Süddeutsche Zeitung

Dubai: Ausbau des ÖPNV:Im Elektrobus durch die Wüste

Deutschlands führende Hersteller stehen Schlange, um in den staugeplagten Golfsstaaten ihre Lösungen für den öffentlichen Nahverkehr zu präsentieren.

Klaus C. Koch

16 Türen auf jeder Seite, Platz für 23 Passagiere, die gehobenen Komfort wie in einer Luxuslimousine erwarten dürfen, und Geschwindigkeiten bis zu 250 Kilometer pro Stunde: Es gäbe wohl kaum einen besseren Ort auf der Welt als die Arabischen Emirate, um für einen Bus zu werben, der mit einem 400 PS starken Elektroantrieb den öffentlichen Personenverkehr revolutionieren soll.

Der Superbus, der abgeteilt durch Beton-Elemente auf einer eigenen Spur staufrei über die Straße rollen soll, wurde an der TU Delft entwickelt. Auf der Jahrestagung der Union Internationale des Transports Publics (UITP), des internationalen Dachverbandes der Betreiber von S-Bahnen, U-Bahnen und Metrosystemen, die von 10. bis 14. April in Dubai stattfindet, soll er nun erstmals vor Publikum gezeigt werden steht die Publikumspremiere an.

Hinter dem Entwurf des Überlandbusses, der die Scheichs als Massenverkehrsmittel begeistern soll, steckt übrigens kein Geringerer als Wubbo Ockels, der erste Niederländer, der 1985 an Bord eines US-amerikanischen Space Shuttle mitfliegen durfte und heute am Institut für Luft- und Raumfahrttechnik in Delft lehrt.

Die aufstrebende Wüstenstadt Dubai hat sich in einer enormen Kraftanstrengung und unter erheblichem Kapitaleinsatz ihrer Straßenverkehrs- und Transportbehörde RTA (Roads and Transport Authority) das Ziel gesteckt, den öffentlichen Nahverkehr von einem Anteil von sechs Prozent im Jahr 2006 auf bis zu ein Drittel im Jahr 2020 hoch zu schrauben, um nicht im rasend wachsenden Individualverkehr zu ersticken.

Zwar machen es die klimatischen Bedingungen in der Region den Anbietern von Bus- und Schienensystemen nicht gerade leicht: Tagsüber ist es extrem heiß, am Abend jedoch fällt die Temperatur rapide.

Entsprechend hoch sind die Anforderungen an die Leistungsfähigkeit der Klimaanlagen in den Fahrzeugen selbst, aber auch in Wartebereichen und an Haltestellen. Trotzdem will sich kein Hersteller die Chance entgehen lassen, auf einem Markt Fuß zu fassen, auf dem in den kommenden Jahren zweistellige Milliardensummen für den Ausbau öffentlicher Verkehrsmittel vorgesehen sind.

Eines der bisher ehrgeizigsten Projekte in Dubai war der Bau einer fahrerlosen Metro, die bereits zwei Tage nach ihrer Inbetriebnahme einen Rekord bei den Fahrgastzahlen von zehn Prozent der gesamten Bevölkerung vermeldete. Anschließend kletterten die Fahrgastzahlen von 1,8 Millionen im ersten Betriebsmonat auf 4,4 Millionen im November 2010, das entspricht einer Steigerung um mehr als das Anderthalbfache innerhalb von 13 Monaten.

Insgesamt werden Busflotten, Tunnels, Bahnhöfe und auch die in den Verkehrsverbund eingebundenen Wasser-Taxis heute von zwei- bis dreimal so vielen Nutzern in Anspruch genommen als noch vor zwei Jahren. Allein 2009 wurden 288 Millionen Beförderungen gezählt, also täglich rund eine Million Passagiere, die sonst womöglich in langen Blechkarawanen für beträchtliche Staus auf den Straßen gesorgt hätten.

Auch die benachbarten Emirate haben inzwischen erkannt, dass sie Aufholbedarf haben. Die UITP, die ihrerseits bis 2025 eine Verdopplung des Anteils öffentlichen Transporte am weltweiten Verkehrsaufkommen anstrebt, weiß sich dort, wo Hochgeschwindigkeitsstrecken im Gespräch sind, gut aufgehoben.

Die großen Hersteller von Bus- und Schienensystemen präsentieren alles, was an Neuheiten in jüngerer Zeit die Designer-Werkstätten verließ oder bereits vom Fließband lief. Dazu gehören beispielsweise Diesel-Hybrid-Busse, die elektrische Energie in Batterien oder Superkapazitoren speichern, damit 30 Prozent Sprit und nach Herstellerangaben (Solaris) bis zu 78 Prozent an Emissionen einsparen. Werden sie mit Biodiesel betrieben, dürfen sie sich zur Gänze als klimaneutral bezeichnen.

Sowohl Siemens als auch Bombardier werben zugleich für ihre neueste Generation von Straßenbahnen. Diese kommen auf kürzeren oder längeren Strecken ohne Fahrdraht aus, wenn sie ihren Strom per induktiver Stromübertragung nicht sogar gänzlich aus Transformator-Schleifen beziehen, die unter dem Straßenbelag verlegt werden. Bombardier hat aus diesem "Primove" genannten Konzept, das sich analog auf Elektro-Autos, Busse und Lastwagen anwenden lässt, gleich ein ganzes Geschäftsfeld gemacht.

In den Emiraten sollen neue Komfortmerkmale nicht nur darin bestehen, getrennte Abteile für Frauen, Kinder und Männer auszuweisen. Mit moderner Informationstechnologie ausgerüstete Geräte, auf die ein breites Publikum heutzutage nicht mehr verzichten möchte, digital gespeiste und in Echtzeit aktualisierte Fahrgast-Informationssysteme zählen dazu, aber auch die Möglichkeit, Bahntickets aufs Mobiltelefon herunterzuladen.

Dauer-Nachrichtensendungen in der U-Bahn, die permanente Berieselung mit Werbung, Fahrschein-Automaten, die aus Solarenergie gespeist werden, sowie per Funk- und Magnetkarten gesteuerte Abrechnungssysteme, die den herkömmlichen Entwerter ersetzen, lassen keine Wünsche mehr offen.

Da fällt auch für den Individualverkehr noch etwas ab. Ein "Emirates Driving Institute" wirbt anlässlich der Tagung in Dubai verstärkt mit Kursen für defensives Verhalten im Straßenverkehr. Angesichts zahlreicher Unfälle, die aufgrund der sprunghaft gestiegenen Verkehrsdichte zu beklagen sind, eine wichtige Maßnahme, um die Zahl der Verkehrsopfer zu senken.

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Quelle:
SZ vom 11.4.2011/gf
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