweltspur Berlin. Im Hause Scheuer prüfte man sodann zwei Monate lang, ob eine "Freigabe von Bussonderfahrstreifen" für Fahrgemeinschaften genehmigungsfähig ist - und bedauerte. Nein, die Straßenverkehrsordnung (StVO) verbiete den Versuch. Denn voll besetzte Pkw würden die Busspur verstopfen und Radfahrer gefährden. "Eine Änderung der StVO ist daher nicht angezeigt", beschied ein Berliner Referatsleiter am 24. April. Die Umweltspur steckte in einer Sackgasse.
Merkwürdig nur, dass die Absage im Düsseldorfer Rathaus nie ankam. Stattdessen landete der Brief bei der Bild-Zeitung. Dort las OB Geisel am 8. Mai, sein Versuch sei "illegal". Gleichzeitig potenzierte Verkehrsminister Scheuer die Verwirrung, indem er verkündete, er selbst sei sehr wohl fürs Experimentieren: Busse, Radfahrer und Fahrgemeinschaften seien Dimensionen "urbaner Mobilität".
In Düsseldorf verstand das niemand mehr. "Eine peinliche Posse" nennt OB Geisel rückblickend die Umwege der Umweltspur, Scheuers Ministerium habe die Idee "mit bürokratischem Geschwurbel" torpediert. Auch im NRW-Verkehrsministerium bedauerte man auf SZ-Anfrage die "verfahrene Situation". Man habe "auf Wunsch aus Berlin" zwar das Schreiben vom 24. April nicht an die Stadt übermittelt. Aber auf eine Lösung per neuem Bescheid "warten auch wir seit Wochen".
Per E-Mail bestätigte Scheuers Haus der SZ nun die Kehrtwende. Bis Jahresende will man die Privilegien für Fahrgemeinschaften in der StVO festschreiben. Sogar an ein Verkehrsschild denke man schon, Arbeitstitel: "Fahrzeuge mit Mehrfachbesetzung".